6.11.2017 Jetzt langt es langsam mit dem harten, böigen Ostwind von den Karpaten

Von meinem letzten Ankerplatz etwa 2 km vor Donja Vinca, der mir eine wirklich ruhige Nacht brachte, fuhr ich mit Zwischenstop in Smederovo zu einem mir als empfehlenswert genannten Ankersee in Kostalac. In Smederovo wollte und habe ich an einem geschlossenen Restaurantanleger (davon gibt es unzählige an der Donau) angelegt, der nur etwa 300 m von einer Tankstelle entfern ist. So bin ich mit meinen zwei 20 l Kanistern, auf meinen Hackenporsche geschnallt, drei Mal zur Tankstelle gelaufen, habe dort getankt, die vollen Kanister wieder zum Schiff gebracht und in den Tank gefüllt. Das war anstrengend und hat mich, inklusive An- und Ablegen, etwa zwei Stunden beschäftigt. Allerdings wurde ich wieder von der guten Seite der Menschen überzeugt: Mein zunächst unsicheres Suchen nach einem Anlegeplatz wurde von einem Serben, der an seinem Boot arbeitete, gesehen. Dieser winkte mich zu sich, stieg bei mir kurz ein und führte mich zu dem erwähnten, nicht benutzten Restaurantschiff. Danach half er mir noch dabei, den Weg zur Tankstelle zu finden. Ich hatte mit einer solchen Hilfsbereitschaft nicht gerechnet.

Der Himmel blau, die Sonne scheint, aber Vorsicht, die lage ist trügerisch – Es herrscht Sturm, wenn man sich nicht in einer Abschattung einen geschützten Ankerplatz gesucht hat

Schon bei dieser Fahrt war der kalte Karpatenwind zu spüren, der meine Fahrt deutlich verlangsamte (ca. 5 kt) und zugleich eine starke Welle produzierte. Es baute sich zum Teil eine 1,5 m hohe kurze und steile, sogenannte „Hackwelle“ auf, wie ich sie so oft auf der Ostsee gehabt hatte. Die Odd@Sea stampfte und taumelte wie verrückt und ich war froh, dass ich den empfohlenen See, der einen Seitenarm der Donau darstellt, überhaupt noch vor Sonnenuntergang erreichen konnte. Die Zufahrt war zwar ruhig und sehr idyllisch mit den vielen am Wasser bebauten Häusern und den Booten davor, der See allerdings wurde dominiert von einer riesigen Industrieanlage und war nicht so toll. Die Übenachtung dort war eher unruhig, obwohl der Wind in der Nacht nichts von seiner Intensität und Böigkeit verloren hat. Nur der Abschirmungseffekt und die fehlende Strömung machten die Nacht erträglich.

Ein gut geschützter Ankerplatz – leider stört die riesige Industrieanlage

Am nächsten Tag sollte dann der Wind weiter zunehmen und auf der Fahrt nach Kostalac, wo ich nun endlich einmal Lebensmittel einkaufen wollte, war dann die Hölle los. Bei jedem Stampfen der Odd@Sea kam kalte Gischt über das gesamte Schiff und seinen Steuermann. Das starke Rollen machte jeden Gang an Bord unmöglich. Da verflucht man doch schon einmal sein Dasein. Die Donau ist in diesem Bereich mindestens 2 und bis zu 5 km breit, die Strömung deshalb eher schwach und dann der Wind von vorne in Sturmstärke. Mehr als 5 Knoten waren da nicht mehr drin. Ich fühlte mich an einige Tage auf See erinnert und war froh, dass am Abend ein Hafen warten würde. Dem war dann aber nicht so, denn der avisierte Hafen war viel zu klein für mein Schiff und das Ufer dieses Ortes liegt in Windrichtung. Dort lag die volle Welle an der Pier. Ein kurzer Versuch, vor dem Hafen zu Ankern, zeigte mir sofort, dass ich diese Nacht dort nicht überleben würde. Ich konnte die Unordnung unten im Salon bereits erahnen, als ich das heftige Gepolter hörte. Also startete ich den Weg zurück, da ich vor etwa 4 km eine Insel passiert hatte, die ein Lee gegenüber dem Wind aufbaute. Heute liege ich also zwar immer noch in stürmischer Umgebung, aber die Schaukelei hält sich etwas in Grenzen. Bei normalen Windbedingungen wäre hier sicherlich ein idealer Ankerplatz. Nun muss ich aber dringend einen Ort finden, wo ich meine Lebensmittelvorräte auffüllen kann, denn ich bin nach mehreren Fehleinschätzungen der Anlegesituationen an den eigentlich geeigneten Orten fast vollständig ausgebrannt.

