15.3.2020 Wie geht es weiter mit meinem Törn in dieser aufregenden Zeit?

Das Coronavirus hat das Leben weltweit in seine Gewalt gebracht. In ungewöhnlichen Zeiten stellen sich dann auch ungewöhnliche Fragen. Einen Teil dieser Fragen, soweit sie mich angehen, kann ich beantworten: Wenn ich Frankreich verlasse, dann kann ich nicht wieder zurückkehren, da die französiche Grenze dicht ist. Zu meinem 70-ten Geburtstag Anfang April nach Deutschland zu reisen empfielt sich also genauso wenig, wie in Richtung Spanien weiter zu fahren. Die Grenzen nach Spanien und Portugal sind ebenfalls dicht. Wenn ein Seefahrer dort anlandet, dann muß er in die Quarantäne für unbestimmte Zeit. Das ist dann sehr unkomfortabel. Ich werde also weiterhin geduldig sein und in Les Sables D´Olonne abwarten. Der Hafen ist der gefühlt sicherste, den ich bisher jemals erlebt habe. Was mich allerdings dabei etwas schmerzt ist, dass der bisher bei meinem gesamten Aufenthalt hier fast ständig in Sturmstärke wehende Wind in diesen Tagen zunächst schwächer geworden und gestern und heute einer fast kompletten Windstille gewichen ist. Ausserdem wird er in den kommenden Tagen wieder etwas zunehmen und auf Nordost drehen, was für eine Biskayaquerung optimal wäre. Tiefblau ist der Himmel zur Zeit sowieso.

Hier im Département Vendée, in dem bisher erst 5 Infizierte bekannt sind, merkte man bisher von der veränderten Gefahrenlage überhaupt nichts. Das Leben hat sich seit Bekanntwerden der Gefahr überhaupt nicht geändert, niemand benutzt einen Mundschutz, die Geschäfte und Lokale sind so voll wie immer, sowohl was die Besucher- als auch die Warenmengen angeht. Also keine Aufregung, alles ist wie sonst auch. Das wird sich erst morgen ändern, denn da wird das Wirtschaftsleben weitgehend eingestellt. Nur noch Lebensmittelgeschäfte werden bis auf Weiteres geöffnet haben. Da ich mich fast ausschließlich in meiner nur mit meinen körpereigenen Substanzen kontaminierten Blechbüchse aufhalte, bin ich vor Ansteckung weitgehend sicher. Auch in der Öffentlichkeit gibt es insgesamt nur relativ wenige Menschen und im Supermarkt ist es auch nur mäßig voll. Man kann ohne Probleme immer genügend Abstand zu den anderen Menschen halten. So sehe ich mich nicht in unmittelbarer Gefahr einer Ansteckung durch das Virus. Lediglich die ohnehin große Langeweile, die mich hier etwas plagt, wird sich noch verstärken. Aber das ist eher ein Luxusproblem.

Seit meinem letzten Blogeintrag am 7.2.2020 hat sich, gemessen an der vergangenen Zeit, nur wenig Erwähnenswertes getan, wenn ich von den netten Begegnungen mit den Leuten meiner Umgebung einmal absehe. Diese sind aber sehr gezählt, denn es tobt hier nicht gerade das Leben. Wie die Fotos vom Heck der Odd@Sea zeigen, habe ich meine wichtigsten Anliegen, die Installation einer leistungsstärkeren Photovoltaikanlage, jetzt sind es 300 Watt, eines sehr leistungsstarken Windgenerators mit maximal 400 Watt sowie dem Rückbau meines alten Windgenerators zu einem Wassergenerator (100 Watt) umgesetzt. Die entsprechenden Regler mußten dabei natürlich auch ersetzt und Kabel neu verlegt werden. Die eigentliche Arbeit hat für mich als Solist nicht mehr als einen kompletten Arbeitstag benötigt, wobei die Montage des Windgenerators in luftigen 4,5 Metern Höhe über der mittleren Achterplattform grenzwertig in Bezug auf meine Kräfte beim freihändigen Stand auf der Reeling war. Das hätte durchaus schief gehen können und ich werde soetwas wirklich nicht wieder machen. Wenn dann aber das Werk gut gelungen ist und ich am Abend noch einmal darauf schaue, dann erfüllt mich dieses doch mit großem Stolz und Freude. Meine Geduld wurde allerdings auf eine harte Probe gestellt, denn ich habe einige Wochen auf die Einzelteile warten müssen. Mal fehlte dies, mal das. Dann mußte nachbestellt werden, was dann wieder eine Woche dauerte, usw. Das war wirklich nervig, aber ich stelle mir heute die Frage, ob es denn in Bezug auf meine Langeweile besser gewesen wäre, wenn die Arbeiten schneller fertig gewesen wären.

