14.9.2017 Es geht zunächst mit Freude weiter – dann der Schock

Die Arbeiten am Wärmetauscher und die Reparatur der Warmwasserleitung waren erfolgreich und ich konnte in Leverkusen endlich die Leinen losmachen. Es ging zunächst vorbei an Köln bis Mondorf, 41 km stromaufwärts. Hier und in den folgenden Häfen Neuwied und „Am Hunt“, die der Landschaft entsprechend eingeklemmt zwischen zunächst noch niedrigem und später dann tief eingeschnittenen Relief liegen, war es wieder unmöglich, eine Zugang zum Netz mit dem ISDN-Stick zu bekommen und es dauert daher einige Tage, bis ich mich jetzt wieder melde. Selbst das Handy sowie das DVBT2-Fernsehen machten wegen der Funklöcher dort nicht mit. Ich bitte daher für Verständnis, dass ich erst jetzt wieder etwas berichte.

Vorbeifahrt am Kölner Dom
Das alte Bundeshaus in Bonn

 

Die Brücke von Remagen – Ein schauriges Beispiel deutscher Geschichte

So ging ich abends eben früher schlafen. Das war ohnehin unumgänglich, denn das Fahren in Rhein erfordert eine außerordentliche Konzentration, da man sehr präzise Fahren muss, um wirklich voranzukommen. Von der wirklich phänomenalen Landschaft, den unzähligen Burgen oberhalb der unglaublich schönen Weindörfern bekam ich leider viel zu wenig mit. Im Mittel konnte ich mit sparsamen 2000 Umdrehungen pro Minute etwa mit 3,5 kt fahren, also etwa 6 km/h, wobei dann etwa 2,5 Liter die Stunde aus dem Tank fließen. Die Fahrt schwankte jedoch zwischen fast Stillstand (1 kt) und bis zu 6 kt, wenn man sehr dicht im flachen Gewässer in absoluter Nähe des Ufers fährt und dabei noch eine lokale Rückströmung erwischt. Hier lauern jedoch Untiefen, die jederzeit sofortige Kurskorrekturen erfordern, wenn der Ultraschall-Tiefenmesser ein Verringerung der Tiefe anzeigt. Es ist daher äußerst kompliziert, wenn man auch nur eine Aufnahme der touristischen Highlights machen möchte und dazu das Steuer loslassen muss. Auch der Autopilot hat bei den Wasserturbulenzen nur begrenzte Wirkung. Die tägliche Fahrzeit ist aus Konzentrationsgründen bei weitem nicht so hoch wie auf den Kanälen.

Fahren am Rand vor herrlicher Kulisse
Das Deutsche Eck in Koblenz
– und für Gabi noch ein weiteres Highlight von Koblenz
Eine Burg nach der anderen auf dem weiteren Weg
– und Schlösser ohne Ende

Vom Hafen „Am Hunt“ aus sollte dann der am kritischsten zu beurteilende Streckenabschnitt des Rheins zwischen der Loreley und dem Binger Loch angegangen werden. Es war für mich ein sehr gutes Gefühl, dass ich die wegen der Strömungsgeschwindigkeit kritische Passage an der Loreley ohne Probleme passieren konnte. Ich habe dabei nur für etwa einen halben Kilometer die Drehzahl auf das eigentliche Marschfahrtniveau von 2300 Umdrehungen pro Minute steigern müssen, um auch hier knapp meine Durchschnittsgeschwindigkeit halten zu können. So war ich guter Dinge bei der Annäherung an das noch etwas kritischere Binger Loch.

Glücklich an der Loreley vorbei!

Die im Blogtitel erwähnte Freude dauerte allerdings leider nicht mehr sehr lange. Ich war gerade an der in Strommitte auf einer Insel liegenden Burg Kaub vorbei gefahren, als ein heftiger Schlag mein Schiff traf und ihm den Antrieb raubte. Ich kuppelte sofort aus. Das bedeutete, daß ich an einer extrem kritischen Stelle des Rheins mit sehr großen Strömungsgeschwindigkeien völlig steuerlos wurde. Da um mich herum Stille herrschte glaubte ich zunächst, dass der Motor stand. Mein Gasgeben wurde jedoch mit dem dieseltypischen Motorgeräusch quittiert, jedoch war überhaupt kein mehr Schub da. Meine Vermutung ist, dass ich ein größeres Stück Treibholz, was in dieser Zeit häufiger anzutreffen ist, erwischt und dabei meine Schraube verloren oder zumindest beschädigt habe. Ich trieb, während die Odd@Sea sich ständig um die Hochachse drehte auf die Insel Kaub zu. Ein stromab fahrendes Sportmotorboot, dem ich meine Lage signalisierte, fuhr weiter mit der Bemerkung des Skippers, dass sein Boot zu schwach für eine wirkungsvolle Hilfe sei. Es war wie so häufig der Zufall, der den Stefan und die Regine aus Frankfurt/Main mit ihrem sehr gut motorisiertem Boot gerade diese Stelle des Rheins passieren ließ. Ohne Verzug und mit allergrößter Professionalität legten sie seitlich bei mir an, sodaß wir mit Leinen die beiden Schiffe aneinander binden konnten. Während dessen trieben wir etwa mittig in der Fahrrinne durch die Engstelle bei Kaub und hatten das nötige Glück, dass der ansonsten rege Verkehr der Großschifffahrt gerade eine Pause machte. Ich war jedenfalls gerettet und staunte nicht schlecht, als Stefan seiner NAUTIC die Sporen gab. Als Päckchen führen wir im Gegenstrom der Fahrrinne mit mindestens 4,5 kt über Grund bergauf! Ich konnte mein Glück überhaupt nicht glauben. Die beiden hilfsbereiten Menschen brachten mich in einer rasanten und sicheren Fahrt durch das Binger Loch und in den Hafen von Bingen.

