8.11.2017 Regen und Nebel, aber dennoch unglaublich beeinduckend

Dieser Blog beschreibt den Streckenabschnitt von der Ankerung im Windschutz einer Insel im Silbersee über den öffentlichen Anlegeponton bei Donji Milanovac bis zu einem weiteren öffentlichen Ponton heute Abend in Kladovo…

Von der Ferne sah ich beim erneuten Vorbeifahren noch einmal meinen ursprüngich geplanten Halteort Golubac, der durch die heftigen Winde gestern nicht verfügbar wurde. So nahm ich bei noch übleren Böen und aufgewühlter See direkten Kurs auf die Einfahrt zum Eisernen Tor, einem Streckenabschnitt der einen nur in Staunen versetzen kann, wegen der unglaublichen Landschaft. Der böige Wind hatte natürlich auch in der Schlucht nicht nachgelassen, es kam jetzt noch Diesigkeit und streckenweise Regen hinzu, wie man auf den Bildern auch gut sehen kann.

Nun ging die Einfahrt in dir Schlucht los
Leider war die Sicht etwas beschränkt

Ich fühlte mich wie der erste Mensch, der sich in diese Gegend hineintraut, da sowohl das Wetter wie auch die Enge der Schlucht eine gewaltige Wirkung auf mich hatte. Schade, dass ich derartige Momente nur alleine erleben kann. Ich wünschte jeden, daß er auch einmal diese Erfahrung machen kann. Es handelt sich beim Eisernen Tor, ich erwähnte es bereits, um die größte und tiefste europäische Schlucht, die den Konkurrenten in anderen Erdteilen durchaus das Wasser bieten kann. Es schaudert einen durch die gewaltige Größe, die (relative) Enge und Höhe, aber zugleich ist es unbeschreiblich schön. Die Bilder werden einen kleinen Eindruck geben können, obwohl ich wegen des Wetters ganz schlechte Voraussetzungen für gute Fotos hatte. Als Alleinfahrer ist man ziemlich eingeschränkt in seinen Mitteln. Ich ärgere mich ein wenig, dass ich die Trajanische Tafel als Fotoobjekt nicht erwischt habe. Ich habe das großes Rechteck auf Wasserhöhe zwar aus geringer Entfernung gesehen, aber ich hielt es für einen zerstörten Bunkereingang aus dem 2. Weltkrieg und habe dem keine Bedeutung zugemessen. Erst hinterher wurde mir klar, daß ich da eines der bedeutensten Zeugen des Altertums in Europa verachtet habe. Wie peinlich.

… aber die Lamdschaft ist schon athemberaubend gewaltig und zugleich unbeschreiblich schön
Ich konnte trotzt der tief hängenden Wolken und der Unsicherheit, was hinter der nächsten Biegung auf mich zukommt, nur staunen und war von Freude über das Erlebnis ausgefüllt
Mitten in der Natur plötzlich dieser moderne Bau, der das Museumsdorf Lepski Vir umhüllt
… auf der anderen Flußseite ist es nicht uninteressanter
… kuriose Bergformationen säumen diese größte Wassersträße Europas an dieser Stelle
Die Sicht verschlechtert sich zusehens, aber das Staunen bleibt
… eine als Gesicht interpretierbare Felsformation kurz vor und über der Trajan´schen Tafel
… man beachte die Wassertiefe an dieser Stelle. Es gibt sicherlich noch tiefere Stellen in der Schlucht, aber dieser Wert ist bereits ein Rekord Hinten eine Kapelle am Ausgang des ersten Teils der Schlucht.
Der Eindruck von Erhabenheit dieses Naturschauspiels ist sicherlich nicht vom Wetter abhängig.

Eigentlich hatte ich gehofft, dass der bisherige stete Ostwind über die Gipfel der Karpaten strechen würde und die Schluchten dadurch ruhig bleiben. Dem war nicht so, denn der Wind wurde durch die Mäander vortrefflich kanalisiert, sodass ich ihn ständig von vorne hatte und teilweise nur mit 4 bis 5 Knoten voran kam.

Nach Durchfahren etwa des ersten Viertels des Eisernen Tors stand plangemäß eine Übernachtung an einem öffentlichen Ponton an, die auch sehr gut geklappt hat. Leider war diese Nacht an einem Ponton sehr unruhig, da der Sturm des Vortags immer noch eine gehörige Welle die ganze Nacht durch produzierte, welche die Odd@Sea mit heftigen Nick- und Rollbewegungen quittierte. Die Rollbewegung ist eher beruhigend und einschläfernd, das Nicken hingegen macht durch das Aufschlagen des Hecks auf dem Wasser nicht nur gehörigen Lärm, sondern erschüttert das ganze Schiff. Ich konnte aber an dieser Stelle endlich die dringend benötigten Lebensmittel beschaffen, mir einmal wieder ein Bier in einem Internet-Cafe gönnen und war insgesamt trotzdem sehr zufrieden. Der positive Wahnsinn ging dann am nächsten Tag weiter bei der Fahrt vorbei an vielen Sehenswürdigkeiten bis zu meinem heutigen öffentlichen Ponton in der eher fürchterlichen Industriestadt Kladovo. Diese Pontons sind eigentlich für die Kontrollstellen der Polizi oder des Zolls gedacht, stehen aber auch, wenn Platz da ist, für andere Nutzer zur Verfügung. In dieser Jahreszeit hast Du immer freie Auswahl.