Links an der Reling befindet sich nun der Generator, der vorher als Windgenerator diente, bis der Verschleiß dessen Aufhängung so groß wurde, daß ich mich zum Kauf eines leistungsfähigeren und leichteren Windgenerators entschiedenen habe. Er dient jetzt als Wassergenerator, wenn ich die Schleppschraube mit einer 30 Meter langen Leine daran angeknotet habe.
Im Vordergrund sieht man hier den neuen Windgenerator, der an einem 4,5 Meter hohen Mast befestigt ist. Zwei Streben stützen diesen in der senkrechten Position. Eine ist an der Reling, die andere seitlich am Instrumententräger befestigt.
Der Mastfuß steht auf der Heckplattform, auf der man noch die Verschmutzung durch meine Metallarbeiten sehen kann. Diese werde ich natürlich noch wegputzen! Der Mast ist hier wie auch die Streben in Gummimanschetten gelagert, um den Generator geräuschlos zu halten. Allerdings könnte er sich bei der von mir gewählten Abstützung über nur zwei Streben an dieser Stelle nach oben bewegen. Deshalb habe ich eine vertikale Anbindung mit Hilfe von zwei Laschen und einer sehr stabilen Schelle vorgesehen. Unten sieht man, dass die Stromleitung des Generators aus dem Mast heraus direkt in den Rumpf geführt ist, natürlich in wasserdichter Weise. Die sichtbare schwarze Leitung führt den Landstrom, die graue Metalleitung trägt an ihrem Ende die Zinkanode.
Die beiden Solarpaneele sind jetzt etwas schmaler als die alten, ragen aber wesentlich weiter nach hinten über. Auch hier ist wieder das obligatorische weiße Hecklicht in der Mitte befestigt.

Der Schiffbauer von Alubat, der mir die neue Achterklampe eingebaut und den Innenausbau wirklich phantastisch repariert hat, konnte mir aus seinem Fundus noch drei Türklinken verkaufen, die heute nicht mehr verbaut werden. Dazu Folgendes: Als ich das Schiff gekauft hatte fragte ich mich, warum denn die drei Türen unter Deck nur jeweis auf einer Seite eine Klinke hatten. Da mir niemand eine Erklärung geben konnte, hatte sich in einem Kopf die Vorstellung eingenistet, dass es doch durchaus sinnvoll sei, wenn man kein Türschloß hat und eine Privatspäre herstellen möchte, die Klinke herauszuziehen und in der anderen Richtung wieder hineinzuschieben. So wurde diese Vorstellung zu der in meinem Kopf festgesetzten Realität. Dem Handwerker fiel das auf und er wies mich darauf hin, dass es doch einen Verriegelungsknopf an jeder Tür geben würde. Das stimmte durchaus, war mir aber nie aufgefallen. Wahrscheinlich war ich mit der Fülle von neuen Eindrücken völlig überfordert, als ich das Schiff in Amsterdam inspizierte und habe zumindest dieses Wissensdefizit bis in diese Tage mit mir herumgeschleppt. Es ist also nie zu spät, etwas dazu zu lernen.

Neben diesen größeren Aktionen gab es natürlich noch die vielen kleinen, schnell erledigten Reparaturen, die mich immer wieder einmal eine halbe oder gar eine Stunde ausgelastet hatten. Was jetzt jedenfalls noch übrig geblieben ist, hat nur noch mit der Reinigung der Odd@Sea zu tun. Dazu wird sie am Dienstag aus dem Wasser gekrant und an Land für eine Nacht und einen Tag auf Böcke gestellt. Ich werde noch am ersten Tag das Unterwasserschiff mit einem harten Wasserstrahl reinigen und dann entscheiden, ob ich den nächsten Tag bis zum Abend für die Behandlung mit Antifouling nutzen werden. Ich habe meine ethischen Probleme mit der Verwendung dieses Materials, da es für die Meeresbiologie eher schädlich ist. Darüber werde ich bis dahin noch einmal nachdenken. Als Letztes kommt dann das Deck an die Reihe, wenn ich wieder an meinem Liegeplatz H31 festgemacht habe. Da ich einige Schleif- und Sägearbeiten mit der Flex durchgeführt, aber nicht sofort danach gereinigt hatte, hat sich das Heck an Steuerbord gelblich verfärbt. Aus dem Eisenstaub sind Rostpatikel geworden. Es gibt dann also (Gott sei Dank) wieder einmal etwas zu tun.

