2.8.2019 In drei Tagen von Rügen nach Hamburg

Heute noch von Glückstadt die Elbe hoch nach Hamburg und ich liege wieder im zeitlichen Masterplan, der eine Rückkehr von meinem Ostseetörn in der ersten Augustwoche vorgesehen hatte. Leider fand dieser nun in einer stark verkürzten Form statt. Das konnte heute leicht gelingen, denn die Mittagsflut konnte ich als hauptsächlichen Antrieb verwenden, denn es ist fast Windstill heute hier im Norden und das Segel wurde nur zweimal kurz genutzt, um das Angebot von einigen kleinen Gewitterstürmchen nicht auszuschlagen.

Was ist seit Rügen geschehen? Fahren, fahren, fahren, ankern, fahren, fahren, ankern, usw. Warum ankern? Das spart einfach Zeit und Geld und man kann den Zeitpunkt für die Nachtruhe nach dem eigenen Wohlbefinden bestimmen. Außerdem ist die nächtliche Ruhe auf dem Wasser eine stete Quelle für neue Energie und immer wieder atemberaubend schön.

Der Ausgangspunkt des ersten Törns war die Ankerbucht südlich Hiddensee. Ich berichtete darüber. Was ich dabei vergaß ist, dass mich dort eine Artenvielfalt von Insekten zum Fraß ausgesucht haben und die typische Idylle erheblich gestört haben. Insbesondere die zahlreichen Mückenstiche begleiten mich noch heute. Ich bin, was die Tiere angeht, eigentlich ein toleranter Mensch. Aber in dieser Nacht wurde ich zum Massenmörder, nicht aus Lust, sondern aus Verzweiflung.

Der erste Törn führte mich also von der Ankerbucht südlich Hiddensee vorbei an der Spitze des Darsser Ortes, dann mit West-Süd-West-Kurs quer durch die Mecklenburger Bucht, links querab vorbei an Rostock, Wismar und Lübeck und wieder unter der Fehmarnsundbrücke durch zu einem Ankerplatz in Süden Fehmarns, direkt vor dem kleinen Hafen Orth. Eine lange Fahrt, die bis zur Ansteuerungstonne zum Fehmarnsund durchweg bei schwachen Gegenwind und am Darsser Ort vorbei bei Nebel mit Sichtweiten unter 30m (!) und das letzte Stück unter der Brücke durch bei bestem Segelwetter mit gutem Rückenwind erfolgte. Der Nebel an vor dem Darsser Ort war insofern äußerst prickelnd, da sich um diesen Punkt sämtliche Sportboote wie ich vorbei, die meisten jedoch herum an der Küste entlang bewegen. Jeder versucht dabei, möglichst eng an den Sicherheitstonnen vorbei zu fahren, um die Strecke zu minimieren. Für mich hieß das, für mehr als eine Stunde in den Nebel starren und zu hoffen, dass ich keinen anderen direkt treffe. In sehr geringen Abstand habe ich zumindest vier Segelboote passiert, die kaum sichtbar in geringem Anstand vorbeizogen. Es war reine Glückssache, dass da ein paar Meter zwischen uns lagen. Die mit AIS ausgerüsteten Schiffe waren dabei natürlich überhaupt kein Problem. Die richteten sich bereits in größerer Entfernung auf eine sichere Passage ein. Gott sei Dank war dieser Spuk nach etwa zwei Stunden wieder vorbei und die Sicht stieg wieder auf mehrere Kilometer an.

Dann kam das neue Problem: Um auf kürzestem Wege diese riesige Bucht zu passieren musste ich zweimal durch Verkehrstrennungsgebiete, sozusagen Autobahnen mit in der Karte verzeichneten Grenzen, in denen die Berufsschiffahrt in zwei entgegengesetzten Spuren mit mindestens der doppelten Geschwindigkeit wie die Sportboote unterwegs sind. Bei den großen Entfernungen und entsprechend langen Zeiten, die eine  Passage benötigt, geht es ohne AIS kaum, dabei gelassen zu bleiben. Die Großschiffahrt hat eine Pflicht zum Führen dieser Navigationshilfe.

Kurz vor Fehmarn frischte der Wind in einem großen Gewitter auf und ich konnte den Motorschub durch zusätzlichem Vortrieb aus der Genua ergänzen. So ging es rasant schnell durch den Sund und ich konnte so gerade noch bei Tageslicht zwischen mehreren anderen Yachten den Anker werfen. Der Preis dieses Segelgenusses war der heftige Regen, der eher die Charakteristik eines Wasserfalls aufwies. Mein Ölzeug tat seinen Dienst wie erwartet.

Wieder einmal die Fehmarnsundbrücke! Ich werde es so grade noch bei Tageslicht in die Orther Bucht rechts hinter der Brücke schaffen und mich vor Anker von einem anstrengenden Törn erholen. Das Stützsegel trägt sogar noch sehr gut

Ich habe leider den Morgen darauf etwas verschlafen, sodass ich, um mindestens eineinhalb Stunden vor Sonnenuntergang am NOK anzukommen, ohne Frühstück in aller Eile das Schiff klarmachte und den Kurs auf die Kieler Förde setzte. Man glaubt es kaum, aber die Losung des Windes auf diesem Törn war wie so oft Gegenwind für die Odd@Sea und zwar direkt von vorne. Habe ich nicht diesen Törn wegen der ständigen, über mehrere Wochen konstanten Ost-Wetterlagen aufgegeben? Und auf dem Heimweg habe ich jetzt den so lange ersehnten Westwind und diesen auch noch mit Schauern! Es ging also in dieser Weise bis kurz vor die Förde unter Motor bis eine höhere Macht ein Einsehen hatte und mich mit zunächst leichtem und später zunehmendem Querwind bis nach Holtenau zum NOK unterstützte. So konnte ich ohne Zeitprobleme die Schleuse passieren und die noch fehlenden 10 km zurückzulegen, um in der lauschigen Ankerbucht am Kanal zu ankern, die ich auch bei der Hinfahrt bereits sehr genossen hatte. So auch dieses Mal.

