17.2.2018 Was für eine Peinlichkeit

Ich traue es mich kaum, darüber zu schreiben, aber es gehört halt zu den Dingen, die einfach passieren. Ich habe mir schon wieder eine Leine mit meinem Propeller eingefangen, dieses Mal eine Mooringleine. Aber dazu später.

Eigentlich müsste dieser Beitrag „Über die Schönheit Calabriens“ heißen. Als ich die Süd-Ost-Küste entlang fuhr, wurde mir dieses sehr schnell klar. Strand und schneebedeckte Berge in unmittelbarer Nähe, steile Klippen, liebliche Landschaften dazwischen und diese Landschaft eingefügte, wirklich hübsche kleine Dörfer. Das konnte ich aus relativer Nähe betrachten, denn ich fuhr nahe an den Ufern entlang. Es war klar, dass mich der Wind wieder einmal nicht begünstigen würde. So war es auf dem ersten Teilstück bis an den Leuchtturm von Spropolo, der den Knick der Küste in eine Ost-West-Richtung und damit den südlichsten Teil des kontinentalen Italien einleuchtet. Ab da konnte mich der Wind allerdings, aus östlicher Richtung kommend, zügig voranbringen. Es reichte zwar nicht, um den Motor abzustellen, aber eine deutlich höhere als die Marschfahrtgeschwindigkeit unter Motor war nun möglich. Derartige Fahrten bei strahlend blauem Himmel und klarer Sicht sowie eine fast glatte See sind natürlich etwas für die Seele des Seglers. Was ich an dieser Stelle noch nicht wusste war, dass mich hinter dem nächsten Knick der Küste nach Nord-Westen ein völlig anderes Wetter oder ich sage einmal mehr das für mich eher typische Wetter erwartete. Satte 20 Knoten Wind auf der Nase bei der Einfahrt in die Straße von Messina und zunehmende Welle. Die letzten 20 der insgesamt 115 Kilometer waren also wieder sehr beschwerlich und ich kam mit dem letzten Licht in den Hafen von Reggio Calabria hinein. Was mich allerdings erheblich beeindruckt hatte, war der erste Anblick des alles dominierenden Ätna auf Sizilien, nachdem ich um die Küstenecke schauen konnte. Plötzlich ist da ein schneebedeckter Kegel mit Rauch an der Spitze, der die Landschaft mit seiner Größe absolut dominiert und so nah erscheint.

Roccella Ionica, eine kleine Stadt mit Burg am Meer mit malerischem Hintergrund
An diesem Kap beginnt der südlichste Abschnitt Kontinentalitaliens. Im Hintergrund der Ätna auf Sizilien über dem Dunst des Meeres.
Der Blick über die Straße, die den Namen der voraus zu sehenden Stadt Messina trägt
Es ist stürmisch beim Einbiegen in diesen Seeweg. Natürlich mit Wind von vorne. Voraus ist Sizilien und rechts das Festland zu sehen.
Das letzte Kap vor der Straße von Messina wird durch einen Leuchtturm angezeigt. Unterhalb davon wird eine Küstenstraße über eine in die Natur integrierte Brückenarchitektur geführt.
Rechts das Festland, links im Hintergrund Sizilien
Saline Ioniche. Früher eine wichtige Marina, die aber aufgrund von Versandung geschlossen wurde. Links neben der Mauer sind die heraus gebaggerten Sandberge zu sehen, wobei kein Wasserweg mehr in den Hafen führt.
Die Symbiose zwischen städtischem (unten) und dörflichen Leben (oben), moderner Straßenbaukunst und der Natur ist in Calabrien vielfältig

Der Hafenmeister in Reggio war bei meiner Einfahrt zugegen und wies mich an, rückwärts in eine Liegeplatzlücke einzuparken, was allerdings bei dem Seitenwind nicht gelingen konnte. Der Grund ist bootstypisch: Ich habe kein Bugstrahlruder und zudem eine „Wetterfahne“, die sich sehr leicht mit dem Heck in den Wind stellt. Nach dem zweiten abgebrochenen Versuch drehte ich das Schiff und das Anlegemanöver gelang auf Anhieb, allerdings nicht so richtig „christlich“. Beide waren wir jedoch zufrieden. Meine Frage nach der Möglichkeit, Diesel zu tanken, bejahte er mit dem Zusatz, dass dieses jederzeit rund um die Uhr möglich sei. Jedenfalls interpretierte ich seine landessprachliche Darstellung so. Das würde dann sein Kollege organisieren.