Mein Leben an Bord ist geprägt durch die Musik. Ich habe mich in den letzten drei Monaten hier zum Musiksammler entwickelt. Natürlich jede Form des Rock´n´Roll. Ich höre, immer wenn ich eine ausreichend gute Internetverbindung habe, die Rockantenne Hamburg und lasse mich dabei inspirieren bei der Zusammenstellung einer mp3-Musiksammlung, die zwischenzeitlich mehr als 2500 Titel mit ca. 25,5 Gbyte umfaßt und täglich größer wird. Meine Quelle für die Aufnahmen ist mp3million.com in Honkong, die legal für kleines Geld downloads anbietet. Ich denke, dass ich ohne diese Musik, die während der Fahrt über die Aussenlautsprecher übertragen wird, mein Vorhaben nicht hätte durchführen können. Sie gibt mir viel Kraft und verstärkt mein Durchhaltevermögen. Sollte einmal Bedarf für einen bestimmten bestehen Titel bestehen, dann sprecht mich einfach an.

Laßt uns gemeinsam auf ein rasches Abklingen dieser Pandemie hoffen, um wieder zum normalen Leben zurückkehren zu können. Auf jeden Fall hat, so glaube ich, hat diese Erfahrung auch eine positive Seite. Sie vermittelt den nicht Erkrankten ein wenig Gelassenheit im Umgang mit den Unbillen des Lebens und zeigt, daß auch bei einer Beschränkung der Umstände ein erträgliches Leben möglich ist. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern

viel Glück und alles Gute.

3 Gedanken zu „15.3.2020 Wie geht es weiter mit meinem Törn in dieser aufregenden Zeit?“

  1. Hallo Jürgen,
    schön wieder was von Dir zu hören. Gut, dass alle Reparaturen und Ergänzungen abgeschlossen sind.
    Wenn alle Häfen geschlossen sind, bleibt eigentlich nur noch eins: Die Odd at Sea vollpacken mit Proviant und ab non Stop nach Westen in die Karibik. Dort wird man dich schon irgendwo in einen Hafen lassen, sie können einen ja nicht abweisen, außerdem dürftest du dann genug Zeit in Quarantäne verbracht haben!
    Hier wird am morgen, Montad, das öffentliche Leben ziemlich runtergefahren, alle Schulen, Kitas und Unis sind zu. Ein Problem teilweise für die Eltern bzgl. Betreuung. Wir werden es überleben!
    Dir alles Gute und baldiges Fortkommen.
    Konni und Jutta

  2. Hallo Jürgen,
    Die Idee mit der Karibik ist nicht so schlecht. Barbados ist noch offen, haben gerade 3-Monatsvisum erhalten obwohl im Musikdampfer angereist. Aber das ändert sich täglich. Die anderen Inseln sind schon zu. Die Quarantänezeit ist wohl problemlos einzuhalten – nur das Papier, der Nachweis. Alles Gute
    Classmate Michael

  3. Lieber Jürgen, ich hatte Dich Ende letzten Jahres in Hamburg vermutet, zum Unterschlupf über den Winter, und jetzt eine Überraschung erlebt: Monate auf dem Schiff!! Im Hafen, im Winter!! Ganz erstaunlich wie Du das durchhältst. Das hat Dich sicher zum Philosophen gemacht, sofern Du das nicht schon warst. Bist ja schon eine ganze Weile alleine unterwegs. Ich frage mich öfter, was man denn so machen würde, wenn man nichts müsste, wie man sein Leben füllen würde, wenn einem nicht ständig größere und kleinere Pflichten hineinpurzeln würden. Nun ja, die Pflichten hast Du auch, immer was zu werkeln am Schiff. Lästige, um wieder auf einen funktionsfähigen Stand zu kommen. Freiwillig angenommene, um etwas zu verbessern. Aber wozu das Ganze? Was will man damit? In meinen Träumen, und das geht ja Vielen so, komme ich auch immer wieder auf’s Reisen. Und bei der Überlegung, wohin, fällt mir mehr und mehr auf, dass mir das gar nicht wichtig ist. Das Schneckenhaus ist es, was mich anzieht. Das Mobilsein mit Gehäuse. Mit meinem Komfortgehäuse. Unterwegs und gar nicht viel dabei. Ein Zuhause mit wenigen sorgfältig ausgewählten, sehr brauchbaren, vielseitigen Gegenständen um mich rum. Mit wenig, das für mich viel ist. Da kann man sich viele Varianten vorstellen, ein Boot oder ein Auto auf jeden Fall. Und drin sitzen und in die Welt gucken. Unterwegs sein mit allem, was man braucht. So stelle ich mir das vor. Auch wenn man mal ne Weile irgendwo festsitzt.
    Man hat ja sein Schneckenhaus dabei.
    Spannend wird die nächste Zeit, Schneckenhäuser sind ja ok, aber mobil? Vielleicht musst Du die französische Küste von A bis Z erkunden. Hätte immerhin den Vorteil, dass im Fall der Fälle das nächste Intensiv-Bett nicht so weit wäre. Könnte ja auch das Schneckhaus infizieren, dieses Virus.
    Ich wünsche Dir Gemütlichkeit und Wohlbefinden in Deinem seegängigen Wigwam.
    Dein zeitweiliger Buddelkollege aus dem SV03
    Wolfgang Treuberg

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