12.12.2019 Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos

Vor zwei Tagen habe ich das Problem mit der Odd@Sea, welches mich hierher geführt hat und mich an einer Weiterfahrt in Richtung wärmerer Gefilde hindert, nach allem Wissen skizziert. Nach einigen Tests an Bord und Absprachen mit Verantwortlichen der Alubat-Werft sowie einmal mehr Jörgs und Eriks fachkundigem Rat, sieht die Angelegenheit wie folgt aus. Eine Reparatur der backbordseitigen Beule kommt aus mehreren Gründen nicht in Frage. Zur Behebung dieser reinen kosmetischen Maßnahme müsste das Schiff mit gelegtem Mast auf einen Tieflader in die Werft transportiert werden und dort ausgebeult werden. Die Kosten dazu sind für den Zweck keinesfalls gerechtfertigt. Ein technisches Risiko besteht mit dem jetzigen Zustand definitiv nicht. Die Reparatur der Inneneinrichtung in diesem Bereich ist hier vor Ort für einen durchaus nachvollziehbaren Preis machbar, kann aber wegen Vollauslastung der Mannschaft erst Ende Januar erfolgen.

Schwieriger ist immer noch das Problem mit der Wasseraufnahme während der Fahrt. Nach einigen Tests kann ich nun mit großer Sicherheit sagen, dass definitiv kein Wasser von unterhalb der Wasserlinie und auch nicht aus dem Trinkwassertank eindringt. Wenn das Schiff mit einiger Fahrt sich nach hinten neigt, das Heck also bis auf die Wasserlinie absinkt, besteht die Möglichkeit einer Leckage dann, wenn ein Schaden am unteren Teil des sogenannten Kokers besteht. Dieses Rohr sorgt genau dafür, dass das Wasser nicht über die Ruderachse in den Rumpf eindringen kann. Es umgibt die Drehachse des Ruders und reicht bis soweit über die Wasserlinie, dass der Wasserstand stets unterhalb des Rohrendes verbleibt. Besteht dort ein Riss im unteren Bereich, dann würde das erfahrene Szenario bestätigt werden.

Um das zu prüfen und ggf. zu reparieren, muss das Schiff allerdings aus dem Wasser. Das kann hier im Hafen passieren, denn es gibt hier alle nötigen Voraussetzungen für diese Arbeit. Zugleich kann ich diese Gelegenheit nutzen, um das Schiff gründlich im Unterwasserbereich zu reinigen und nun endlich doch noch Antifouling aufzutragen. Das Reinigen allein, wie ich es mehrfach gemacht habe, lässt den Bewuchs im Salzwasser innerhalb von gerade einmal 2 Monaten wieder auf das jetzige Maß anwachsen. Ich war aus Umweltgründen bisher zögerlich mit dieser Maßnahme, muss aber nun erkennen, dass es ganz ohne nicht geht. Zugleich kann das Schiff bei dieser Maßnahme ohne viel Aufwand visuell im unteren Bereich auf jede Form von Anomalitäten inspiziert werden, sollte die Problemursache woanders liegen. Das wird allerdings in diesem Jahr nicht mehr passieren sondern nach Absprache mit dem Hafenbetreiber und der Werft im Januar. Ich werde auch dann an Bord leben, wenn es auf dem Trockenen steht. Nur das Ein- und Aussteigen ist dann etwas beschwerlich, denn es geht über eine Leiter einige Meter hoch an Deck. Ich kenne das bereits von meinem Technikaufenthalt in Bingen (Rhein) vor zwei Jahren.

Ich kann nur sagen, dass ich vor drei Tagen, als von mir das Maß der Wasseraufnahme fälschlicherweise noch als viel zu hoch eingeschätzt wurde, einen gehörigen Schrecken bekam. Das bescherte mir dann eine schlaflose Nacht, da ich annahm, dass ich das Schiff nicht einmal mehr eine Woche unbewacht stehen lassen könnte, um ein Absaufen zu verhindern. Mein geplanter und bereits gebuchter Besuch in Deutschland über Weihnachten wäre damit unmöglich. Das beruhte aber auf einer optischen Täuschung bei einer zu raschen Kontrolle in Verbindung mit einer pessimistischen Grundhaltung. Es findet sich nun nach einer manuellen Totaltrocknung auch nach einem Tag nur noch ein eher flächendeckender Feuchtigkeitsfilm als Resultat von Kondensation, die an Bord aber überall dort in großen Mengen auftritt, wo der wärmere Innenraum über metallische Wärmebrücken mit der Außenwelt thermisch verbunden ist. Die Fensterrahmen muss ich aus diesem Grund jeden Tag mehrmals abwischen und da kommt viel Wasser zustande. In der Bilge zeigt mir der Geschmackstest, dass das Wasser jetzt nahezu salzfrei ist. Da die Wände der Bilge wegen des Defektes ausgiebig mit Salzwasser gespült wurden, nimmt das Kondenswasser ein wenig von dem bei der Verdunstung auskristallisierten Salz auf.

Da dieser Hafen hier eine außerordentliche Sicherheit für Schiffe bietet, bin ich gar nicht so unzufrieden mit meiner Lage. Die Stadt hat dieser Tatsache bereits vor langer Zeit sogar eine Kirche gewidmet, welche in ihrem Namen diese Sicherheit preist. Das ist ungewöhnlich, aber auch bemerkbar, wenn man hier mit seinem Schiff liegt. Selbst bei weit über 40 Knoten Windgeschwindigkeit konnte ich hier noch sehr gut an Bord schlafen. Die Leinen werden dabei quasi überhaupt nicht belastet. Das Schiff neigt sich nur wenig, wenn eine Böe über uns hinwegfegt. Unter 30 Knoten hatte ich bisher hier nur sehr selten. Ab Mitternacht sollen allerdings weit über 50 Knoten über den Hafen jagen und das bis zum Abend. Da verlasse ich mich doch gerne auf die Einschätzung der ortsansässigen Gläubigen, die dem Hafen Wunderdinge unterstellen. Dass hier auch über den Winter geschätzt über tausend Boote im Wasser parken, scheint diese Annahme zu bestätigen. Aber es tut mir schon ein wenig weh, dass ich nicht schneller in die wärmeren Gefilde im Süden kommen werde.

Jetzt steht erstmal nichts weiter an für mich als das Warten auf meine Abfahrt mit dem Zug nach Nantes. Von dort geht es weiter mit dem Flugzeug nach Berlin. Ein Besuch bei meinen Kindern und Enkelkindern in Hamburg schließt meine Reise dann ab.

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