17.7.2018 Ich bin inzwischen in Brest angekommen

Es war abzusehen, dass eine Reparatur des Autopiloten in Audierne nicht gelingen würde, sodass ich mich am Tag nach dem Nationalfeiertag am 14.7. auf den Weg nach Brest in der Erwartung gemacht habe, dass dort ein besserer technischer Service zu erwarten sein wird. Le 14. Juilet wollte ich unbedingt noch in diesem kleinen Ort erleben, da man am Vorabend bereits ein immens großes Feuerwerk in unmittelbarer Nähe (ca. 50 m) zu meinem Schiff auf einem Ponton im Hafen aufgebaut hatte. Das war viel versprechend und dieser Eindruck wurde dann um Mitternacht auch durchaus bestätigt. Eine Stunde Feuerwerk vom Feinsten! Und das aus unmittelbarer Nähe! Dazu spielten auf dem Hafenvorplatz den ganzen Tag bis nach Mitternacht verschiedene Bands, die ich von Bord aus sehr gut verfolgen konnte. Der Feiertag selbst war dann etwas ruhiger und ich verabschiedete mich bei der freundlichen und sehr hilfsbereiten Hafenmeisterin und den ebenso beflissenen Marinero, denen die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen um technische Hilfe für mein Problem irgendwie peinlich erschien. Jedenfalls machen die beiden mir Hoffnung auf Erfolg in Brest. Da in Audierne und Umgebung keine aktive Bootstankstelle existiert, die unmittelbar an der Flussmündung liegende Tankstelle ist seit Kurzem nur noch für die Fähren zuständig, musste ich per Taxi und meinen beiden Kanistern Diesel vom nächsten Supermarkt außerhalb des Ortes besorgen.

Ein kurzer telefonsicher Diskurs mit meinem Berater Jörg über den richtigen Zeitpunkt der Abreise ließ mich am nächsten Morgen um etwa 9 Uhr diesen gastlichen Platz, an dem ich über eine Woche festgemacht hatte mit Kurs auf Brest verlassen. Es war herrliches Wetter mit wenig Wind aus Osten, sodass die Fahrt ohne Autopiloten überhaupt keine Probleme machte. Solange es keine größeren Wellen gibt, reicht auch das Festklemmen des Steuerrads aus, um auch über längere Zeit ohne Intervention den Kurs zu halten. Sowohl der fehlende Wind als auch der ausgefallene Autopilot machten eine ausschließliche Motorfahrt an diesem Tag erforderlich. Der Diskurs mit Jörg bezog sich auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt man optimaler Weise abfahren sollte, um die hier sehr starken Tidenströmungen am besten auszunutzen. Jörgs Einschätzung lag auf dem Punkt. Das zeigte sich schon daran, dass eine ganze Karavane von Yachten zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung aufbrach. Bereits am ersten Kap wurde ich auf etwa 8 Knoten beschleunigt, wobei die Odd@Sea mit der Drehzahl von 2.200 U/min ohne Strömungseinfluss etwa knapp 6 Knoten läuft. Am Kap zeigte sich dann, was im Reeds und anderen nautischen Nachschlagewerken stets für diese Gegend erwähnt wird. Das Wasser strömt durch die gebirgige Natur unter Wasser dreidimensional, also auch vertikal. Nun war es an diesem Tag sehr ruhig in Bezug auf den Wind, aber bei starkem Wind können sich an der Wasseroberfläche sehr gefährlich hohe und kurze Wellen ausbilden. Heute war es ruhig, aber man konnte sehr gut unterschiedliche Wasseroberflächen erkennen, die bei der Durchfahrt zum Teil sehr große Turbulenzen signalisierten. Unmittelbar neben großen Flächen mit spiegelglatter Oberfläche kochte dann augenscheinlich das Wasser in beeindruckender Weise. Dennoch war diese mit ca. sechs Stunden kurze Fahrt ein reines Vergnügen, insbesondere dadurch, dass mit der Annäherung an die Buch und den Hafen von Brest der schiebende Strömung noch einmal zulegte. Maximal fuhr ich so mit 9 Knoten dem Ziel entgegen. Jörg, Du hattest wie immer Recht gehabt mit Deiner Fahrplanung und ich habe daraus dazulernen dürfen. Danke dafür.

Brest ist das Mekka des Segelsports in Frankreich. Das konnte man bereits in der riesigen vorgelagerten Bucht sehen, in welcher sich viele Rennyachten, kleine Jollen und Fahrtenschiffe vergnügten. Alles, was in Frankreich und auch weltweit im Segelsport Rang und Namen hat, hat hier im Hafen seine Passion begonnen. Darauf ist die Marina natürlich sehr stolz und hat deshalb die Handabdrücke der Protagonisten im Boden des Kais verewigt. L.A. läßt grüßen.

