26.12.2020 Ich möchte mich nach einem Vierteljahr Auszeit wieder einmal melden

Sollte es noch eine kleine treue „Fangemeinde“ für meine Reise mit der „Odd@Sea“ geben, dann spreche ich diese hiermit gerne wieder einmal an und erstatte für diese lange Zeit einen gar nicht einmal zu kurzen Bericht, denn diese Zeit war bis auf einige Ausnahmen wenig spektakulär. Insbesondere kann ich überhaupt nicht mit nautischen Aspekten aufwarten. Was ist also bisher passiert?

Torrevieja, in dessen sehr großen Hafen sich mein derzeitiger Liegeplatz befindet, ist eine sehr lebendige spanische Kleinstadt, die vor Allem den Vorteil hat, in eine Gegend zu liegen, in der Corona fast ein Fremdwort ist. Das liegt vielleicht daran, dass man hier sehr diszipliniert mit den besonderen Lebensbedingungen umgeht. Alles ohne Aufregung, immer mit Maske und genügend Abstand, immer! Hier gibt es folglich fast keine Infizierten. Es ist einfach vorbildlich, was hier geschieht! Durch diese Einsicht und deren Folgen ist das normale Leben kaum eingeschränkt. In den Restaurants gibt es zahlreiche Gäste, die allerdings Abstand halten. Das gilt auch für die gut besuchten Läden und Supermärkte und auch die Spielplätze für die Kinder. Es ist einfach „the place to be“.

Fast immer sonnig, Temperaturen zwischen 15° und 23°, kaum Wind, aber ziemlich viel Wassersport im und vor dem Hafenbecken, der hier ganzjährig mit viel Einsatz eher professionell von morgens bis zum Sonnenuntergang gegen 18 Uhr trainiert wird. Die Anlagen sind sehr werthaltig gebaut, sehr komfortabel und gut gepflegt und der Liegepreis ist erträglich, zumindest als Langlieger im Winter. Mein durchschnittlicher Tag ist eher von Faulheit geprägt: Rockantenne Hamburg über das WLAN hören, Computerspiele spielen, ab und zu Lebensmittel einkaufen gehen, am Schiff basteln und die benötigten Materialien und Werkzeuge in einem der zahlreichen riesigen Kaufhäuser besorgen und ab und zu auch nur durch die Gegend spazieren. Ich bekoche mich selber, fast ausschließlich vegetarisch. Nachts plagen mich ein wenig diese sehr kleinen, aber heftig stechenden Mücken, deren Fluggeräusch mich in den Wahnsinn treibt. Da dann nur mein Gesicht unbedeckt ist, erwischen sie mich meist an den Rändern der Ohren oder den Augenlidern. Da ist wohl die Haut sehr dünn und deren Werk leicht zu verrichten. Na dann, wohl bekommt´s!

Eigentlich wollte ich Mitte September nur für zwei Wochen nach Deutschland reisen, eine Woche zu Freunden und meinen Schwestern nach Berlin und eine weitere Woche zu meinen beiden Töchtern und meinen drei Enkelkindern nach Hamburg. Das damit geplante dichte Programm war zwar sehr schön, aber auch sehr anstrengend für einen über Siebzigjährigen wie mich. Als ich dann in Hamburg ankam, geschah etwas schrecklich Unerwartetes: Ich hatte eine vollständige Amnesie! Ich wusste nicht mehr wo ich war, war aber, ohne es wahrgenommen zu haben, fähig genug, eine meiner Töchter anzurufen und ihr mitzuteilen, dass ich nicht mehr weiß, wo ich mich gerade befinde. Daran und an die folgende Hilfe meiner Töchter konnte und kann ich mich nicht erinnern. Die Erfahrung war wirklich bedrohlich, dauerte aber nicht sehr lange an. Wir beschlossen gemeinsam, dass ich in den kommenden Tagen zu einer Komplettuntersuchung in eine Tagesklinik gehen sollte. Die dann folgende vollständige apparatemedizinische Untersuchung dauerte dann zwei Wochen und brachte nur zwei Gesamtaussagen: Es gibt keine Befunde und mein körperlicher Gesamtzustand ist der eines 15 Jahre jüngeren Menschen. Das wurde insbesondere auf dem Leistungsergometer sichtbar, bei dem die um die Integrität ihres Equipments fürchtende Ärztin mich um Mäßigung bat. Das klingt einerseits sehr schmeichelhaft und nahm mir die bis dahin vorherrschenden Ängste, war aber dennoch sehr unerfreulich, da mein totaler Gedächtnisverlust nicht das Produkt einer Einbildung war. Aus den zusammenfassenden Gesprächen mit dem leitenden Arzt, einem sehr ausgiebigen Frage- und Antwortspiel, ging dann aber letztlich eine nachvollziehbare Erklärung hervor: Wassermangel. Meine Flüssigkeitsaufnahme tendierte in der Zeit auf dem Schiff, also seit drei Jahren, in der Tat in Richtung von alkoholischen Getränken, also Wein und Bier. Wasser kam da überhaupt nicht vor! Als der weise Mann mir dann zwei Infusionen mit einem für derartige Fälle wirksamen Aufbaupräparat zukommen ließ, konnte ich bereits während der Aufnahme eine positive Veränderung meines Körpergefühls feststellen. Es brauchte dann noch bis Mitte Oktober, bis mein Körper mit etwa zweieinhalb Litern Wasser täglich wieder befundfrei war, das heißt, dass mein Kopf wieder Ruhe gab. Die ständigen sehr kurzen, nicht erklärbaren und absolut sinnlosen Gedankenfetzen, die von ebenso kurzen, unangenehmen Körpergefühlen begleitet waren, gingen bis Anfang September langsam zurück. Sie verschwanden dann völlig und ich war wieder völlig gesund und reiste dann sogleich wieder zu meinem Schiff zurück, mit mit mehr als einem Monat ungeplanter Verspätung! Natürlich habe ich in dieser Zeit den Kindern sowie meiner früheren Ehefrau meine handwerklichen Möglichkeiten in Haus und Garten zur Verfügung gestellt, wobei ich abwechselnd in dem mir von früher bekannten Haus sowie dem meiner Jüngsten wohnte. Es war trotz meiner körperlichen Befunde insgesamt eine sehr schöne Zeit in Hamburg, insbesondere das Erlebnis mit meinen drei unterschiedlich alten Enkelkindern.

