23.12.2017 Ich wünsche allen Lesern meines Blogs ein geruhsames und schönes Weihnachtsfest sowie ein erfolgreiches und erbauliches Neues Jahr

Die im Titel formulierte Botschaft möchte ich in diesem Blog ergänzen durch einige Überlegungen zum Thema Glücklichsein, die möglicherweise Euer Interesse finden könnten. Was liegt näher, als gerade in diesen Tagen der Ruhe und Besinnlichkeit über die komplexeren Dinge des Lebens nachzudenken. Ich würde mich freuen, wenn es reichlich Widerspruch zu meinen Gedanken geben würde, denn das wäre sozusagen das Salz in der Suppe der vielfältigen unterschiedlichen Befindlichkeiten der Menschen.

Ich liege zur Zeit für absehbar mindestens eine Woche wetterbedingt in dem einzigen und zuleich ziemlich kleinen Hafen auf der Insel Efstratios inmitten der Aegaeis als einziges größeres Schiff. Die Fischer haben ihre Boote wegen der Wetterverhältnisse und des für einige Windrichtungen ungeeigneten Hafens an Land geholt. Eine lokale und eine große Fähre nach Athen kommen, wenn es nicht gerade stürmt, ab und zu hier vorbei.

Nur die kleinere der beiden Fähren und die Odd@Sea stehen bei diesem Sturm im Hafen von Efstratios. Die Fähren hatten für diese Tage fast vollständig ihren Dienst eingestellt. Die Insel ist dann von der Umwelt abgeschlossen.
Die meisten Fischer bevorzugen, ihre Boote in dieser Zeit der Stürme an Land zu holen, damit sie keinen Schaden erleiden
Ohne meine neun Fender wär wohl dieses Abenteuer in den letzten Tagen und Nächten schlecht ausgegangen, da das Schiff vom Sturmwind gegen die Pier gedrückt wird. Diese haben das Schiff bereits in Oferie Nord am Schwarzen Meer gerettet.
Eine weitere Leine, die hier von der Mittelklampe auf den Fotografen zugeht, entlastet die Fender ein wenig. Trotzdem hatte ich, insbesondere Nachts, duchaus Angstgefühle bei den nächtlichen Orkanen mit Stärke 9. Nach drei dieser Nächte verlief sich dieses Gefühl allerdings wieder und das Vertrauen in das Schiff sowie meine Seemannschaft kamen wieder zurück. In der letzten Nacht war der Sturm bereits etwas schwächer (7 – 8) und soll am Montag ganz verschwinden. Dan fahre ich zu meinem Flugzeug, das (hoffentlich) auf Limnos auf mich wartet, um mich nach Athen zu bringen.

Es leben hier etwa 150 Menschen, es gibt keinen Tourismus aber eine Hafenkneipe und einen wundervollen Supermarkt, der wirklich seinem Anspruch gerecht wird. Winzig in seinen Abmessungen, aber hervorragend organisiert und mit einem Angebot, welches seinen größeren Konkurrenten alle Ehre macht. Dieser Umstand gibt mir die Muße, einmal über ein Thema nachzudenken und mich darüber zu äußern, welches mit meiner Fahrt nur indirekt etwas zu tun hat. Es ist hier ein Ort, an dem man trefflich über die Dinge des Lebens nachdenken kann und ich habe insgesamt mindestens fünf Tage seit meinem Eintreffen, bis das Wetter mir eine Weiterfahrt erlaubt. Diejenigen, die meinen Blog eher wegen der nautischen Informationen lesen, mögen die folgenden Zeilen besser überspringen, denn es geht hier ausnahmsweise um das Leben und das Glücklichsein an sich, einem Gebiet, in welchem aus meiner Sicht nur die aus eigener Erfahrung gewonnene Überzeugung zählt und keine Wissenschaft wirklich helfen kann.

