19.9.2019 Eine schöne Segelpartie mit einem kleinen Schönheitsfehler am Ende

Mit dem Tidenhöchststand machte ich mich von Harlingen auf den Weg nicht ohne zuvor noch in diesem gepflegten Hafen noch ein paar Liter Diesel bei dem netten Hafenmeister zu ordern und in meinen Tank zu füllen. Der Yachthafen ist Teil der Marine und trägt auch einen königlichen Zusatz in seinem Namen. Hinein und hinaus kommt man leichter auf dem Wasser- als auch dem Landweg. Über die Straße gibt es ein Tag und Nacht bewachtes Tor, durch welches auch die Soldaten und die auffällig vielen Soldatinnen hindurchgehen müssen.

Die See war anfangs recht angenehm und ließ bei knapp 12 Knoten von schräg achtern bis zu 6 Knoten Fahrt zu. Ohne Motor, aber mit ein wenig Strömungshilfe. Es ging damit recht schnell vorbei an der Zufahrt nach Amsterdam, Ijmuiden, bei herrlichem Sonnenschein und der Ruhe, die man nur unter Segeln erfährt. Das sind die besonderen Momente auf dem Schiff, welche die Seele streicheln, kaum beschreibbar.

Mit Annäherung an den Zielhafen Scheveningen, dem Hafen von Den Haag, drehte der Wind allerdings immer mehr in Richtung Achtern. Das war dann für mich mehr als ärgerlich, da die meine bis dahin perfekte Entspanntheit dem Umgang mit dem Schmetterling zum Opfer fiel. Mit meinen noch in Hamburg fest eingebauten Bullenstandern, die auch vom Cockpit aus einstellen kann, ging es aber zunächst sehr gut. Später, mit Annäherung an den Zielhafen nahm der Wind jedoch zu. Was ist dabei das Problem für einen Einhandsegler? Das Halsen vor dem Wind. Wenden sind schon sehr aufwändig, da die Genua jeweils komplett eingezogen werden muss, bevor sie auf der anderen Seite wieder rausgelassen werden kann. Dazu muss man eigentlich nicht einmal in den Wind fahren.

Bei achterlichem Wind geht das nur, wenn man den Motor anlässt, in den Wind dreht, den Autopiloten einschaltet und das Segel einrollt und geschiftet wieder herauslässt, wie der Segler sagt. Macht man das nicht, wie ich es fatalerweise kurz vor der Ankunft in der Nacht versuchte, dann bekommt man einen fatalen Segel- und Leinensalat auf allen beteiligten Leinen. Das Segel weht nämlich in Fahrtrichtung lose aus und flattert in allen Richtungen, wickelt sich dabei um das Kutterstag und in verschiedenen Richtungen um das Vorstag. Ein Chaos, was ich auf dem Bugdeck bei einen bis dahin erstarkten Wind und einer ziemlich unangenehmen Welle mit allen meinen Bemühungen an dieser Stelle auch nach einer halben Stunde schwerer Arbeit unter den widrigen Umständen nicht beseitigen konnte. Also nahm ich zunächst nur das Großsegel herunter und fuhr in den recht großen Vorhafen von Scheveningen ein. Dort sah es in puncto Welle sehr viel besser aus, Windböen erschwerte aber die Arbeit dennoch relativ stark. Egal, nach mehr als 5 Ehrenrunden in dem Gott sei Dank großflächigen Vorhafen, die mich immer wieder in die Nähe eines der hohen Piers treiben ließen, und mehr als einer geschlagenen Stunde angestrengten Balancieren und kräftigen Zupackens, hatte ich das Wirrwarr unter Kontrolle und konnte die Genua wieder auf das Vorstag aufrollen. Nicht nur wegen des einsetzenden Regens war ich absolut fertig danach und hatte insofern noch sehr viel Glück, dass es nicht ein Schiff zu dieser späten Stunde gab, was mir bei meinen Arbeiten in die Quere gekommen war. Aber das gute Gefühl, wenn Alles mit eigener Kraft auch unter solchen Umständen in Ordnung gebracht werden konnte, entlohnt für Vieles.

Nebenbei musste ich erkennen, dass mein alter Liegeplatz in einem Nebenbecken des Vorhafens bei meinem letzten Aufenthalt durch zwei große Volvo-Oceanracer belegt war. Zwei weitere Großschiffe machten diesen Vorhafenteil dann auch noch restlos voll. Also fuhr ich in die Marina durch einen schmalen Kanal und machte in dieser hervorragenden Anlage die Odd@Sea fest. Ich war sehr glücklich, dass ich das Problem selber habe hinbekommen können und genehmigte mir noch ein opulentes Abendmahl mit einigen Gläsern Wein, was ich sonst so nicht mache. Egal, es war trotz einer positiven Wetterprognose klar, dass ich hier einen Ausruhetag einlegen muss. Meine Befürchtungen, dass saftige Hafengebühren aufgerufen würden, bestätigten sich überhaupt nicht, im Gegenteil. Ich kann diesen Hafen sehr empfehlen, dessen Yachtclub auch einen königlichen Zusatz im Namen führt.

Am selbstverordneten fahrfreien und sonnigen Tag habe ich noch einmal die Genua vollständig abgerollt und dabei festgestellt, dass diese zur Hälfte in die eine und zur Hälfte in die andere Richtung aufgerollt war, was mir unter den chaotischen Randbedingungen und bei der Dunkelheit nicht aufgefallen war. Das wurde genauso verbessert, wie ein Schaden an meiner Reeling, bei dem die schlagende Genua offensichtlich einen Splint aus einem Bolzen geschlagen hatte. Ich kann kaum beschreiben, was das Chaos mit den Vorsegelschoten angestellt hatte. Diese waren so miteinander vertörnt, dass ich diese vollständig abbauen, mühsam ordnen und wieder einbauen musste. Es gibt wirklich keinen nicht absolut glatten Punkt auf dem Schiff, den eine schlagende Leine nicht findet und um welchen sie sich nicht herum wickelt. Murphy läßt grüßen!

Morgen, zur richtigen Tidenzeit, werde ich nach Cadzand aufbrechen bei angesagtem anliegendem, leicht lächerlichem Wind mit bis zu 20 Knoten ohne die Notwendigkeit, schiften zu müssen. Ich erwarte richtig Speed, den ich auch benötige, denn die Strecke liegt etwa bei 100 km.

Ich bin ein Optimist.

Ein Gedanke zu „19.9.2019 Eine schöne Segelpartie mit einem kleinen Schönheitsfehler am Ende“

  1. Viel Erfolg und einen save Trip wünscht die Blue Pearl (Nachbarboot in Scheveningen) heute noch Sonne und Schwachwind werden wohl in Dauerregen und Sturm am Mittwoch enden. Hoffentlich findest Du ein sicheres Schlupfloch bis dahin. LG Tom

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