23.6.2018 Das Wetter ist äußerst gütig zu mir

Ich hatte bereits zu Beginn meiner Reise die Fahrt entlang der portugiesischen Küste als die wettermäßig ungünstigste gesehen und hier das Schlimmste für mein Vorankommen befürchtet. Zu meinem Glück haben sich die Horrorszenarien, z.B. vier Wochen lang starker Nordwind, bisher noch nicht eingestellt. Bisher waren es nur 9 von den 10 Tagen in Cascais, an denen ich keine rechte Chance zum Weiterkommen hatte. Ein Tag davon war technisch bedingt. Seitdem gibt es durchgehend Wind aus nördlichen Richtungen. Kommt er aus Nord, ist er im Moment zum Glück schwach. Kommt er aus Nordwest, dann ist er aber zum Teil ausreichend stark, dass ich hoch am Wind segeln kann. Dann kommt zum Tragen, was Segeln ausmacht: Lautlos und elegant über das Wasser gleiten und dazu ordentliche Musik in großer Laustärke hören, ohne jemanden zu stören. Wenn nicht, dann tragen meine Segel aber immer zum raschen Vorankommen unter Motorfahrt oder zumindest zum Sparen von Kraftstoff bei. So komme ich jetzt täglich eine gute Strecke voran und der Wetterbericht sagt voraus, dass dieses auch in den nächsten Tagen so bleiben soll. Es macht viel Freude, denn das Meer ist außerordentlich friedlich bei diesen Wetterverhältnissen und ich kann das Fahren sehr ausgiebig genießen.

Dass der Atlantik aussehen kann wie der Wannsee, wird hier deutlich: Die Reflexion der Sonnenstrahlen sehen aus, als ob das Wasser ölig ist. Entsprechend komfortabel geht es zu an Bord.
Man darf sich allerdings nicht täuschen. Auch die langwellige Dünung hat ihre Kraft, wie man hier an der hoch brechenden Welle sehen kann. Es gab spektakulärere Gischt, als sie hier zu sehen ist. Da ich kein begnadeter Fotograf bin, erwische diese Momente aber leider trotz vieler Versuche nicht.
Ausfahrt aus der Marina von Nazare bei absolut ruhigem Wetter. Im Hintergrund rechts eine den Fluss überspannende hohe Brücke.

Von Pineche, in meinem letzten Bericht habe ich es erwähnt, bin ich die Küste nach Norden über die Häfen Nazare und Figueira da Foz bis in den Naturhafen im Rio de Aveiro gefahren, wo ich heute wieder einmal unter den schönsten Bedingungen die Nacht verbringe. Die Einfahrt in den Fluß hätte ich besser zwei Stunden später eingeplant, denn ich kam bei einem sehr starken Ebbstrom an der Mündung des Flusses an. Aber als ungeduldiger und zugleich neugieriger Mensch wollte ich es wissen, was passieren wird. Ich fand eine sehr starke Strömung und insbesondere viele turbulente Querströmungen vor und mußte die vier Kilometer bis zu Ankerbucht per Hand steuern, da der Autopilot damit nicht klar kam. Meine Erfahrungen auf dem Rhein halfen mir hierbei sehr. Mit Vollgas erreichte ich gerade einmal 2,5 Knoten Geschwindigkeit gegen den Strom. Morgen soll es dann über die Häfen Leixöes und Viana do Castello, vorbei an Porto, über die Grenze nach Nordspanien gehen. Dort will ich dann zuerst die Marina von Bayona besuchen.

WIe in einem Hallenbad: Eine völlig ruhige Wasseroberfläche. Der einzige Wellenmacher ist die im Hintergrund zu sehende Fähre, die ab und zu den Fluß und die Bucht kreuzt.
Ein malerischer Sonnenuntergang in der Idylle einer natürlichen Ankerbucht, die an ihrem Eingang durch Molen gesichert wurde.

Charakteristisch für die portugiesische Westküste in den letzten Abschnitten meiner Reise sind die ungeheuer langen Sandstrände, die ich in dieser Länge auf meiner gesamten Reise noch nicht gesehen habe. Sie reichen zum Teil vom Horizont zum Horizont ohne auch nur eine einzige Unterbrechung, beispielsweise durch eine der sonst überall zu findenden Felsen. Erstaunlicherweise findet man dort überall Sonnenhungrige badenderweise oder beim Spazierengehen.

Erwähnenswert bei diesen eher als Luxusfahrten einzustufenden Strecken wäre allenthalben, dass mir beim Segelsetzen das unglaublich unwahrscheinliche Malheur passiert ist, dass eine Böe die Hinterkante meines Großsegels unter das Backbord-Backstag geweht hat und ich dieses beim Hochkurbeln nicht bemerkt hatte, da ich wegen der prallen Sonne unter dem Bimini gearbeitet hatte und den oberen Mast nicht sehen kann. Das in den Mast mit einem Endbeschlag nur eingehängte Backstag fiel jedenfalls zu meinem Schreck mit einem lauten Knall auf das Deck. Nun ist dieses Stag nicht zum sicheren Segeln erforderlich, solange man nicht mit der zweiten Fock, dem sogenannten Kuttersegel, fährt. Das Problem war nur, dass ich jemanden benötigte, der mich mit meinem Bootsmannstuhl bis zur oberen Saling mit Hilfe eines Falls den Mast hochziehen musste, damit ich das Stag wieder einhängen konnte. Kein Problem ohne eine elegante Lösung: Beim Einklarieren im Empfang des Hafens von Nazare wurde vor mir ein französisches Segler-Ehepaar abgefertigt, welches meiner Bitte um Hilfe sofort entsprach. So wurde mein Ausflug in den Mast zu einer abendlichen Runde beim Bier ausgeweitet. Sehr nette Leute, die über sehr viele Erfahrungen auf dem Meer verfügen. Darunter auch schlimme, denn der Skipper war Teilnehmer des letzten Fastnet-Races in England bei dem infolge eines Sturmes viele Segler ihr Leben gelassen hatten. Er selbst wurde von der Küstenwache gerettet. Danach wurde dieses traditionelle Rennen eingestellt.  Schade, dass die beiden ins Mittelmeer, also in die entgegengesetzte Richtung  wollen, sonst hätte man diesen netten Austausch erweitern können. Leider hatte ich bei diesem Ausflug in die Höhe meine Kamera nicht in der Hosentasche um die grandiose Sicht von dort oben auf das Schiff und die Umgebung zu fotografieren. Einen zweiten Aufzug wollte ich dem Helfer nicht zumuten, denn das Hochkurbeln eines Menschen meines Gewichts ist sehr anstrengend. Es wird sicherlich wieder einmal eine Notwendigkeit zum Besuch der Mastspitze geben. Dann werde ich daran denken.

Ein Gedanke zu „23.6.2018 Das Wetter ist äußerst gütig zu mir“

  1. Hallo Jürgen,
    verfolgen deine Reise seit unserer gemeinsamen Abfahrt in
    Berlin sehr gespannt.
    Zum Thema allein in den Mast gibt es im Netz einen sehr interessanten Artikel unter
    sy-merger.de
    Wir sind mit unserem Schiff derzeit in Frysland unterwegs.
    Falls dir die Nordsee zu anstrengend wird ,kannst du auch
    auf der Staande-Mastroute binnen durch Holland fahren.
    Du brauchst zwar etwas mehr Zeit,ist aber viel bequemer.
    Wenn du diese Route wählen solltest,kannst du dich melden
    denn du fährst direkt bei mir vorbei.

    Ansonsten immer eine Handbreit Wasser unterm Schwert
    Liebe Grüße Dagmar und Stefan

Schreibe einen Kommentar zu Stefan Stando Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert