14.8.2017: Abfahrt in ein neues, unbekanntes Leben

Endlich war es soweit, meine Tochter Lena, die mich auf den ersten drei Tagen meiner Fahrt dankenswerter Weise begleitet hat, und ich machten die Leinen vom Aussensteg meines Seglervereins, der SV03 (Seglervereinigung von 1903), in der Bucht von Schwanenwerder los. Dieser sportlich ambitionierte und dennoch sehr gemütliche Verein ermöglichte der Odd@Sea ein vorläufiges Zuhause zu haben und mir Bekanntschaft mit vielen sehr freundlichen und hilfsbereiten Menschen zu machen.

Dem Aufbruch gingen in den zwei Wochen vorher zahlreiche individuelle und kollektive Verabschiedungen voraus, die mich alle sehr erfreut und mich darin bestätigt haben, dass mein Schritt in ein neues Leben nicht ganz falsch sein konnte. Neben den Segelkameraden und -kameradinnen waren dieses die Mitglieder meines ehemaligen Fachgebiets, der Stammtisch sowie ehemalige Kollegen sowie einige meiner früheren Fliegerkameraden, denen ich allen sehr herzlich für ihr Interesse an meiner Zukunft danke. Es gab zwar viele interessierte Fragen, jedoch keine Worte der ernsten Bedenken. Allerdings standen dem Neuanfang auch die Rückgabe meiner über 17 Jahre benutzten Wohnung in Charlottenburg und die Aufgabe des weitaus größten Teil meines Hab´ und Guts auf dem Programm, was durchaus auch sentimentale Gefühle und Erinnerungen hervorgerufen hat.

Ich möchte mich an dieser Stelle insbesondere bei Andreas und Marius für Ihre Hilfe beim Legen des Mastes und dem Verstauen an Bord bedanken. Hier haben wahrlich drei veritable Vollakademiker einen Beweis für Ihre praktische Kompetenzen abgelegt.

Andreas und Marius nach getaner Arbeit am Außensteg der SV03

Jedenfalls hatte meine Reise wie geplant und angekündigt am 14.8.2017 begonnen mit einer sehr beeindruckenden Fahrt durch das Havelland, eines der schönsten Gegenden unseres Landes, wie ich meine. Wegen des relativ späten Aufbruchs am Nachmittag lag unser erster Stop in der neuen Marina in Brandenburg, kurz hinter der Schleuse, bereits in der Dunkelheit.

Impressionen von der Fahrt durch das Havelland

Der nächste Tag brachte uns ebenfalls bei verschwindendem Tageslicht bis zur Liegestelle Burg, einer Stadt, in der mit der Sonne auch die Menschen auf den Straßen verschwinden. Die Liegestelle Wolfsburg hatte ich bereits auf meiner Fahrt mit der Odd@Sea von Amsterdam nach Berlin kennengelernt. Sie liegt direkt am Fernbahnhof und war strategisch gewählt, da mich hier meine Tochter Lena leider wieder verlassen und bequem nach Berlin zurückfahren konnte. Wir kamen deshalb am 16.8.17 am frühen Nachmittag an und konnten so den Tag für Einkäufe, Wäschewaschen, Essen gehen und Verabschiedung nutzen. Die Überfahrt über die Elbe war sicherlich wieder einmal ein Höhepunkt dieses ansonsten eher langweiligen Streckenabschnitts. Ich danke Dir, liebe Lena für Deine Begleitung, die mir sehr viel Freude bereitet hat.

Bilder, die Lena vom Bordfahrrad aus gemacht hat
Liegestelle Wolfsburg, direkt vor dem VW-Werk und dem Fußballstadion – Eine moderne Stadt mit öffentlichem WLAN

Es folgten Stationen an Liegestellen in Braunschweig am 17.8., in Hannover am 18.8., sowie in Lübbecke am 19.8.2017. Mein Bordfahrrad wurde immer mehr zum unverzichtbaren Hilfsmittel, denn es machte mich an Land mobil für Einkäufe. Beispielsweise konnte ich in Braunschweig einen noch fehlenden Adapter zum Aufbau einer Behelfsantenne erwerben und war dabei nicht auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Seitdem sende ich ein AIS-Signal, welches meine jeweilige Position mit einigen Stunden Versatz im Internet unter der Adresse www.marinetraffic.com über das Internet zugänglich macht. Ich danke Dir, lieber Uli aus Ingolstadt, dass Du diesen Hinweis gegeben hast. Der dort verzeichnete Schiffsname stimmt allerdings nicht mit dem wirklichen überein, da es weltweit mindestens drei Schiffe mit dem Namen „Odd@Sea“ gibt. Bei zweien davon handelt es sich um mein Schiff, davon eines allerdings mit der holländischen Altregistrierung, ein anderes stammt aus den USA. Deshalb hat der Service-Provider den Ersatznamen „Odd Sea“eingetragen, wobei das Blank ein nicht darstellbares, also auch nicht zu schreibendes Zeichen ist. Man sollte also einen bekannten Standort des Schiffs auf der Karte herauszoomen, das Schiff mit dem Namen „Odd Sea“ anklicken und den Namen speichern. Deren Neuaufruf mit diesem Namen sollte dann stets zum aktuellen Standort führen.

Auf dem nächsten Fahrtabschnitt nach Lübbecke konnte ich nicht nur die erneute Querung der Elbe über die Trogbrücke bewundern, sondern es machte sich auch bemerkbar, dass ich offensichtlich den Bewuchs meines Schiffes über den Winter im eisfreien Hafen unterschätzt habe. Ein häßlicher Warnton der Motorelektronik machte mich auf eine zu große Motortemperatur aufmerksam. Bis dahin fuhr ich mit 2300 U/min mit guten 6 Knoten. Die Verringerung der Drehzahl auf 2000 U/min brachte den Ton zum Verstummen, verringerte jedoch auch die Geschwindigkeit. Kurz vor dem Ziel meckerte dann der Motor erneut, was mich zu einer weiteren Reduzierung der Motorleistung antrieb. Die Kontrolle am Abend zeigte dann auch, dass zwar die Wasserpumpe, der so genannte Impeller, in tadellosen Zustand ist, jedoch die geförderte Wassermenge nicht mit der Drehzahl anstieg. Das Problem kann also nur in einer Querschnittsverängung im Seeventil oder im Wassereinlass liegen. Ich entschloss mich zur kurzen Weiterfahrt am nächsten Tag bis nach Bad Essen mit sehr reduzierter Geschwindigkeit, da dort die nächstgelegene Marina lag. In diesem kurzen Streckenabschnitt trat die Temperaturwarnung erst kurz vor dem Ziel erneut auf. Da alle meine Tauchversuche wegen meiner mangelnden diesbezüglichen Fähigkeiten erfolglos blieben, die Marina in Bad Essen genauso wie alle anderen Häfen in der Nähe über keine Hilfsmittel zum Kranen oder zum Slippen des Schiffs verfügt, entschloss ich mich zu einer Rückfahrt bis Minden, wo ich heute eingetroffen bin. Mir wurde ein Slippen der Odd@Sea für morgen Vormittag zugesagt. Ich bin gespannt auf das Ergebnis nach einer ausgiebigen Reinigung des Unterwasserschiffs.

Vor dem Slip in Minden
Auf dem Slipwagen

Ein Wort noch zum täglichen Leben an Bord. Ich habe mir die Umstellung schwerer vorgestellt. In den ersten Tagen stößt man sich an den noch unbekannten Hindernissen, was allerdings schnell nachlässt. Ich brauche auf nichts zu verzichten, die Fahrt von der Liegestelle bis zum nächsten Laden mit dem Fahrrad ist eher ein Vergnügen, als eine lästige Verpflichtung und es fehlt an nichts. Man schläft so herrlich ruhig und wird am morgen allenfalls durch den Schwell von frühen Frachtern leicht ins schaukeln gebracht.

Man ist nie alleine an Bord – es gibt stets fleißige Spinnen, die hervorragende Kunstwerke hervorbringen und damit den Skipper vor den Mücken schützen

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