19.2.2018 Wieder ein Tag auf einem öligen Meer

Wenn man Öl auf bewegtes Wasser gießt, dann wird es nicht nur verschmutzt, sondern es verschwinden sofort die kleinen und kleinsten Wellen, es wird völlig glatt. Leider ist diese Art der Schmierung nicht geeignet, um die Fahrt eines Schiffes zu erhöhen. Ohne Wind und Strömung ergibt sich eine Nominalfahrt bei 2000 U/Min für die Odd@Sea unter Motorantrieb von 6,3 Knoten oder auch 11,7 km/h. Eine geringe Strömung von vorne und ein fast verschwindender Wind von hinten ergeben heute gerade knapp 11 km/h im Durchschnitt. Für die 94 km von Tropea nach Centraro werden ich also etwa 8,5 Stunden benötigen. Der ganz aktuelle Wetterbericht für die große Bucht, die ich gerade durchfahre, geht von 4 Knoten Südwind um 13:00 Uhr aus. Ich lese an meinen Instrumenten nicht einmal die Hälfte ab. Mal ganz abgesehen davon, dass ein derartig schwacher Wind kein Segelboot antreiben kann, ist ein Prognosefehler von 100% schon ganz beträchtlich. Um 14:00 Uhr sollten es nach der Prognose 8 Knoten werden, ein Wert, der mich in der Hoffnung wog, ein wenig schneller voran zu kommen. Der Istwert ist allerdings schwankend zwischen 1 und 2 Knoten und später dann sogar 0! Allenfalls kurz vor der Ankunft frischte der Wind kurz in einer Böe auf und es standen 10 Knoten für die wahre Windgeschwindigkeit. Woher diese gekommen ist, weiß nur der Himmel.

Keine Sonne, das Meer glatt, tiefe Wolken und leichter Regen kennzeichnen den heutigen Tag

 

Die Wolken spiegeln sich im Meer. Manverliert das Gefühl für die Fahrt. Die Aufnahme enstand bei 6,3 Knoten Fahrt.

Bei diesen Bedingungen hat man in größerer Entfernung vom Land überhaupt kein Gefühl mehr dafür, dass man überhaupt voran kommt. Die äußere Szene verändert sich über Stunden kaum merkbar, es gibt auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Bewegung, wenn man nach vorne und zur Seite in die spiegelglatte See schaut. Einzig der Blick in das Kielwassser kann die Bewegung deutlich machen. Später kam noch Seenebel auf, der diese Einschätzung noch einmal deutlich unterstrich.

Nach einer etwas schaukligen Ankernacht in der Bucht vor dem Hafen von Tropea folgt jetzt ein hoffentlich ruhigeres Ankern im Vorhafen von Centraro, denn ich werde wohl erst im Dunkeln dort einlaufen und Probleme mit dem christlichen Anlegen ohne Hilfe bekommen. Dieser Tag, der nur ganz wenige Momente kannte, in denen ein Sonnenstrahl durchbrach, brachte zwar wieder 20°C, war aber überwiegend bewölkt bei schlechter Fernsicht und zusammengefasst schlicht langweilig. Man wartet, nachdem man den Autopiloten programmiert hat, einfach die Zeit ab bis man zwischen den Einfahrtzeichen des Zielhafens steht. Auch ein paar handwerkliche Tätigkeiten an Bord, heute pumpte ich mal wieder den Duschwassertank leer und füllte die Fender mit Luft auf, lassen die Zeit nur sehr langsam vergehen. Die Höhepunkte des Tages: Mir begegneten 3 Fischerboote mit Schleppnetzen und ein ca. 1400 m hoher kegelförmiger, schneebedeckter Berg auf dem Festland, der sich etwa die Hälfte der Strecke zeigte und später in den dann tief hängenden Wolken verschwand, sowie ein kurzer Regenschauer, der aber in Italien eher einem Nieselregen in Deutschland entspricht und letztlich der tägliche Kaffee mit einem Stück Kuchen am Nachmittag. Ach ja, da war noch ein Schwarm Delfine, der mich eine Weile lang begleitete und mir die Langeweile mit Sprüngen aus dem Wasser rechts und links meines Schiffs etwas erträglicher machte. Zirkus eben. Ich vergaß außerdem zu erwähnen, dass natürlich gute Musik in großer Lautstärke aus meinen Außenlautsprechern mich, die Vögel und die Fische erfreut hat, was natürlich eine wirkliche Frustration über die Arbeitsbedingungen gar nicht erst aufkommen ließ.

