22.7.2020 Ich bin aus Langeweile schon einmal weiter gefahren

So schön es auch in La Rochelle ist, die größenbedingte Weitläufigkeit des Hafens macht diesen nicht interessanter. Da ich in meiner empfundenen Isolation jetzt bereits fast 7 Monate lebe, wird mein Leben immer wieder mit Momenten gefüllt, die ich so vorher noch nie erlebt habe. Da spielt sich irgendetwas abstrakt im Gehirn ab, füllt aber den Körper davon mit sehr unbekannten starken Gefühlen. Ich habe früher bereits Ähnliches unter Begleitung durch einen Arzt erlebt und kann mich deshalb sehr gut darauf einlassen. Diese Wallungen kommen ohne Ansage und gehen natürlich auch wieder sehr rasch, durch ihre Unterschiedlichkeit und Intensität sind sie allerdings sehr beeindruckend. Meine etwas ungewöhnliche Lebenssituation scheint doch merkbare Auswirkungen zu haben. Der Mensch ist und bleibt eben ein soziales Wesen.

Wie auch immer, ich habe mich gestern entschlossen nach Rochefort zu fahren und bin zu einem Zeitpunkt um die Mittagszeit in La Rochelle losgefahren, der mir die Ankunft zur Öffnungszeit des Hafentors in diesem Tidenhafen in der Charente ermöglicht. Schwacher Wind von vorne ließ nur eine Motorfahrt im flachen Wattenmeer östlich der Isle d’Oléron zu. Fast ohne Welle bei brühender Sonne war ich bemüht, die rechnerisch angesetzten 5 Knoten präzise zu fahren. Heraus kamen dabei eine um etwa eine halbe Stunde zu frühe Ankunft und ein höchst unangenehmer Sonnenbrand. Abwarten bis zum Kippen der Strömung von stromauf nach stromab konnte ich bei langsamer Drehzahl bzw. im Leerlauf auf dem Fluss, auf dem sich mit mir dann noch zahlreiche andere Sportboote vor dem Hafentor sammelten. Für die Leser, die das Geschehen nicht nachvollziehen können: Die Tide wirkt sich auf dem unteren Ende des Flusses bis weit ins Land aus. Wenn es kein Tor vor dem Hafen gäbe, dann würde dieser bei Ebbe Leerlaufen und die darin befindlichen Schiffe würden aufsetzen bzw. umfallen. Wenn das Flusswasser wieder auf das Beckenniveau angestiegen ist, wird das Tor wieder geöffnet, bleibt aber nur für etwa eine Stunde offen, da sich solange der Wasserstand nur wenig ändert. Zuerst fahren die Schiffe hinaus, danach die Wartenden hinein. Dieser Hafen hier ist äußerst eng, um möglichst viele zahlende Schiffe zu beherbergen. Ich glaube nicht, dass ich schon einmal in einer derartigen Enge mit der Odd@Sea einen derartigen Slalomkurs navigieren musste. Ich liege jetzt jedenfalls in der äußersten NW-Ecke mit fast dem längstmöglichen Zufahrtsweg. Für die Zufahrt zu diesem Hafenteil muss stets erst die Straßenbrücke einer Hauptstraße nach oben gekippt werden. Imposant, aber notwendig, um auch Segelschiffe mit hohem Mast die Einfahrt zu ermöglichen. Belohnt wird diese Mühe mit einem Liegeplatz inmitten der Stadt und vollständig umgeben von Wohnhäusern mit kleinen Geschäften. Die Passanten laufen also in wenigen Metern am Schiff vorbei.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass mich diese Flussfahrt an meinen langen Weg quer durch Europa vor einigen Jahren erinnert und mir die gleiche Freude gemacht hat. Da dabei allerdings keine Tidenverhältnisse zu berücksichtigen waren, konnte ich dabei sehr viel entspannter fahren.

Hier warte ich zunächst auf den Erik, der seine hier zur Überwinterung abgestellte „KIRE“ zu Wasser lassen will. Er wird voraussichtlich am Freitag hier eintreffen. Die Odd@Sea soll dann an Land gehoben werden, um das Unterwasserschiff von Pocken und Algen zu reinigen und danach mit Anti-Fouling zu behandeln. Ich habe lange über Letzteres nachgedacht und habe seit der Übernahme des Schiffs bis heute aus ökologischen Gründen darauf verzichtet. Damit habe ich aber auch auf Fahrleistungen ein merkbares Stück weit verzichten müssen. Durch die Corona-bedingte Auszeit ist nun allerdings der Bewuchs so stark geworden, dass ich eigentlich auf die letzte Reinigung im April hätte besser verzichten sollen. Die angenehme Aussicht, danach für mindestens zwei Jahre nicht mehr an das Unterwasserschiff herangehen zu müssen, leitet mich dabei. Im Übrigen klemmt immer noch der Hebemechanismus meines Steuerruders, was ich bei dieser Gelegenheit auch gleich beheben möchte.

Nachtrag: Auch die geringe Zuverlässigkeit des WLAN hat mich aus LA Rochelle getrieben. Es ist äußerst nervig, wenn man viel Zeit nur damit verbringen muss, dass man irgendwie mit der Außenwelt kommunizieren kann. Angekommen in Rochefort ging zunächst erst einmal Garnichts. Heute habe ich lernen müssen, dass ich jeden Tag in der Kapitanerie ein kostenfreies Kontingent von 2 täglichen Stunden WLAN-Nutzung abholen kann. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Nun werde ich versuchen, ein landesweit verfügbares kommerzielles Netz zu nutzen. Erste Versuche schlugen fehl aber ich habe ja Zeit.

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