Früh nach Sonnenaufgang begab ich mich bei mittleren südlichen (also Gegen-) Winden und wenig Welle dann endlich richtig in den Kanal, der die beiden Meere verbindet. Es war in jeder Hinsicht unbeschreiblich. Ich möchte aber dennoch ein paar dürre Worte darüber verlieren. Mit richtig funktionierendem AIS konnte ich nun die Anzahl der wartenden Schiffe auf dem Meer erkennen, wie auf dem Bild für jederman sichtbar ist. Zunächst etwas Nautisches: Meine Erwartungen hinsichtlich der Rückenströmung wurden vollständig enttäuscht. Diese war entweder nicht vorhanden, oder wurde durch den Gegenwind mehr als kompensiert. Aus den erwarteten mindestens 10 Knoten blieben teilweise nur 4 Knoten übrig. Im Mittel erreichte ich nicht einmal die Geschwindigkeit bei Windstille und ruhigem Wasser.
Das hat aber meiner Bewunderung für die fantastisch Kulisse keinen Abbruch gemacht, denn so konnte ich die ständig neuen Eindrücke sehr viel intensiver wahrnehmen. Das bleibt allerdings hier unbeschrieben, denn ich bin kein Buchautor. Mit der Kamera in der Hand ließ ich den Autopiloten freie Hand, was dieser mit Zuversicht und Präzision auch dankend annahm und mir damit auch zu einem unglaublich schönen Gesamterlebnis verhalf. Ich habe nur eine kleine Auswahl der vielen Fotos in diesem Beitrag verwendet.

… und nach der Ausfahrt vorbei an den Küstenfelsen
Was ist so besonders an dieser Wasserstraße? Natürlich die extrem große Anzahl von extrem großen Seeschiffen, die hier in einer langen Reihe hintereinander (bis auf einige türkische) her fahren. Rowdies gibt es auch zu Wasser. Dazwischen tummeln sich unzählige Fähren verschiedener Größen, die alle das Wasser gepachtet zu haben scheinen. Dann gibt es große bis sehr kleine Fischerboote, die mehr oder weniger am Rand des Fahrwassers stehen. Jedenfalls herrscht auch an diesem gar nicht einmal vom Wetter gesegneten Tag ein ausserordentliches Wirrwar auf dem Wasser, wobei jedoch die Dimensionen der Wasserfläche keine Hektik aufkommen lassen.




Der gesamte Verlauf ist an den Ufern fast vollständig bebaut, mit unglaublich prächtigen Villen und einfachen Häusern, die teilweise wie an die felsigen Wände geklebt erscheinen. Man kann fast überall am Ufer anlanden, da überall dazu geeignete Molen mit Festmachern vorhanden sind. Ein Paradies für Sportbootfahrer. Das Ufer schien auch an diesem Wochentag vollständig gesäumt von Anglern, jedenfalls wo immer es geht. Man unterfährt vier unglaublich hohe Brücken und etliche Starkstromleitungen, deren Länge und damit auch der Durchhang unglaublich ist. Ich habe soetwas noch nie gesehen. Außerdem fallen die etwa in einem mittleren Abstand von 500 m überall beidseitig entlang des Bosporus stehenden überdimensionalen Landesflaggen auf. Nähert man sich Istanbul, so sieht man als erstes die Skyline, bevor dann so langsam diese große Stadt in Ihrer Pracht sichtbar wird. Ich habe gleich drei leicht unterschiedliche Gebäudekomplexe gesehen, die alle wie die Hagia Sophia aussehen. Welche das Original ist, konnte ich mangels Literatur und persönlicher Kapazität an Bord als Einhandfahrer nicht herausfinden. Der europäische Teil der Stadt scheint mir aus der Wasserperspektive heraus deutlich weltstädtischer als der asiatische zu sein. In jedem Fall berifft dieses die Skyline, die ganz großen kirchlichen Gebäudekomplexe und historische Festungsanlagen.





















