5.12.2019 Mein Standort bis zum Jahresende ist nun Les Sables d´Olonne

Mit etwa 8 Stunden Verspätung gegenüber meiner Planung bin ich heute nun am Standort der Alubat-Werft um etwa 4 Uhr morgens angekommen. Für die Fahrt, die eigentlich ein Eintagestrip mit einer vollständig durchfahrenen und etwa 2 weiteren Stunden Nachtfahrt am nächsten Tag erledigt sein sollte, ist nun eine veritable Zweinächtereise geworden. Das war nicht vorgesehen und für mich äußerst ärgerlich, da ich, was Pünktlichkeit angeht, sehr kleinlich mit mir selber bin. Aber dieses Missgeschick hatte Gründe, die einmal mehr in der Wetterentwicklung lagen. Aber zuvor möchte ich chronologisch über ein „Unverhofft-kommt-oft-Ereignis“ vom Vorabend berichten.

Gerade wollte ich mein Abendbrot zubereiten, als an meiner Kajüte geklopft wird. Draußen stehen zwei Berliner, die mich unschwer an dem Zulassungsort der Odd@Sea am Heckspiegel als Berliner erkennen konnten. Deren Anfrage betraf deren Lust an einem oder zwei Bierchen im Kreise diese besonderen Hauptstädter. Da konnte und wollte ich nicht die gemeinsame Show vermasseln und setzte das Abendbrot schlich einmal aus. Was sich jedoch erst bei der Umsetzung des Vorhabens herausstellte war, dass der jüngere der beiden ein Vereinskamerad der nächsten Generation der Berliner Akaflieger nach mir war. Natürlich ging es sofort um Namen und deren Geschichte und es wurde deutlich, dass wir uns zwar nie persönlich kennen gelernt haben, jedoch eine riesige Menschenmenge gemeinsam kennen mit deren Stärken und Schwächen. Es tat mir ein wenig leid, dass der dritte Mann am Tisch da nicht mitmachen konnte und ein wenig vernachlässigt wurde. Die starke Extrovertiertheit des Jüngeren ließ da keinen Spielraum, auch wenn es mir persönlich auch sehr gefallen hätte, einen mir Unbekannten kennenlernen zu dürfen.

Die Abfahrt am nächsten Morgen war für den Zeitpunkt des höchsten Wasserstandes um etwa 10:00 Uhr geplant, da die einsetzende Ebbe dann für ein wenig Rückenströmung in der Rade von Brest sorgt. Ich stand also kurz davor an der Tankstelle und füllte für alle Fälle den Tank voll mit Diesel. Die Rückenströmung war wie der Wind erst einmal schwach und ich musste bis zum Point du Raz, dem nördlichen Ausgang der Biskaya, zunächst den Motor bemühen, um die Segel zu unterstützen. Danach kam der Wind zunächst aus der erwarteten Richtung, in der ich, hoch am Wind fahrend, geradeaus zum Ziel gelangen wollte. Er wurde mit zunehmender Strecke zwar stärker, sodass ich die mechanische Hilfe nicht ehr benötigte, jedoch zwang er mich infolge Drehung, immer mehr in Richtung Süden sehr hoch am Wind zu fahren. Das macht mein Schiff nicht gerade schnell. Eine Zeitlang kam ich so zumindest einmal nach Süden. Die Ostkomponente wollte ich mir dann später durch eine Wende auf den anderen Bug holen. So gut die Planung. Ohne Motorhilfe kam ich nicht einmal an die 4 Knoten Fahrt heran. Also mit vollen Segeln mit Hilfe des Motors einen Knoten hinzuaddiert. Was nicht angesagt war, dass der Wind sehr schnell bis auf 25 Knoten stärker wurde. Das ging so schnell, dass ich den Zeitpunkt zum Reffen schlicht verpennt hatte und zur Strafe dann mit der Hand etliche Stunden bei geringer Geschwindigkeit das Schiff mit Kampf am Wind halten musste. So kam ich nach vielen Stunden in einem Bereich der Biskaya an, die eigentlich den Fernfahrern unter den Seglern vorbehalten ist. Es wurde also Zeit mit einer Wende auf den anderen Bug wieder ein Stück zurück zur Küste zu kommen. Das gelang dann überhaupt nicht, denn der Wind war urplötzlich weg. Der Motor musste wieder übernehmen. Nach einigen Stunden baute er sich aber wieder auf und erlaubte mir einige Stunden direkt in Richtung Ziel zu fahren. Es ging sogar etwas schneller, da ich nicht ganz so hoch am Wind fahren musste wie zuvor. Ich dachte nun, der Tag sei geritzt. Aber ich hatte falsch vermutet. Der Wind drehte immer weiter in die Richtung in der ich zuvor auf dem anderen Bug gefahren war. Ich fühlte mich wie ein Spielball im Wind. Das ließ ich dann nicht noch einmal zu schaltete wieder den Motor ein und kämpfte mit diesem gegen den Wind direkt zum Zielort.