Den Eingang zum eisernen Tor konnte ich immerhin schon aus der Ferne sehen

Über einen bösen technischen Defekt zu dem denkbar schlechtesten Zeitpunkt muß ich berichten. Als ich vor Kostalac den Anker wieder heben wollte, versagte meine Ankerwinde ihren Dienst kurz vor der automatschen Verstauung des Ankers. Bei einem Wellengang, der eine sichere Bewegung an Deck nicht geraten erschien ließ, habe ich meinen Versuch der manuellen Verstauung aus Sicherheitsgründen wieder abgebrochen und bin zu meinem heutigen Ankerplatz mit bis kurz über der Wasseroberfläche hängendem Anker gefahren. Sorge machte mir das, da der Anker ab und zu, wenn der Bug in eine Welle eintauchte, gegen den Schiffsrumpf schlug. Letztlich hat es keine Schramme oder Beule gegeben und ich konnte nach Ankunft im ruhigeren Gewässer den Fehler leicht beheben. In der wasserdichten Fernbedienung war die Membran zur Bedienung eines Mikroschalters zu steif geworden. Ein kleines Stückchen Plastikfolie hat das Problem letztlich gelöst. Wie schön.

Wenn ich wüßte, wann dieser Sturm, der mich eigentlich bereits seit Budapest belästigt und mir meine Flagge geraubt hatte, nun endlich einmal sein unnützes Tun aufgeben wird, wäre ich sehr dankbar. Die Wegplanung wird sehr schwierig, wenn man nicht die wenigen vorhandenen Anlegepunkte nutzen kann, weil dort der Wind ein Anlegen verhindet. Morgen werde ich durch das „Eiserne Tor“ fahren, welches der Donau den Durchfluß durch die Karpaten ermöglicht. Es soll atemberaubend sein, durch diese enge Schlucht zu fahren. Mich interessiert jedoch im Moment mehr, wie sich der Wind dahinter verhält. Ich verspüre den dringenden Bedarf für eine ruhigere Fahrt.

Beim Ankern muss man sich ohnehin einen geeigneten Plaz suchen, was eigentlich fast immer gelingen sollte. Bei einem Stromanleger ist dieser entweder geeignet oder der Sturm verhindert dieses. Das Einkaufen ohne einen Anleger ist aber kaum möglich, da man beim Ankern für den Landgang ein Dinghy braucht, welches starkwind und -wellentauglich ist. Wer hat denn soetwas?

Im Übrigen schreibe ich jetzt meinen dritten Blogbeitrag, den ich mangels Verfügbarkeit eines Netzes nicht ins Netz stellen kann. Das tut mir Leid, ist aber leider in Serbien so. In zwei Tagen sollte ich aber in Bulgarien sein, welches zur EU gehört und daher besser aufgestellt ist. Morgen versuche ich es nach Prza Palanka, wo ein Anleger sein soll und gleich daneben ein Supermarkt. Den Tag darauf sollte ich bereits wieder das Land der Stürme verlassen haben.

