27.10.2017 Panta Rhei – Alles ist im Fluß

Der Sinn des Begriffs im Blog-Titel darf im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Situation des Berichtenden und seines Schiffs durchaus und in mehrerer Hinsicht wörtlich genommen werden. Die Tagesetappen werden aufgrund der höheren Fließgeschwindigeit der Donau in diesem wenig regulierten Abschnitt zwischen Obernzell und dem Slovakischen Komarno erheblich höher, was ich mit einem Blick auf meine Logge auch beweisen möchte. Sagenhafte 11 Knoten in der Strömung, die 11,1 lag nur so kurz an, dass ich sie photografisch nicht erwischt habe, erfreuen das Herz des Skippers natürlich sehr. Dieser Blog soll eher durch Bilder die Situation beschreiben. Aber der Reihe nach…

Wahnsinn -11 Knoten Fahrt!

Erfreulich war die Wetterbesserung, welche am Nationalfeiertag der Österreicher den Höhepunkt erreichte. Ich hatte in der Folge weiterhin immer wieder das Glück, dass sich die Schauer stets entschieden, meinen Fahrweg zu meiden. Das war allerdings heute leider nicht der Fall, konnte auch nicht, da es sich um eine ausgewachsene Kaltfront handelte, durch die ich hindurch musste. Das ging insgesamt besser, als ich vermutet habe. Eine dichte Regenjacke mit Kaputze über den zahlreichen Schalen meiner Kleidung, dicke Socken und Handschuhe ließen es nicht zum großen Drama kommen. Dennoch es ist unangenehm und anstrengend, insbesondere der starke, kalte Wind. Zum Auswärmen gibt es währende der Fahrt als Alleinunterhalter natürlich keine Zeit. Einen warmen Kaffee oder warme Würstchen mit Kartoffelsalat zuzubereiten, ist allemal drin bei meinem hervorragenden Autopiloten. Bei der ungeheuren Breite der Donau, man kommt sich vor wie auf dem Meer, hat man stets Zeit zum reagieren, zumal mich mein AIS über sämtlichen Schiffsbewegungen im Umkreis von bis zu 50 km auf dem laufenden hält. Das ist bei bis zu 50 km/h schnellen Schnellbooten manchmal durchaus überraschend, wo der Andere denn nun quasi aus dem Nichts herkommt. Aber auch bei den großen Passagierschiffen, die mit bis zu knapp 30 km/h unterwegs sein können, gibt es so manche Überraschung. Ansonsten habe ich zumindest nachts ein warmes Haus, denn die Heizung ist sehr effizient und verbraucht nur sehr wenig. Mein Optimismus steigt bezüglich der wirklich kalten Jahreszeit.

Schlögen – Eine perfekte Tankstelle mit Straßenpreisen inmitten einer athemberaubenden Landschaft
Riesige Kreuzfahrtschiffe in großer Zahl, die meinen Weg kreuzen
– manchmal auch im Doppelpack
Direkt hinter einer Schleuse grüßt eine Figur und eine Minikapelle – leider habe ich den Namen des Felsens und der Schleuse vergessen

Durch die großen Städte wie Linz, Wien und Bratislava bin ich „durchgerast“, um ein wenig der verloren gegangenen Zeit wieder zurückzugewinnen. Das hat ganz gut geklappt, denn ich konnte bei diszipliniertem frühmorgendlichen Aufstehen um 8:00 Uhr stets etwa um 9:15 Uhr die Leinen losmachen und den Gashebel umlegen. Das ermöglichte dann jeweils knapp 100 km am Tag, obwohl die Tage sehr kurz geworden sind. Ich habe meine Ziele stets zwischen 17:00 und 18:00 Uhr ohne Stress erreicht. Die Sonne verschwindet hier z.Zt. gegen 18:30 Uhr. Die große Unbekannte sind die Schleusen, die auf der Donau ganz der Optimierung der Burufsschiffahrt gewidmet sind. Da bleibt ein kleiner Sportbootfahrer mit mehr als einer Stunde Wartezeit schon mal auf der Strecke. Auch ist die Mehrheit der Schleusenwärter, insbesondere in Österreich, vergleichsweise barsch und belehrend zu den Skippern der unbedeutenden Schiffe. Das war auf dem MDK anders. Da die Schleusenkammern hier aber wegen der doppeltenn Breite etwa doppelt so viel Wasser befördern, ist der Zeitverlust aber auch physikalisch bedingt.

Wenn ich noch wüßte, wo das war…
… aber schön ist es allemal

Wien, vom Wasser her gesehen, hat mich sehr enttäuscht. Ein sehr breiter Fluss lässt von den Highlights dieser Großstadt kaum etwas erkennen. Bratislava hingegen strahlte irgendwie Jugendlichkeit und Innovation vom Wasser her aus. Auch die hinter der Stadt gelegene Marina bestach durch eine äußerst nette Wirtin, die mich auch sogleich beim Wirt der heutigen Marina telefonisch für heute ankündigte.

