4.12.2017 Nach ein paar Tagen „Urlaub“ geht es heftig weiter

Die in meinem letzten Beitrag erwähnte wetterbedingte Auszeit war eine zutreffende Vermutung. Nun ist das Schwarzmeer-Urlaubsparadies in dieser Jahreszeit fast menschenleer, wenn man von den Einwohnern einmal absieht. Der saisonbedingte Leerstand macht eine Stadt schon ganz schön trist. Es gibt viele Einrichtungen dort, die aber fast alle geschlossen sind. Auf meinen Stadtspaziergängen habe ich neben gut Hergerichtetem und Renauviertem aber auch viel Restaurationswürdiges gesehen, insbesondere bei der öffentlichen Infrastruktur. Meine Einkaufstouren waren bisher an allen Zielorten durch uns im Namen und den Angeboten  sehr gut bekannte Ladenketten wie Lidl u.ä. gekennzeichnet. Das macht den Einkauf sehr einfach, denn die Verpackungen unterscheiden sich nur durch die Sprache und nicht die Bebilderung. Man bekommt, bis auf gutes Schwarzbrot, alles, was wir auch in Deutschland bekommen. Ich habe dennoch lange damit zugebracht, einen Laden zu finden, bei dem ich eine schlichte 9V-Batterie für mein Messgerät kaufen kann. Erst ein sehr kleiner Elektronikladen, den man nur durch Glück finden kann, hatte für mich ein einziges Exemplar im Lager. Ohne jede Fremdsprachenkenntnis konnte dabei nur durch einen direkten Blick in die „Schatzkammer“ der netten Ladenbesitzerin, mein Problem gelöst werden, wobei ich den Eindruck hatte, dass sie dieses Teil garnicht zuordnen konnte. Der Preis stimmte jedenfalls und ich bin nach langem Suchen endlich wieder voll ausgestattet.

Aber auch mit diesen Ausflügen kam natürlich Langeweile auf. Neben der unentbehrlichen Musik waren dann eben das tägliche Kochen und der Wein oder das Bierchen am Abend die Highlights des Tages. Der Hafenmeister empfahl mir dann auch aus verständlichen Günden die Abfahrt nicht, als sich aus meiner Sicht am 3. Dezember ein Wetterfenster zeigte. Beide hatten wir irgendwie Recht mit unseren Einschätzungen. Der Morgen ließ bei dem vorhergesagten schwachen Südwind eine schnelle Passage nach Nessebar zu, welche mit 77 km unter Motor (gegen den Wind) machbar in der Tageslichtzeit erschien. Also stand ich im Dunkeln auf, um spätestens um 8:00 Uhr auf dem Wasser zu sein. Meine Vermutung wurde zunächst bestätigt, denn ich kam mit den typischen 6,3 Knoten gut voran bei Sonnenschein und wenig Welle. Also etwas für die Seele. Um Punkt 12:00 Uhr (OWZ) schaltete dann, wie eigentlich jeden Tag auf dem Schwarzen Meer, eine unbekannte Naturgewalt den Bläser an. Aber wie! Und alles aus Süd! Zuerst ging die Fahrt in die Knie, bis teilweise unter 4 Knoten, dann kam eine kurze, steile und chaotische Welle hinzu, die durch lange Wellen überlagert wurde und das Ganze ziemlich unerträglich machte. Das war aber nicht der Grund meiner Nevosität, ich habe mich an diese Seeverhältnisse gut gewöhnt, sondern die Erwartung, dass ich mit der erreichbaren Geschwindigkeit am Zielort erst weit nach Sonnenuntergang in einen möglicherweise unbeleuchteten und mir völlig unbekannten Hafen einlaufen würde. Die Seekarten helfen dabei wenig, denn die Häfen sind ständig im Umbau. So war es dann auch in voller Ausprägung. Man suche in einem großen Hafenbecken nach einem geeigneten Liegeplatz und kann nichts sehen. Hier zeigt sich allerdings, dass es doch immer einen Hafenmeister mit ein oder zwei Mann in dieser Region gibt, der trotz verschwindend geringen Verkehrs stets auf rote und grüne Lichter (die nachts vorgeschriebenen Navigationslichter) in der Hafeneinfahrt achtet. Mein Anleger wurde sofort assistiert und mir nach dieser Aktion auch noch ein anderer Platz ausdrücklich empfohlen, wobei bei dem Wechselmanover wieder alle Mann mithalfen. Ich war in Nessebar angekommen und war ziemlich fertig auf der Bereifung nach einem körperlich und mental (s. o.) sehr anstrengendem Törn. Der Blick ins Internet ließ für den kommenden Tag besseres Wetter erwarten. Der Anschlußtörn zum Ort des Ausklarierens aus Bulgarien, Tzarevo, war also für den nächsten Tag gesetzt und ich fiel im Tiefschaf.

Der Tag wurde übrigens noch durch die Erkenntnis etwas belastet, dass meine Gasflasche, die ich jeden Tag mehrmals einsetze, irgendwann einmal leer ist. Dumm gelaufen ist dabei allerdings, dass ich zwar für diesen Fall stets eine kleinere Flasche parat habe, um jederzeit die Kombüse zu versorgen, diese in Eforie Nord gekaufte Flasche aber trotz ihrer Verplombung schlicht leer war. Schwund ist immer, sagte einmal mein Lehrmeister zu mir. Das warme Abendessen mußte also auch noch ausfallen. Meine Hoffnung, meine Gasvorrat wieder auffüllen zu können, konzentrierte sich nun auf den nächsten Hafen.

Dieses Mal war die Abfahrt zwar entspannter, es war erstmalig eine Winddrehung mit nunmehr leichtem Rückenwind angesagt, aber dennoch früh nach der Erfahrung des Vortags. Das war wieder eine Fehleinschätzung. Die ca. 50 km gingen so schnell, leicht und mit außerordentlich viel Spaß über die Bühne. Bereits um 14:00 Uhr war ich sicher im Hafen in römisch-katholisch angebunden. Was macht daran so viel Spass, wenn nicht einmal die Sonne scheint. Das ist einfach: Das Thermometer zeigt hier hohe zweisteiige Werte an und der Wind ist eher warm und ich habe die voll gefahrene Genua vor Augen, die wieder als Stützsegel zum Einsatz kam, denn der Wind hätte für den Segelmodus zu wenig Kraft und konnte den ständigen Fahrtverlust durch die teilweise hohen Wellen aber etwas mehr als kompensieren. Und die vielen Delfine, die mich ständig begleitet haben. Ein wunderbares Erlebnis, welches ich bisher nur aus der Biskaya kenne. Hier angekommen, konnte ich meine Gasflasche bei einem Gashändler wieder auffüllen lassen. Es gab ein Festmal zum Abend.

Für morgen sind ähnliche Verhältnisse vorausgesagt und ich habe die Fahrt zum Einklarierungshafen Kiyiköy geplant. Es heißt dabei, dass ich dennoch sehr früh abfahren muß, denn der Weg ist wesentlich länger als der letzte. Mich erwarten sieben bis acht Stunden auf dem Wasser, wenn alles so läuft wie heute. Leider sehen die Verhältnisse für Übermorgen (noch, ich bin Optimist) nicht so überzeugend aus, sodaß ich noch nicht absehen kann, ob ich übermorgen bereits in den Bosporus einfahren kann.

Schaun mer mal.

2 Gedanken zu „4.12.2017 Nach ein paar Tagen „Urlaub“ geht es heftig weiter“

  1. …gefällt mir sehr gut. Besonders der Aufbau dieser Berichte.
    Wir wünschen: immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel.
    Peter Heycke
    (der Vater von Hafenmeister Robert Heycke)
    Ehrenvorsitzender des Lübecker Kanu- und Segelsportvereins

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