Im rasanten Schlepp der NAUTIC. Meine beiden Retter.
– und der glückliche Gerettete auf seinem Schiff.
Nach der Rettung noch einmal an der Burg Kaub vorbei.

Diese rasante Bergungsfahrt als Passagier erlaubte es mir, Dinge zu tun, die ansonsten nur sehr schwer zu realisieren sind, wie beispielsweise Kaffee zu kochen und Bilder aufzunehmen.

Die Germania inmitten von Weinfeldern.

Sind es nicht diese Begegnungen mit so tollen Menschen wie diesen beiden, die, wenn es darauf ankommt, ohne zu fragen handeln und sich danach einfach mit einem Handschlag verabschieden, die das Leben so besonders wertvoll machen? Aus einem kurzen Schock über das Geschehene wurde unverzüglich ein Gefühl des Glücks, welches nicht nur das unmittelbar Geschehene, sonder insbesondere die Begegnung mit zwei so wundervollen Menschen betraf. Ich danke Euch beiden, Stefan und Regine, herzlich dafür und verspreche, dass ich in Frankfurt für ein Treffen mit Euch anlegen werde, wenn ich dort sein werde.

Das vorläufige Ziel – der Mäuseturm in Bingen.

Vor einer Weiterfahrt steht allerdings noch die Frage, was denn nun an meinem Schiff in die Brüche gegangen und wie dieses zu reparieren ist. Direkt stromauf vom Hafen Bingen liegt eine kleine Werft, die mir ein Slippen an Land ermöglichen wird. Ein Schlepper, der morgen früh aus Niederheimbach bergauf nach Bingen kommen und mich etwa einen Kilometer weiter bergauf zur Werft schleppen wird, hat auch zugesagt. Auch hier wird wieder das gerade erlebte Grundprinzip deutlich, dass Hilfe fast immer wie von alleine kommt, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß. Wenn alles gut geht, werde ich morgen nach der Begutachtung mehr darüber wissen, was die kommenden Tage bringen werden.

Bis dahin wird mich die Stadt Bingen in ihre Geheimnisse einweihen.

Damit der Leser nicht zu falschen Schlüssen kommt: Ich bin angesichts der unglaublichen Schönheit der Gegend, die ich gerade bereise, und der unglaublichen Erlebnisse, nicht so schöne (s. o.), aber auch die unglaublich schönen mit Menschen (s.o.), keineswegs frustriert, sondern lediglich am Abend eines jeden Tages voll von neuen Eindrücken und wirklich rechtschaffend müde. Ich glaube, dass ich noch nie so lange und so tief geschlafen habe, wie in der Zeit auf dem Schiff. Jeden Morgen begrüße ich mit frohem Mut, wenngleich die Temperaturen gegenwärtig mich dabei ruhig etwas unterstützen könnten. Na ja, der Herbst soll ja auch noch schöne Tage haben und der Optimismus stirbt zuletzt!

5 Gedanken zu „14.9.2017 Es geht zunächst mit Freude weiter – dann der Schock“

  1. Lieber Jürgen!

    Es klingt jetzt erst mal so dass Du weiter kommst.

    Falls nicht einfach melden!

    Wir sind ab Fr. Abend wieder in Wi-Schierstein Bord, und bei Bedarf holen wir Dich in Bingen ab und nehmen Dich wieder auf die Seite. Haben uns sehr gefreut Dir zu begegnen! Sind selbst schon weit gereist, und Probleme und Fragen bleiben nicht aus. So haben wir uns sehr gefreut einem Wassersportkameraden zur Seite stehen zu können, und auch eine möglicherweise drohende Gefahr abwenden zu können. Der Rhein, so schön und romantisch er ist, ist nicht ohne Tücke. Hoffen sehr dass die Binger Schiffswerft den Schaden beheben kann und der Weiterrreise nichts im Wege steht! Und, wie gesagt, wenn Du in Frankfurt ankommst, einfach melden! Dann zeig ich Dir meine Heimatstadt.
    Schicken Dir ganz liebe Grüsse aus Frankfurt und freuen uns wieder von Dir zu lesen/hören.

    Stefan + Regine

    MY Nautic, Wiesbadener Yacht Club

  2. Hilfe auf dem Wasser, dazu noch auf dem Mittelrheingebiet, sollte zwar selbstverständlich sein, trotzdem gilt der Crew der „Nautic“ ein großes Lob und uneingeschränkte Anerkennung.

  3. Hilfe auf dem Wasser, besonders im navigatorisch schwierigen Mittelrheingebiet, sollte selbstverständlich sein. Trotzdem gilt der Crew der „Nautic“ uneingeschränkt ein großes Lob!

  4. Ich freue mich immer zu lesen, wie gut es dir ergeht. Auch wenn dir manchmal bei der Weiterfahrt ein Strich durch die Rechnung gemacht wird. Aber du wärst nicht du, wenn du nicht eine Lösung parat hast 🙂 eine dicke Umarmung nach wo immer du auch gerade bist!

  5. Mensch Jürgen, da ist mal mal ein paar Tage außer Gefecht gesetzt (Schulter-OP), da liest man danach gleich solche Abenteuer, und das noch in heimischen Gewässern. Umso schöner ist es, dann auch von solch netten Menschen zu lesen, die Deine Reise hoffentlich immer wieder aufs Neue bereichern werden (es gibt ja nicht nur Piraten auf See).
    Ich hoffe, Du kommst dann aber wieder rechtzeitig in Richtung Donau voran.
    LG
    Marius

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