Ich bemerke gerade, jetzt ist 18:00 Uhr, dass der Sturm an meinem Ankerplatz noch einmal kräftig zugelegt hat. Es schaukelt gewaltig und der Wind und mein Windgenerator, der eigentlich bei Motorfahrt garnicht gebraucht wird, heulen laut. Für die Nacht hilft jetz nur noch Vertrauen darauf, dass der Anker hält. Ich bin da guter Dinge. Schaun mer mal.

Nun bin ich drin, in den Karpaten und habe zudem die Marke erreicht, bei der die angezeigten Flußkilometer nur noch dreistellig sind. Darauf habe ich eben ein Budweiser getrunken. Zieht man die Abkürzung nach Konstanta ins Kalkül, dann verbleiben nur noch 750 km bis zum Meer. Nur noch einmal Zollkontrolle und zwei Schleusen – und das war es dann. Hoffentlich klappt alles.

Der Anker hielt und ich bin heute (7.11.2017) durch den ersten Teil des eisernen Tors bei unterirdischen Bedingungen gefahren. Auf der Ostsee wäre ich bei diesen Bedingungen wahrscheinlich nicht gefahren. Ich kann nur sagen, dass das Erlebnis, durch Europas größte und tiefste Schlucht zu fahren, trotzdem unbeschreiblich ist. Ein paar Bilder habe ich für den nächsten Blog vorgesehen. Ich habe die arme Odd@Sea durch die Schlucht regelrecht gepeitscht und selber dabei aufgrund der Wetterlage sehr gelitten. Das Motto dabei: Was mich nicht umbringt, macht mir nur noch härter! Es tobt immer noch der Oststurm, der durch die Schlucht kanalisiert und daher immer von vorne kam. Ich kam teilweise nicht einmal mit 5 kt voran und die Wellen hoch, kurz und hart.

Heute bin ich in Donji Milanovac plangemäß angekommen und habe an dem offiziellen Ponton angelegt, um Lebensmittel einzukaufen und in einem netten Internetcafe nun endlich meine Beiträge abzuschicken. Ich werde morgen versuchen nach Kladovo fahren und da auch wieder an einem Anlager zu übernachten.

Ich bitte um Verständnis für die chaotische Sequenz, mit der ich zeitlich und inhaltlich berichte. Die Gründe dafür sind natürlich immer dieselben.

2 Gedanken zu „6.11.2017 Jetzt langt es langsam mit dem harten, böigen Ostwind von den Karpaten“

  1. Lieber Jürgen!

    Mit grosser Freude verfolgen wir Deine Berichte und Eindrücke! Mit intensiver Neugier begleiten wir Dich die Donau zu Tal. Unbekanntes Gebiet, nur durch diverse Reiseberichte zu Berg und Tal irgendwie präsent.
    Leider haben mich starke Rückenschmerzen erst mal lahmgelegt. Morgen früh gehts zum Orthopäden.
    Um so schöner ist es ein bisschen Zeit zu haben Dich, und einige anderen Seelenverwandten auf ihrem Weg zu begleiten!
    Gerade hat Regine Crespelle di Spinaci bereitet. Mit einem Glas Rioja, ein Dankeschön von Clubkameraden vom WYC, für das Ausleihen von Reisehandbüchern, geniessen wir Deinen Beitrag über die Talfahrt auf der Donau durch den östlichen Teil Europas. Um es, angelehnt an John F. Kennidys Worte zumformuliern: Wie sind „Frankfurter Europäer“ !
    Und Du bist einer unserer Botschafter! Vielen Dank dafür!
    LG und weiterhin gute Reisse!!

    Stefan + Regine, MY Nautic, WYC

  2. Lieber Jürgen, das ist ja riesig spannend, was Du da alles berichtest. Wie war denn nun das Einklarieren und wie kommst Du zu einer neuen Flagge?
    Bei uns werden die Temperaturen jetzt immer tiefer und ich denke oft daran, wie Du damit dort umgehen wirst.
    Also, alles Liebe für Dich und viele Grüße
    Brigitta

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