Meine Abschätzung mit dem Ankern in Centraro ging ein wenig in die Hose. Ich ließ tatsächlich den Anker in der Mitte des großen Hafenbeckens fallen, dort wo es auch in der Navionics-Karte angesagt wurde, und schaltete die Systeme ab. Das fand aber kein Gefallen bei zwei Menschen, die offensichtlich den Hafen organisieren. Sie riefen mir von den Stegen der Marina zu, dass ich dort verschwinden müsste. Ärger wollte ich nicht bekommen, also machte ich die Odd@Sea wieder klar und holte den Anker mitsamt zwei stählernen Mooringseilen daran hängend hoch. Meine Versuche, diese loszuwerden waren nicht erfolgreich. Die beiden Herren kamen mit einem kleinen Motorboot zu mir und wollten noch einmal klarmachen, dass ich mich an eine der beiden Kaimauern legen solle. Das war mir klar, aber ich konnte wegen der Wuhling in meinem Ankergeschirr nicht und machte dieses mit Händen und Füßen klar. Dann kamen die beiden Praktiker zum Zug: Sie banden die beiden Mooringleinen, die ich aufgenommen hatte, mit einer meiner Leinen an einer meiner Klampen fest und forderten mich auf, den Anker wieder nach unten zu lassen. Gesagt, aber nicht getan. Meine Ankersteuerung versagte mir ihren Dienst just in einem Moment, wo es darauf ankommt. Die beiden Herren sagten mir daraufhin lediglich, dass ich, wenn ich das Problem mit der Ankerwinsch gelöst habe, nur den Anker ablegen müsse um das Problem mit den Mooringleinen zu beheben und verschwanden mir ihrem Boot wieder Richtung Steganlagen. Da ich bereits früher einmal ein Problem mit der Winschsteuerung hatte und dieses im Controller lag, schraubte ich auch dieses Mal den Controller auseinander, um festzustellen, dass es darin nicht liegt. Nun stellte sich die Frage, wo denn eigentlich die Sicherung für die Ankerwinsch sich versteckt. Die Erbauer des Schiffs handelten einigermaßen logisch und platzierten diese im Panel für die Hauptschalter. Ich hatte diesen Schalter zwar bereits zur Kenntnis genommen, jedoch nie hinterfragt, wozu der denn eigentlich da ist. Nun wusste ich es. Er war für die Ankerwinsch und ein Schaltversuch bracht auf umgehend Erfolg. Als ich nun den Anker herabließ, erkannte ich die Genialität der Praktiker. Die beiden störenden Stahlseile hingen an meinem Boot und der Anker fiel ohne die Stahlseile nach unten und wurde dadurch wieder frei. Man lernt nie aus! Nach dieser Problemlösung war es stockfinster im Hafen und ich musste mich für eine der beiden Liegemöglichkeiten entscheiden. Ich nahm zunächst die falsche. Eine Pier mit Stahlrohren, die aus dieser Wand in den Hafen ragten und auch im Stande schienen, ein Aluminiumschiff zu zerstören. Das war nichts. Der zweite Versuch war umso erfolgreicher. Nun liege ich gut und sicher, werde sicherlich gut schlafen und freue mich auf morgen.

So wurde aus diesem problematischen Tag noch ein richtig schönes Abenteuer.

2 Gedanken zu „19.2.2018 Wieder ein Tag auf einem öligen Meer“

  1. Hallo Jürgen, ich verfolge Deine Reise mit etwas Neid nun schon eine Weile und will Dir nur mal viel Glück wünschen! Silke und ich haben uns vor zwei Jahren eine HR34 BJ. 1992 gekauft, die in Arnis/Schlei liegt. Wir sind damit hauptsächlich in der dän. Südsee unterwegs, was gemessen an Deinem Törn nur Spielkram ist. Aber vielleicht schaffen wir mal ein Rendezvous, würde uns freuen! Viele Grüße auch von Silke, Andreas

  2. P.S.: warum kann ich Dich eigentlich nicht im AIS über Marine Traffic sehen? Die OddatSea ist dort mit einer letzten Position im englischen Kanal vermutlich noch von den Voreignern verortet

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