Während meiner Abwesenheit wurde ich vom Hafenmeister darüber per e-mail unterrichtet, dass mein Schiff an einen anderen Ort verlegt werden mußte, da die Plätze in diesem Stegbereich bereits vergeben waren. Ich fand also nach meiner Rückkehr die Odd@Sea am Ostende des gleichen Stegs eng zwischen zwei Segelschiffen wieder, eines davon ein riesiger Zweimaster. Sie war natürlich professionell fest gemacht, nur der Einstieg erfordert nun etwas mehr Sportlichkeit vom Skipper. Na ja, das kann ja nicht schaden.

Nun erwarte ich ein sehr, sehr ruhiges Weihnachtsfest alleine an Bord der Odd@Sea, also weitere Tage wie die bisherigen hier an der Costa Blanca und bin gespannt darauf zu beobachten, wie die Einheimischen mit einer Familienfeier in der Pandemie umgehen. Mit den beiden „einheimischen“ Berlinern, der Gitta und dem Peter, werde ich mich jedenfalls nach den Feiertagen wieder einmal treffen und ein Schwätzchen halten. An dieser Stelle möchte ich Euch dazu ermutigen, einen Abstecher an diese sehr schöne Küste des Mittelmeers zu erwägen und eine Weile bei mir an Bord zu verbringen. Platz ist reichlich vorhanden und ein Preis von 15€ für den 2500 km(!) langen Flug mit Ryanair ist auch nicht gerade ein hohe Hürde. Wie wäre es?

Planungen für mein weiteres Reisen in die Ferne werde ich erst nach dem Ende der Zeit beginnen, in der das Virus mitmischt. Bisher habe ich weder eine Idee noch mache ich mir Gedanken dazu. Was ich mir allerdings vorgenommen habe ist den Standort zu wechseln nach Almerimar, etwa 300 km wieder nach Südwesten Richtung Gibraltar. Ich hatte über diesen für mich besonders schönen Ort bereits ausgiebig in einem früheren Blogbeitrag berichtet. Allerdings werde ich diese Strecke nicht ohne ausreichenden Wind aus einer günstigen Richtung in Angriff nehmen. Bisher war er stets viel zu schwach und kam ständig aus der Richtung der geplanten Fahrtroute. Mal schauen, ob sich das im kommenden Jahr ändert. Bis zum 8. Januar habe ich jedenfalls meinen Liegeplatz gemietet.

Ich wünsche allen Lesern meines Blogs gute Ideen zur Veranstaltung eines schönen Weihnachtsfestes unter den Bedingungen von Corona. Passt auf Euch auf und beachtet dabei die Risiken. Es wird schon gehen und wenn es gegangen ist, dann steht auch dem Jahreswechsel nichts mehr im Wege, der ebenfalls irgendwie auch ein wenig prickelnd werden sollte.

Macht es Euch schön und kommt gesund in das Neue Jahr, welches Euch maximale Freude schenken sollte nach den Entbehrungen des ablaufenden Jahres.

Ein schönes Weihnachtfest und einen guten Rutsch ins Neue Jahr wünscht Euch der Skipper
bei herrlich sonnigem Winterwetter an der Costa Blanca

3 Gedanken zu „26.12.2020 Ich möchte mich nach einem Vierteljahr Auszeit wieder einmal melden“

  1. Hallo lieber Jürgen,
    schön wieder von Dir zuhören/lesen. Vor Allem, dass Du auf
    Deiner Odyssee die Zeit zurück drehst und jünger wirst.
    Im Lock/Shutdown kommen wir langsam Deiner Situation näher,
    die Kontakte nehmen ab, aber es wird hoffentlich bald wieder
    besser. Der Jahreswechsel wird wohl nicht prickelnd aber lässt hoffen.
    Ja mein Lieber, vom Stammtisch gibt es ja nichts Neues aber wir halten uns wacker.
    Dir weiter schöne Zeit und gute Fahrt (und das mit der Handbreit Wasser unterm Kiel)
    Grüße auch von Julia

    Michael

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