Nun muss ich dazu sagen, dass ich seit dem genannten Kap am Anfang der Fahrt in einer Biskaya gefahren bin, die ich so noch nicht kannte. Drei Mal habe ich sie nun bereits gequert und immer in einer Verfassung, die einem Segler auf dem Wannsee zufrieden gestellt hätte. Hier gab es jetzt keine wirkliche strukturierte Welle, sondern nur Chaos aus dem unerwarteten Nichts. Es schlug mich ständig von den Beinen. Vor Allem, wenn ich kurz unter Deck war. An Essen oder Trinken war dabei nicht zu denken. Es war das Schlimmste, was ich bisher erlebt habe. Es galt nur, was einen Beginn ha, hat auch ein Ende. Scheinbar allerdings nicht an diesen beiden Tagen. Das Resultat war, dass mir mein Magen die rote Karte gezeigt und sich auf rückwärtigem Kurs entleert hat. Danach musste ich mich ständig in der Koje auf den Rücken legen und die Augen schließen. Das half sehr gut gegen das Unwohlsein. Jeder Kräfte zehrende Aktivität verursachte dann allerdings das Gegenteil. An beiden Tagen habe ich nichts gegessen und auch nichts getrunken, da ich nichts aufnehmen konnte. Die Voraussetzung dafür war natürlich, daß ich das Schiff so trimmen mußte, dass der Autopilot es ohne Probleme steuern konnte. Der verrichtete seinen Dienst dann übrigens ohne Klagen und immer tadellos.

Außerdem war es die ganze Zeit über empfindlich kalt. Ohne meine russische Militärausstattung wäre es wirklich kritisch geworden, da Kälte die Lebensgeister zu vertreiben scheint. Für mich war der Rest der Fahrt nur noch Überleben. So kam es dann nach dem riesigen Umweg zu der fast kompletten zweiten Nacht auf See. Ich war um 4 Uhr in Les Sables D´Olonne am Ziel und war fix und alle. Da am Gästesteg in dieser Marina keinen Strom gab, habe ich kurz meine Ölheizung eingeschaltet und bin dann zu einem wirklich erholsamen Schlaf ohne Heizung in die Koje gekrochen. Was der schiere Wille so zustande bringen kann!

Nach der Anmeldung hat man mir einen sehr schönen Liegeplatz inmitten der großen liegenden Flotte gegeben. Leider gibt es auch hier wie auch am Gaststeg kein nutzbares WLAN, sodaß ich nur mit meinem WLAN-Stick kostenpflichtig Kontakte nach außen herstellen kann. Ich bin aber per Handy immer erreichbar. Ich bitte um Verständnis.

Ich habe übrigens dreiviertel meines Tankinhaltes für dieses Erlebnis verbraucht. Schade für die Umwelt, aber die wollte es ja nicht anders an diesen beiden Tagen.

So weit, so überwiegend unerfreulich! Das ganze Gegenteil war dann das Hafenpersonal und meine Korrespondenz mit Alubat, deren Außendienstmitarbeiter zurzeit auf einer Bootsmesse in Paris weilt, aber wahrscheinlich am Samstag zu einer ersten Sichtung der Schäden an Bord kommen wird. Ich bin gespannt, aber auch zuversichtlich, insbesondere nach meinen Erlebnissen der letzten Tage.

Es wird mir keiner glauben, aber das war es „in aller Kürze“. Über die Gefühle bei einem solchen Abenteuer kann nur ein geübter Schriftsteller Auskunft geben. Und der unterrichtet vollständig, also auf viel mehr Seiten Papier.

P.S.: Lieber Jörg, ich danke Dir einmal an dieser Stelle für Deine treue, zuverlässige und fachkundige und z.T. auch auf hohem Niveau antizipatorische Hilfe in jeder Situation und zu jeder Zeit. Diese hilft mir sowohl fachlich als auch seelisch, denn da ist ein außerordentlich zuverlässiger Mensch, der sich kümmert. Danke.

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