Breits einige Kilometer vor der Ausfahrt wurde dann der Bosporus durch starke Gegenwinde vom Marmarameer her bestimmt. Es bauten sich leider enorm steile und hohe Wellen auf und das freihändige Fotografieren wurde halsbrecherisch. Die kleineren Motorboote waren dem Kentern nahe und verschwanden zusehens von der Bildfläche. Die Odd@sea kämfte sich tapfer durch die Wellen und nahm dabei keine Rücksicht auf ihren Skipper, dem aber bei dieser Gelegenheit wieder einmal die Richtigkeit seiner Entscheidung für dieses Schiff bewußt wurde. Am Ausgang des Bosporus erwartete mich auf dem Weg zur Einklarierungsmarina einer der größten Seeschiffsparkplätze der Welt, die auch bei diesem Seegang gehörig um ihre Anker schwojten und durch den ich slalomfahrend hindurch mußte. Darunter waren Schrottschiffe genauso wie im Betrieb befindliche und auch ein abgesoffener Frachter, von dem nur nach das Deckshaus und der Bugmast aus dem Wasser ragen. Wer Lust hat die Schiffe zu zählen, sei auf das beigefügte AIS-Bild verwiesen. Der Anblick dieses Feldes war jedenfalls sehr beeindruckend. Die zum Teil schräge Wasserlinie auf den Fotos rührt daher, dass der Fotograph bei der Fahrturbulenz nicht immer einen sicheren Stand hatte.



Beeindruckend war auch der Preis, den ich für den Liegetag in der Marina (102 €) sowie die Durchfahrt durch den Bosporus inklusive der Kosten für die Einschaltung eines Agenten für eine flüssige Administration der Abfertigung (450 €) bezahlen mußte. Die riesige Marina ist allerdings auch technisch vom Feinsten und auch die Unterstützung durch das Personal stimmt. Egal, diese „once in a liefetime experience“, die immerhin knapp 4 Stunden gedauert hat, ist es aus meiner Sicht wert. Ich habe dabei immer daran denken müssen, dass ich das Gesamterlebnis „Bosporus“ leider nur alleine erleben durfte, obwohl mein Schiff Kapazitäten (fast) ohne Ende hat.
Morgen beginnt ein Fahrtabschnitt entlang der nördlichen Küste des Mamarameers über zwei Häfen und anschließend durch die Dardanellen zu einem weiteren Hafen, der mich zum letzten türkischen und damit Ausklarierungshafen bringt. Dann wäre die Aegäis und damit die EU und der Sprung nach Athen zu einem Zeitpunkt erreichbar, zu dem ich meinen geplanten Flug nach Hamburg Ende des Jahres gebucht habe. Das Wetter muß allerdings noch gehörig mitspielen.
Zuletzt noch eine Bemerkung in redaktioneller Hinsicht: Meine Blauäugigkeit im Umgang mit diesem Kommunkationsmittel ließen mich annehmen, dass ein Kommentar ebenfalls nach Eingabe automatich veröffentlicht wird. Ich mußte lernen, dass dieses nicht der Fall ist und entschuldige mich bei den Betroffenen vielmals, die ihre Kommentare in dieser Weise gewürdigt wissen möchten. Ich habe soeben sämtliche Kommentare freigegeben und hoffe, dass ich durch meine Nachlässigkeit niemanden verletzt habe.
Lieber Jürgen,
vielfach beim Lesen habe ich gedacht, dass ich dich gerne dabei wäre. Aber dann hättest du den Flieger nach Hamburg vermutlich nicht bekommen, da ich mehr der Dinge hätte sehen wollen, die du am Wegesrand hast liegen lassen. Wie kann man an Istanbul vorbei fahren, ohne anzuhalten. Alleine hat den Vorteil, dass mann auch alleine entscheiden kann. Und ich war auch hie und da schon Bange beim Lesen, und trotzdem finde ich es super aufregend und wäre hie und da gerne an deiner Seite.
Ich hoffe, es wird sich noch ergeben können.
Also herzlichen Dank, für deine tolle Reiseschilderung! Wie sehen denn die mittelfristigen Pläne aus, das wäre ja wichtig zu wissen, um die Gelegenheit des Mitfahrens überhaupt möglich zu machen.
Beste Grüße Susanne aus dem feuchten und kalten Berlin
Das zweite Foto ist wohl die Süleymaniye Moschee.
Viel Spaß weiterhin.
das erste ist die Hagia Sophia, das zweite die Sultan Ahmed Moschee
Lieber Jürgen,
herzlichen Glückwunsch für die sichere Bewältigung dieser riesigen Strecke trotz aller Widrigkeiten und Problemen!
Weiterhin „Gute Fahrt“ wünscht die Crew des Goldzahn aus Wiesbaden-Schierstein, wo heute heftig Schnee gefallen ist.
Wunderbar !
immerhin bist Du nun schon in den etwas wärmeren Gefilden.
weiterhin gute Fahrt !
Den Schiffsfriedhof kenne ich schon seit 40 Jahren, da hat sich nichts geändert…