Dass ich mich mit diesem wesentlichen Aspekt des Lebens zu diesem Zeitpunkt beschäftige, hat sicherlich viel mit den bisher gemachten neuen Erfahrungen auf meiner Schiffsreise zu tun, dabei insbesondere mit dem Alleinsein. Allerdings war dieses bereits früher einmal ein sehr wichtiges Thema in meinem Leben, über das ich jetzt hier aber nicht berichten möchte, welches mir aber in vielerlei Hinsicht mein Gefühlsleben bereits schon einmal völlig auf den Kopf gestellt hatte. Dass ich ein zweites Mal eine solche Metamorphose des Ich- oder auch Selbstbewußtwerdens erleben darf, ist bereits für sich eine überaus glückliche Fügung. Glücklichsein ist also das Thema, zu dem ich mir erlaube, ein paar Zeilen in diesem Blog zu schreiben.

Glück hat aus meiner Sicht nur wenig mit der jeweils aktuellen Lebenssituation zu tun, denn man kann auch glücklich sein, wenn die Umstände objektiv schwierig oder ärgerlich sind bzw. ausweglos schlecht erscheinen. Glück findet im Kopf und zugleich auch als Körpergefühl statt. Die Augen schließen und sich etwas Schönes vorstellen kann jeder jederzeit. Damit meine ich nicht Träume im Sinne eines Schlaftraums. Das Thema ist dabei kaum beeinflußbar, wenngleich auch möglicherweise tiefenpsychologisch interpretierbar. Ich meine die gedankliche Entwicklung von Vorstellungen zum eigenen Leben, den Zielen, den Wünschen zu den Lebenswegen in einer entspannten Situation, sozusagen als Tagträume. Dabei die positiven Auswirkung auf den Körper zu spüren, gelingt jedoch nur bei weitgehender Entspannnung. Offensichtlich ist also die Gelassenheit eine der Voraussetzungen zum Glücklichsein. Das Glücksempfinden ist wie das Denken individuell sehr verschieden und kann auch beliebig und zu jedem Zeitpunkt beeinflußt und geändert werden. Ich glaube, dass die Lust am Dasein, also auch ein gewisser Hunger nach Erlebnissen, einer der Eckpfeiler von Glück ist. Dasein bedeutet auch gleichzeitig körperlich und geistig dabei zu sein bei dem, was gerade geschieht. Oder noch besser mitten drin zu sein und das Jetzt selber zu gestalten.

Ich formuliere meine persömliche Ansicht dazu wie folgt: Wenn Du glücklich sein willst, lasse Dich nur von dem Hier und Jetzt leiten. Das klingt etwas platt, da es in jedem Ratgeber zu diesem Thema steht, ist aber durchaus richtig. Was sein könnte, spielt dann keine wirkliche Rolle. Wenn du gesund bist und Dein Körper beanstandungsfrei funktioniert, dann gibt es nichts, was Dich daran hindern könnte. Wahrscheinlich ist Dein Körper zugleich auch dann automatisch gesund, wenn Du glücklich bist. Wenn Du über ausreichend Nahrung verfügst, also nicht hungern mußt, dann gibt es eigentlich keinen Grund, unglücklich zu sein, denn Deine Existenz ist dann nicht gefährdet und Du kannst Dich vollständig auf das Leben und das aktuelle Tun konzentrieren.