Die Odd@Sea am Ende des Schwimmstegs im Hafen von Brest bei Flut
… und bei Ebbe. Der Höhenunterschied ist mit etwa 5 Metern beeindruckend.
… man scheint in einen Fahrstuhlschacht gefallen zu sein.

Hier sollte es mir allerdings in Bezug auf die Reparatur nicht besser ergehen, wie in Audierne. Der Himmel wollte es, dass mich nach einigen telefonischen Absagen, welche die nette Hafenmeisterin für mich erledigte, eine sehr nette junge Schiffselektronikerin an Bord aufsuchte, um mein Problem zu beurteilen. Sie war natürlich nicht kompetent zur Lösung des vorliegenden Strukturproblems, schickte mir aber offensichtlich einen jungen Mann vorbei, der für mich wie zufällig am Steg nach einem Kunden suchte. Ich sprach diesen mit der Frage an, ob er Schiffsmechaniker sei und mir als solcher behilflich sein könnte. Er bejahte und löste sofort und ohne zu Zögern das mich gerade beschäftigende Problem. Ich hatte aus Frustration über die vielen Absagen von Firmen begonnen, die Arbeit eigenständig durchzuführen, hatte die Befestigung des Axiallagers erfolgreich ausgebaut und war an dem Punkt angekommen, das Axiallager zu trennen und damit den Aktuator freizulegen. Es gelang mir nicht, da ich offensichtlich etwas ausser Übung gekommen bin und zu zögerlich mit meinem Werkzeug umging. Er löste das Problem durch beherzteres Herangehen unter Verwendung des gleichen Werkzeugs sofort mit Erfolg auf dem Steg der Marina. Diese bisherige „Showstopper“ war damit aus der Welt und damit der Weg frei zur vollständigen und fachgerechten eigenständigen Reparatur des Autopiloten. Diese Beobachtung löste bei mir Erinnerungen an meine mechanische Lehrzeit als Schüler aus. Es war wie ein „deja vue“. Der junge Mann wollte keine Entlohnung für seine selbstlose Tat und auch für die junge Elektronikerin, die sich später dazugesellte, war diese Form der Hilfe selbstverständlich. Ich wollte mich dennoch erkenntlich zeigen und den beiden, da ich bargeldlos war, bei einem weiteren Treffen am nächsten Tag eine angemessene Entlohnung zukommen lassen. Leider kamen sie bisher nicht. Was mich berührt bei dieser Erfahrung ist, dass mir im Verlauf des letzten Jahres so häufig Gutes von anderen Menschen in selbstloser Weise widerfahren ist, dass es sich insgesamt wie ein großes Wunder anfühlt. Mein Selbstvertrauen hat sich jedenfalls auch dadurch sehr stark entwickelt. Auf jeden Fall hat mich der junge Mann in seiner unbekümmerten Vorgehensweise wieder an meine eigenen handwerklichen Fähigkeiten erinnert, denen ich nicht mehr wirklich vertraut habe. In Sachen Autopilot habe ich dann heute auch die letzten notwendigen Maßnahmen ohne den Einsatz von kommerziellen Profis durchgeführt. Morgen kann ich, wenn das Dichtmittel gehärtet ist, das System wieder mit Hydraulikflüssigkeit befüllen und entlüften. Dann wäre diese zunächst äußerst ärgerliche, aber letztlich dann doch sehr erfreuliche Episode beendet und meine Reise kann weiter gehen. Gute baucht offensichtlich immer etwas Zeit. In diesem Fall mehr als zwei Wochen.

Ach ja, da war noch das Endspiel der Fußball-WM, welches auch hier in Brest ausgiebig gefeiert wurde. Ich gesellte mich zu den begeisterten Franzosen in einer der vielen Hafenkneipen mit Großfernsehern und schaute das Spiel bei ein paar Bierchen im Kreis von vielen verückt-lustigen Menschen an. Es ist unbeschreiblich, wie die Menge nach dem Abschluß des Spiels ihre wirklich würdige Mannschaft feierte. Ich halte es für ein besonderes Privileg, dass ich inmitten dieser lebensfrohen Menschen das Ergebnis erleben durfte.

Da ich übermorgen zum Geburtstag meiner Enkelin Hanna nach Hamburg reisen werde, wird es die Odd@Sea hier in Brest bis zum 24.7.2018 ohne mich aushalten müssen. Sie steht in diesem Hafen sehr sicher. Gleichfalls werde ich bis zu meiner Rückkehr keine weiteren Beiträge in den Blog stellen und bitte dafür um Verständnis. Für ein paar Tage bleibe ich also auf Tauchstation.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert