19.9.2017 Der technische Befund

Der Schlepper aus Niederheimbach traf pünktlich um 9:00 Uhr in Bingen ein. Vorher hatte ich mein Schiff eigenhändig um 180° am Steg drehen müssen, damit wir in der richtigen Position den Werftanleger anlaufen konnten. Das war bei der Windstille am Morgen kein Problem. Nun begann aber der aufregende Teil der Aktion.

Im Päckchen wurde ich etwa 900 m stromauf geschleppt. Im Hintergrund die Fähre zwischen Bingen und Rüdesheim.

 

Anfahrt auf den Steg der Werft. Der Kran steht schon bereit.
Die Odd@Sea samt Skipper in luftiger Höhe (Ich war schon immer flugbegeistert!).
.. kurz vor der Landung.
Der Schlepper hielt sich bereit für den Fall, dass die Aktion schief geht und verabschiedet sich danach.
Das ist nun der neue Liegeplatz der Odd@Sea in Bingen gegenüber der Germania am Rhein.

Meine Vermutung über den Schaden am Schiff war nur zum Teil richtig. Die Schraube war, wie erwartet, irreparabel geschädigt. Es kamen jedoch bereits auf den ersten Blick noch eine verbogene Antriebswelle und einige Strukturschäden hinzu. Aber der Reihe nach:

Ein Schraubenblatt ist stark verformt und teilweise eingerissen
… und die Welle deutlich verbogen.

Der Antriebsstrang bis zum Motor hat keinen Schaden genommen. Allerdings konnte bei der Demontage der Welle festgestellt werden, dass sich der unter der Schraube durchlaufende Träger (fachkundlich: Skeg) zusammen mit der Ruderaufhängung leicht seitlich verbogen haben. Das scheint nicht weiter schlimm zu sein wenn es gelingt, diese Verbiegung während der Montage der neuen Welle elastisch durch eine Seitenkraft zu kompensieren. Probieren kann man das erst, wenn Schraube und Welle geliefert worden sind.

Ein weiterer ärgerlicher, jedoch auch in der Konsequenz nicht ganz so schlimmer Befund konnte im Rumpf neben dem Schwert festgestellt werden, wie das folgende Bild zeigt.

Eine kerbartige Riefe mit fast 4 mm Tiefe neben dem Schwert, wobei neben dem Materialabtrag die plastische Verformung mitgerechnet ist.
… in die man „fast den Finger“ hineinstecken kann! Links das ein wenig ausgefahrene Schwert.

Es wurde zwar an dieser Stelle einiges Material abgetragen, angesichts des plastischen Verformunganteils dürfte jedoch bei einer Wandstärke von 5 mm noch genügend Festigkeit vorhanden sein. Undicht ist hier jedenfalls nichts. Eine weitere Riefe dieser Qualität findet sich auch an der Unterseite des Skegs, der allerdings noch sehr viel mehr Material aufweist.

Eine Riefe an der Unterseite des Skegs sieht zwar recht übel aus, ist aber relativ harmlos, weil der Skeg sehr massiv ist.

Die Befunde habe ich heute der Versicherung gemeldet und bin gespannt, wie man dort damit umgeht. Möglicherweise wird sich ein Gutachter den Schaden anschauen müssen, was in der Zeit der Hurrikanschäden in den USA für die Versicherer allerdings zu Personalengpässen führt. Die Ersatzteile sind jedenfalls bestellt und es zeichnet sich ab, dass ich in der kommenden Woche meine Fahrt fortsetzen kann.

Wie es letztlich zu dieser Situation kam, wird wohl nicht zu kären sein. Bei einem Tiefgang von 85 cm und einer Fahrtiefe von etwa 3 m scheint eine Grundberührung ausgeschlossen zu sein. Die Defekte sind aber alle so frisch, dass diese mit der Havarie sehr wahrscheinlich zusammenhängen. Vielleicht habe ich einen verlorenen Anker erwischt oder ein stahlbeplanktes Stück Treibgut, welches so gerade unter der Wasserline daherkam. An dieser Stelle des Rheins sind jedenfalls schon viele Schiffe gestrandet. Ich bin also in guter Gesellschaft.

Auch bei einem derartigen Vorfall ist meine Stimmung ungetrübt, denn es stecken für mich insgesamt sehr viele Aktivitäten und ein Fülle neuer Erfahrungen darin. Der Puls ist dennoch normal, ich schlafe ausgezeichnet und bin eigentlich insgesamt immer noch sehr entspannt und freue mich auf den weniger anspruchsvoll zu befahrenen Main, der nur noch wenige Kilometer rheinaufwärts entfernt ist.

3 Gedanken zu „19.9.2017 Der technische Befund“

  1. Hallo Jürgen, gerade haben wir in deinen Blog von den spannenden Ereignissen gelesen. Du lässt ja wieder nichts aus! 😉
    Aber wenn so etwas nicht passieren würde, wäre die Fahrt ja auch langweiliger und du würdest nicht so viele nette Leute kennen lernen! 😃
    Wir wünschen dir weiter so viel Glück und das die Reparatur schnell erledigt ist!
    Liebe Grüße aus Köln
    Dietrich & Maggie

  2. Lieber Papa,
    in jeder ungestörten Minute (wie Du Dir vorstellen kannst, ist das eher eine Seltenheit) lese ich gerne Deinen Blog. Du schreibst sehr unterhaltsam und Deine aufregenden Berichte lassen sich angenehm und mit Spannung und Vorfreude auf Deine neuen Abenteuer wie ein gutes Buch „weglesen“.
    Ich bin stolz darauf, dass Du schon so weit gekommen bist und, trotz mehrfacher Pannen, stets das Positive in Erinnerung behältst. Es freut mich wie viele neue Bekanntschaften Du machst und dass Du die Zeit so genießt! Ich wünsche Dir, dass es so positiv weitergeht, natürlich möglichst ohne Panne! Dennoch: Dein Motto ist ja sowieso wunderschön. Wenn der Weg das Ziel ist, dann kann man jeden Augenblick genießen. Ich finde das Leben der Schildkröte passt sehr gut zu Dir! (Auch wenn wir Dich vermissen und uns fragen wann wir Dich wieder treffen können.)

    Wie sind stolz auf Dich! Küsse und Grüße von uns dreien aus Hamburg

  3. Lieber Jürgen,
    wie sieht es denn mal mit einem Zwischenbericht aus ?
    Der 19.9. liegt ja nun schon eine Weile zurück.
    Ich nehme an, dass schon alle auf eine Meldung warten !!!
    Gruß
    Burkhard

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