Da ich heute eine große Strecke vorhatte, stand ich also wieder einmal früh auf und wollte mich zum Kollegen begeben, der allerdings bereits dafür gesorgt hatte, dass ein Herr mit einem Taxi auf mich wartete. Ich kann nur drei Worte Italienisch und die Menschen vor Ort können nur italienisch sprechen. Ich wusste also nicht, was nun passieren würde. Irgendwie wurde klar, dass man für 130 Liter Diesel mehrere Kanister benötigt, die erst einmal besorgt werden müssten. Ich ging eigentlich davon aus, dass die Hafentankstelle, die direkt an der Pier zum Betanken von Schiffen vorhanden war, zum Einsatz kommen würde. Offensichtlich ist diese allerdings nur in der Saison geöffnet. Ich bekam die italienisch gesprochene und von mir interpretierte Zusage, dass mir bei meinem Anliegen am nächsten Morgen geholfen werde. Nun musste ich mich in mein Schicksal ergeben und akzeptieren, was auch immer kommen würde. Am Morgen stand ein freundlicher und sehr gesprächiger, ausschließlich italienisch sprechender Mann mit seinem Taxi am Hafenbüro und wartete bereits auf mich. Es ging also mit einem Taxi und meinen beiden 20 Liter Dieselkanistern unter einem Wortschwall des Fahrers durch Reggio, aber nicht zu einer Tankstelle, sondern zunächst in ein Café. Ein sehr starkes Gebräu wurde zu sich genommen und danach die Fahrt fortgesetzt. Jetzt stand eine Tour im Programm, die mich, der eigentlich nur eine halbe Stunde für das Tanken angenommen hatte, mein Vorhaben in Gefahr sahen ließen. Wir fuhren also auf den offensichtlich privaten Hof des Taxifahrers, der sich mit seinem fortgeschrittenen Alter als Multitalent mit sehr vielen Fähigkeiten zeigte und dort wurden nun mehrere weitere Kanister in den Kofferraum verstaut. Dieses nicht bevor er mir sein kleines Reich direkt am Wasser vorgestellt hatte. Danach stand dann der Besuch bei einer Tankstelle auf seinem Programm und danach, auf meinen Wunsch hin, noch ein Halt an einem Bankautomaten, bevor es dann zum Hafen zurückging. Der Transport des Sprits und das Befüllen meines Tanks waren dann wieder meine Sache. Ein Angebot zu einem Trinkgeld meinerseits lehnte der Helfer ab, sondern gab mir mündlch seine Rechnung für seine Aufwendungen, die von mir eigentlich nicht bestellt wurden. Na ja, die Marina hatte wohl keine Kapazitäten, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen und organisiert dann eben jene Art von Ersatzbedienung. Im Grunde war ich gut bedient worden und bemängele eigentlich nur, dass mir niemand vorher sagen konnte, was da auf mich zukam.

Es war zwar spät geworden, aber nicht zu spät für meine Fahrt nach Tropea, wenn denn das Wetter mitspielt. Schnell mit der Hand getankt und nun hätte es eigentlich losgehen können. Hier beginnt nun meine eingangs erwähnte Fehlleistung, die möglicherweise auch etwas mit meiner untypischen Art christlich festzumachen zu tun hat. Ich weiß es nicht. Jedenfalls löste ich die Bugleinen und hatte bereits, um ein gerades Auslaufen aus der Lücke zu ermöglichen, den Rückwärtsgang eingelegt. Als ich vom Bug zum Steuerstand zurückkam, war es bereits zu spät, um die Mooring zu lösen. Die dünne Führungsleine stoppte meinen Motor. Gelernt aus dem letzten Fall in Griechenland, machte ich keine Versuche mehr, den Motor wieder anzulassen, sondern fügte mich in mein Schicksal, ein weiteres Mal einen Taucher zu benötigen. Der Hafenmeister, der mein Problem beobachtet hatte, sprach sofort jemanden an, der sich auch bereits nach wenigen Minuten bei mir zeigte und den Tauchgang so kurzfristig ankündigte, dass ich bereits am frühen Nachmittag wieder fahren könnte. Etwas später, ein kalter Südwind mit ca. 20 Knoten hatte sich inzwischen entwickelt, wird mir der Taucher nun für 14:00 Uhr angekündigt und für den Einsatz ein Preis genannt, den man nur akteptieren kann, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht. In Lefkas war es für die gleiche Leistung nur ein Viertel davon. Nun warte ich auf ihn und schreibe dabei diesen Blogbeitrag. Mein Vorhaben muss ich nun leider abändern und aus einer siebenstündigen eine etwa dreistündige Fahrt machen. Vielleicht komme ich hier aber heute auch garnicht mehr weg. Das Ziel lautet jedoch zurzeit noch Goia Tauro, was nur etwa 35 km entfernt hinter der Straße von Messina liegt. Schade, denn gerade erst gestern hatte ich das Erreichen von Neapel zum 21.2. geplant und meine zunächst etwas pessimistischere Schätzung verbesserte. Nun kann ich bis dahin doch nur bis nach Salerno fahren. Aus eigener Dummheit. Wie peinlich!

Wie diese Geschichte dann wirklich endet, weiß ich noch nicht, werde aber in einem weiteren Blogbeitrag darüber berichten.

P.S.: Später ist dann noch einer der weltbekannten riesigen Trimarane der Australier hier in Reggio eingelaufen mit seiner riesigen Mannschaft.

Das australische Team scheint in Reggio zu trainieren. Wegen des speziellen Winds in der Straße von Messina?

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