Natürlich spielt es eine Rolle, ob es einen Partner gibt, der Ansprüche an Dich stellt, die Du auch gerne erfüllen möchtest. Es gibt wohl nichts befriedigenderes, als einen anderen Menschen an seinem eigenen Glück teilhaben lassen zu können. Wenn dieser dann die für Dich einschränkend wirkenden Kompromisse einer Partnerschaft auch wirklich schätzen kann und Dich damit glücklich macht, hat Deine eigene Vorstellung der Lebensgestaltung nicht mehr die große Bedeutung, da Du dann zu Kompromissen eher bereit bist. Das Glück ist dann sowieso schon alleine wegen der Beziehung auf Deiner Seite. Wenn dieses allerdings nicht der Fall ist, dann gilt es, das Glück aus dem eigenen Tun zu generieren. Ich empfinde dieses in meiner gegenwärtigen Lebenssituation auf dem Schiff sehr stark. Einsamkeit ist überhaupt kein Thema für mich, denn ich bin mitten im Geschehen, stets gefordert, sehr gesund und stets mit neuen Situationen konfrontiert, die sowohl Menschen als auch die Natur hervorbringen. Es ist fast animalisch zu bezeichnen, wenn man ständig existenziell wichtige Entscheidungen treffen muß und die Ergebnisse stets sofort präsentiert bekommt. Meistens sind diese Situationen äußerst erbaulich, da das Tun eigentlich fast immer erfolgreich ist. Kann man Glück besser beschreiben? Sogar aus den Mißerfolgen kann man durchaus lernen und diese schlechten Erfahrungen auch wieder in neue Erfolge wandeln. Freilich erst bei er nächsten Chance, das Gelernte wieder umzusetzen. Gesunden Menschenverstand vorausgesetzt, werden kaum Situationen entstehen, bei denen Mißerfolge zu wirklich fatalen Ergebnissen führen. Na ja, etwas Mut gehört zu meinem eingeschlagenen Lebensweg dazu, wie mir meine Freunde immer wieder sagen. Dieser Mut wird aber immer wieder durch Erfolge belohnt und relativiert sich somit in seiner Ausprägung. Woher sollte sonst Selbstbewußtsein kommen, wenn nicht durch Erfolge im Großen und im Kleinen.

Ich sitze hier allein in meiner relativ komfortablen Blechbüchse, die mein derzeitiges Zuhause darstellt, manchmal einige Tage oder Wochen lang, ohne viel von meiner Umwelt mitzukriegen. Das ist auch jetzt der Fall, da es draußen stürmt und ich „abwettern“ muß. Niemals hätte ich mir früher vorstellen können, dass ich soetwas aushalten würde. Nun muß ich feststellen, dass es überhaupt keine Rolle spielt, ob ich hier festsitze oder unter vollen Segeln die Freiheit auf See erfahren darf. Was nicht ist, erträume ich mir und mache die dabei entstehenden Vorstellungen damit umso wertvoller, wenn diese dann real eintreten. Ist das nicht eine Verdopplung des Glücks! Der Ingenieur träumt von derartigen Synergieprozessen. Wenn die Realität bereits für unbeschwerten Genuß sorgt, dann kann man man natürlich in vollen Zügen die Seele streicheln und den Glücksspiegel weiter erhöhen. Ich denke beispielsweise über meine Situation und andere schöne oder erstrebenswerte Dinge bei einem Glas Wein und guter Musik nach, fühle mich pudelwohl und könnte dabei vor Glück und Wohlbefinden platzen.

Ich mache mir immer wieder Gedanken darüber, ob mein Empfinden dem eines Sonderlings entspricht, kann es aber letztlich überhaupt nicht erfühlen. Es ist, wie es ist, zumindest bei mir und ich fühle mich glücklich wie noch nie in meinem schon etwas längerem Leben und es ist wunderbar. Bei aller Bescheidenheit habe ich mir das auch verdient für meinen sicherlich letzten Lebensabschnitt nach einer langen Ausbildung, der Phase des intensiven Fliegens, der Arbeit in der Industrie und an der Universität und nicht zuletzt auch als Vater.