Kurz vor der Einfahrt in die Kieler Förde steht weithin sichtbar das Marinedenkmal Laboe
Auf der anderen Seite überholt mich gerade die Viermastbark Kruzenstern (lautschriftlich, wird ganz anders in einer mir unbekannten Sprache geschrieben)
Alt und jung, groß und klein, alles beisammen
… und auch die Bundesmarine darf nicht in der Förde fehlen. Ganz in grau

Allerdings habe ich auch hier wieder meinen Wecker nicht gehört und einen Schnellstart ohne Frühstück hinlegen müssen, um genügend Zeit dafür zu haben, bei Rendsburg Diesel zu bunkern und über Brunsbüttel bis Glückstadt zu kommen.

Die Fahrt auf dem NOK war beim zweiten Mal eher langweilig. Lediglich ein paar Schauer bewegten mich temporär in mein Ölzeug. Spannender wurde es dann auf der Elbe, die ich jetzt gegen den Ebbstrom fahren musste. Jetzt half mir meine Erfahrung von vielen Kilometern Rheinfahrt bergauf. Am Flussrand bewirkt eine etwas langsamere Strömung als in der Strommitte eine etwas geringere Strömungsgeschwindigkeit. So gibt es über die Flussbreite ein der Grenzschichtströmung ähnliches Geschwindigkeitsprofil. Ich nutzte dieses und gewann dadurch mehr als einen Knoten, jedoch auf Kosten einer erhöhten Aufmerksamkeit bezüglich der vorhandenen Tiefe in Ufernähe. Später kam noch etwas anliegender Wind hinzu, den ich mit der Genua als Stützsegel gut nutzen konnte und so wurden aus den 2,5 Knoten mit 2000 U/min bis zu 5 Knoten Fahrt. Nicht schlecht. Ich kam jedenfalls kurz vor Sonnenuntergang im Hafen von Glückstadt an, fand sofort einen guten Liegeplatz und später einen erholsamen Schlaf. Dieser wurde von dem sehr freundlichen Hafenmeister beendet, den ich bereits von meinem letzten Besuch kannte. Beim netten Plausch zahlte ich meine Hafengebühr und wartete die Zeit bis Mittag ab, da dann die Flut einsetzte.

Man steht zur Wache bereit
Kurz vor Sonnenuntergang auf Reede vor Anker in einem Seitensee des NOK
Auf dem NOK kommt mir eine ganze Kohorte Großschiffe entgegen. Jetzt wird es interessant …
Dieser Frachter gehört zu den kleineren der Zunft. Aber von so nahe sieht man soetwa eher selten
Der nächste ist schon etwas größer. Er macht trotz der Größe nur wenig Welle
Was kommt denn da des Weges? Die Bundesmarine mit eines ihrer modernsten Schiffe. Auch das bietet der NOK
Da fällt auf, dass die Mannschaft wohl vergessen hat, den Anker zu verstauen, oder? Er hängt nur eine Handbreit über dem Wasser. Wenn der in eine Welle einsetzt, dann schlägt er wohl gegen den Bug
Aber dafür gibt es auch Waffen …
… Fahnenständer …
… und die richtig teuren Waffensysteme
… und wenn die Mannschaft Lust dazu hat, dann kann sie mal so richtig loslegen mit dem Schnellboot
… auch nach hinten kann scharf geschossen werden …
… hinten scheint noch ein Landeplatz für Hubschrauber zu sein. Einen Taufnamen hat dieser Kerl nicht. Im AIS (hat er auch, da er gerade nicht im Camouflagemodus fährt) wird nur eine kryptische Buchstaben-Nummern-Kombination angegeben

Auch heute waren die Gewitter ständige Begleiter und ich setzte mehrmals die Genua, um deren Windangebot zu nutzen. So kam ich bis auf 8,5 Knoten Fahrt Elbauf, was mich zwar wieder durchnässte, aber nach etwa dreieinhalb Stunden in Finkenwerde einlaufen ließ. In Höhe des Airbuswerks rief ich die mir vom ersten Besuch beim SVFH her bekannte Verantwortliche für Gastliegeplätze an und ich konnte zwischen drei Angeboten auswählen. Nun liege ich wegen des eleganteren Zugangs zum Schiff mit dem Heck zum Steg in der ersten Position zur Brücke zum Land. Was für ein Luxus! Die erste Aktion war duschen, denn durch die ständigen Ankerungen habe ich seit Kolberg keine Infrastruktur mehr nutzen können. Ein Tag des Luxus!

Wie es nun weitergeht, kann ich selbst noch nicht sagen, denn die letzten Tage waren anstrengend und ich bin ein wenig geschafft. Außerdem hat diese Erfahrung mich stark verunsichert. Das muss erst einmal verarbeitet werden. Über das Resultat meiner Überlegungen werde ich zu gegebener Zeit einen Blogbeitrag schreiben.

Ein Gedanke zu „2.8.2019 In drei Tagen von Rügen nach Hamburg“

  1. Lieber Jürgen,
    bei dir ist ja schon wieder viel passiert.
    Wir hoffen du findest einen guten Weg für die kommende Zeit!
    Wir haben uns die letzten Wochen etwas komfortabler fortbewegt und liegen aktuell am Strand. der Seychellen.
    Nach drei Wochen Wüste in Namibia ein echter Kontrast.
    Liebe Grüße Dietrich & Maggie

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