Wien, die Silhuette einer Größstadt
Dieser Felsen und die Burgruine markieren den Beginn der Slovakei
Das Schloss von Bratislava
Diese Brücke in Bratislava sieht aus wie ein UFO
… und auch die Ahnen haben ihre Denkmäler
… und auch die Kreuzfahrtschiffe bestimmen das Bild dieser lebendigen Stadt

Der heutige Tag war insofern ganz besonders, da es ziemlich kalt war und zunächst nieselte. Die Kaltfront mit extremen Niederschlag und Wind in Sturmstärke erwischte mich bei der Einfahrt in einer der Mamutschleusen, in der ich zusammen mit zwei anderen Schiffen Platz nehmen sollte. Im Donau-Reiseführer für Sportbootskipper wird auf die Gefahr hingewiesen, die insbesondere bei dieser Schleuse bei Wind mit mehr als 4 Beaufort auftreten kann: Es baut sich eine sehr steile und hohe Welle auf, die das Manövrieren vor und in der Schleusenkammer sehr kompliziert bis unmöglich werden lassen kann. Das hatte ich zwar vorher gelesen, aber was soll man angesichts fehlender Alternativen machen? Augen zu und durch war die Devise. Im ersten Anlauf konnte ich den Schwimmpoller auch nicht erreichen, da die Welle die Odd@Sea vor der Schleusenmauer wie verrückt tanzen ließ. Ein erneuter Anlauf, nun mit der Gewissheit, dass es sehr, sehr kompliziert werden würde, gelang dann mit höchster Konzentration sehr gut und die Schleusung verlief danach reibungslos. Aber, schaut einmal auf das Bild: Der Wind hatte so große Wellen aufgebaut, dass das Oberwasser über die Schleusenwand getragen wurde und in die Schleuse von oben einfloss. Ich stand direkt vor der Wand und bekam einen großen Teil des Wasserfalls auf und ins Schiff. Da Ganze begleitet von einem infernalischen Lärm, der durch die harten Wände der Schleuse noch verstärkt wurde. Da kann einem schon einmal das Herz in die Hose rutschen bei den Dimensionen!? Nach der Ausfahrt wurde jedenfalls erst einmal das Schiffsinnere trocken gelegt, denn die Gischt hatte den Salon einigermaßen gewässert.

Da kann einem die Angst kommen, wenn man an die Wassermassen dahinter denkt
Ungarn kommt am rechten Ufer recht militant daher

Alles was ich berichte, auch das unangenehme, bestätigt mich eindeutig in meiner Entscheidung für meinen eingeschlagenen Weg. Nicht die Probleme, sondern deren Lösung ist die Aufgabe, die mich reizt. Ich habe in meinem Leben unzählige Städte kennengelernt und bin eigentlich garnicht mehr so sehr daran interessiert noch weitere kennen zu lernen. Anders ist es mit den Erlebnissen: Ohne ein Wagnis einzugehen, kann man keine Abenteuer erleben. So würde ich das bezeichnen, was ich gerade mache. Das erfüllt mich voll und ganz und auch angesichts der großen Anstrengungen, die teilweise damit verbunden sind, ist es so erfreulich zu erkennen, dass mein Körper sich jede Nacht nach etwa 10 Stunden Schlaf wieder so regeneriert, dass ich mich an jedem Morgen stets wieder wie neu geboren fühle und der Dinge harre, die da kommen werden. Auch wenn ich, wie gestern in Bratislava, eine beginnende Erkältung befürchten musste und am Morgen nach einer Nacht in der Koje diese wie weggeblasen war.

Ich vergesse leider Vieles sehr schnell, was mich am Tag beeindruckt hat und ich mir für die Aufnahme in den Blog merken wollte. Ich bitte aber zu berücksichtigen, dass sich auch die beeindruckensten Erfahrungen auf einer solchen Fahrt in einer sehr rasanten Weise aneinander reihen und äußerst vielfältig sind. Man bräuchte eigentlich eine/n Protokollanten/in an Bord. Das ist leider nicht gegeben.

Morgen geht es bis kurz vor Budapest und ich werde die ungarische Gastflagge hissen. Bis dahin muß ich allerdings noch meine heutigen Erlebnisse im Schlaf verarbeiten.

2 Gedanken zu „27.10.2017 Panta Rhei – Alles ist im Fluß“

  1. Hallo Jürgen,

    mit großer Spannung verfolgen wir deine Berichte und freuen uns, dass es so gut bei dir läuft!
    Probleme sind ja dazu da konstruktiv gelöst zu werden; schön dass dir das so gut gelingt 😃
    Wir warten hier immer noch an der Südküste Kretas darauf dass du vorbei kommst (Spaß 😉)!
    Ende Oktober müssen wir aber zurück nach Köln, da wird es wohl nichts mit dem Zuwinken falls du die Südküste Kretas passierst! 😂
    Weiterhin eine gute Reise!
    Mast- und Schootbruch ⛵️
    Dietrich & Maggie

  2. Lieber Jürgen,
    Ein Treffen in Vukovar wird sich leider nicht realisieren lassen. Es gibt nur eine sechsstündige Busverbindung von Zagreb aus und das auch nur an ganz bestimmten Werktagen! Sieh zu, dass du schnell in wärmere Gefilde kommst! Lieben Gruß aus Zagreb. Gabi

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