Ich bin überzeugt davon, dass das Geduldsspiel, auf welches man sich auf See einlassen muss, eine große heilende Wirkung auf die gestresste Seele auswirkt. Die reduzierte Erwartung läßt Dich schnell auf den Boden der Tatsachen fallen und gibt Dir, da die Natur fast nicht berechenbar ist, zugleich auch außerordentliche Glücksmomente, wenn Deine hohen Erwartungen bei Weitem übererfüllt werden. In jedem Fall stimmst Du Dein Inneres bzw. Deine Seele auf die Natur ein, wenn Du Dich auf diese unendlich große Quelle von Überraschungen einläßt und daran erfreuen kannst. Der große Manitou kann Dich durchaus auch einmal technik- oder wetterbestimmt für längere Zeit an einem Ort festhalten, an dem Du nicht unbedingt sein wolltest. Gelassenheit bringt Dich über eine solche Erfahrung leicht hinweg und beschert Dir zudem durchaus manchmal die Erkenntnis, dass auch dann noch immer das Potenzial für großes Glück in derartigen Situationen steckt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir gerade in derartigen Situationen stets ein interessanter Mensch begegnet, der mir etwas wirklich Substanzielles zu sagen hat, der also wieder ein Stück mein Glück weiter befördert. Glücklichsein ist also auch immer eine Einstellungssache, oder? Ausserdem sind auch die Elemente Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und sicher aus die Becheidenheit Bestandteile des Glücksempfindens.

Im Übrigen ist Glück auch das Gefühl, sich auf sein Schiff, dem man täglich sein Leben anvertraut, so verlassen zu können, wie ich es mit der Odd@Sea kann. Egal, wie die Bedingungen gerade sind, ich habe immer das gute Gefühl, dass sie mich schützt vor allem Ungemach, das Wetterbedingungen und alle anderen Ursachen hervorbringen können. Das hat sie insbesondere im Schwarzen Meer bewiesen, wo in Eforie andere Schiffe bei heftigem Sturm im Hafen so beschädigt wurden, dass sie aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Meines hat nicht einen Kratzer dabei davongetragen. Das muss in diesem Zusammenhang auch einmal gesagt werden, denn das ist auch ein guter Grund zum Glücklichsein!

Bitte nehmt mir meine etwas merkwürdigen Ausführungen nicht übel und haltet mich bitte auch nicht für etwas übergeschnappt. Mir war gerade danach, ein wenig zu philosophieren. Soetwas ist normalerweise aber kein Bestandteil eines Blogs und soll auch absehbar nicht wiederholt werden. Schon garnicht in dieser Länge. Wer damit nichts anfangen kann, ignoriere bitte diesen Beitrag ganz einfach.

Man hört hoffentlich voneinander im Neuen Jahr.

3 Gedanken zu „23.12.2017 Ich wünsche allen Lesern meines Blogs ein geruhsames und schönes Weihnachtsfest sowie ein erfolgreiches und erbauliches Neues Jahr“

  1. Lieber Jürgen,
    ich verfolge Deine Berichte mit großem Interesse und finde es besonders spannend, wenn Du Deine Gedanken über das ein oder andere mitteilst.
    Deine philosphischen Ausführungen gehen eindeutig in Richtung Buddhismus, bei dem ebenfalls die Gelassenheit einen wichtigen Lebensaspekt darstellt. —
    Auf meinen Fernreisen habe ich immer festgestellt, dass die Menschen dort am zufriedensten und glücklichsten schienen, wo sie nur ein einfaches Leben führten. Man merkte ihnen an, dass sie in sich selbst ruhen und durch nichts aus der Fassung zu bringen waren.
    Ich wünsche Dir ein geruhsames Weihnachtsfest und spaeter einen guten Rutsch ins Neue Jahr im Kreise Deiner Familie.
    Burkhard

  2. Lieber Jürgen, das Weihnachtsfest ist zwar schon fast vorbei, aber wir wünschen dir noch einen schönen Ausklang der Weihnachtsteit!
    Morgen brechen wir zu den Kanaren auf, wo wir hoffentlich etwas besseres Wetter als bei dir haben werden! Wir wünschen dir, dass deine Tour im neuen Jahr erfolgreich weiter geht!
    Liebe Grüße Dietrich & Maggie

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