Der Wind hatte heute fast aufgehört, was insbesondere für die weitere große Erfahrung mit der ersten der beiden Mamutschleusen sehr förderlich war. Allerdings fand das Ganze im strömenden Regen und bei sehr schlechter Sicht statt. Nun habe ich mir angewöhnt, das Boot vom regengeschützten Niedergang unter der Sprayhood aus zu steuern und nutze dazu meinen großen Navigator unter Deck, den ich von dort aus gut sehen kann. Allerdings muß ich für die Eingaben am Autopiloten stets kurz an den Steuerstand und werde dabei ziemlich naß. Egal, das Prinzip dieser Art von Blindflug hat sich gut bewährt, zumal mir die Donau mehr und mehr alleine gehört. Heute sind mir ganze zwei Großschiffe begegnet. Sportboote gibt es zu dieser Zeit gar nicht mehr. Auch in meiner Umgebung bis zu 50 km lag alles still und fährt nicht, wie das AIS mir sagte.

Die Schleuse „Eisernes Tor 1“ übertrifft alles, was ich bisher gesehen und erlebt habe. Sie ist nicht nur doppelt so lang, doppelt so breit und zweistufig mit jeweils 16 m Hub gebaut, sondern es gibt jeweils zwei davon, eine rumänische und eine serbische. Ich bekam heute die serbische Variante zu erleben. Die Bilder zeigen es: Man fährt in eine sehr breite und lange Kammer ein. So weit, so gut. Nach der Schleusung geht das Tor vorne auf und man hat eine weitere Schleuse mit der gleichen Größe auf der erreichten Höhe vor sich. In meinem Fall stand dort ein relativ kleiner Tanker, der dann in meine Kammer einfuhr. Ich fuhr in seine Kammer ein. Nach dem Schließen des Übergangstors spielte sich das Ganze noch einmal ab. Der Tanker wurde zu Berg und ich zu Tal geschleust, insgesamt 32 m. Unten angekommen sah alles wieder so aus wie gewohnt. Ich war in meiner Kammer genauso allein wie der Tanker. Welch ein Aufwand! Das Ganze hat zwei und eine halbe Stunde gedauert inklusive des Wartens auf den Tanker, der noch eine größere Entfernung zur Schleuse hatte, als ich. Beeindruckend. Ich werde dieses Schauspiel dann morgen in der Schleuse „Eisernes Tor 2“ noch einmal erleben und habe dann keine einzige Schleuse mehr vor mir bis zum Schwarzen Meer, aber etwa 100 davon hinter mir. Schade, dass das Beste erst zum Schluß kam. Um den Verkehr auch für kleinere Boote zu vereinfachen sind alle Schleusen hier mit ganz vielen aufwändigen schwimmenden Pollern ausgestattet, die einen großen Komfort dem Sportbootfahrer bieten und Verzögerungen durch Probleme, die Sportbootfahrer zuweilen haben, zu vermeiden. Den Schleusenwärter konnte ich übrigens über Funk auf Deutsch ansprechen.

… ich fahre alleine in diese riesige Schleusenkammer ein und habe den ersten Schleusungsvorgang hinter mir
… das Tor vor mir öffnet sich und gibt die Sicht auf eine weitere Kammer auf der eben ereichten Höhe frei. Hier steht ein mittelgroßer Tanker, der zeitgleich von unten auf diese Höhe geschleust wurde und wartet gemeinsam mit mir auf das Öffnen des Tors (leider ist das Bild unscharf)
… es geht, nachdem der Tanker und ich innerhalb der Schleuse die Plätze getausch haben, weiter nach unten für mich und nach oben für den Tanker
… das nun hinter mir befindliche Tor schließt sich
… schließlich öffnet sich das letzte Tor und läßt mich 32 m tiefer in die Donau frei

Noch ein Wort zum weiteren Vorhaben: Ich werde, wenn alles plangemäß läuft, übermorgen in Bugarien einklarieren und damit das letzte Land auf dem Kontinent vor dem Mittelmeer erreichen. In der bulgarischen Stadt Ruse wollte ich meinen Mast stellen, da die Menschen dort mit dererlei Arbeit gut vertraut sein sollen. Allerdins habe ich gerade durch intensives Studium der Karte gelernt, dass ich in jedem Fall noch nach Rumänien einklarierem muss, da sowohl Cernavoda, der Abzweigort nach Konstanta, als auch diese Strecke zum Schwarzen Meer auf rumänischen Staatsgebiet liegen. Egal, wat mut dat mut.

Ich bin im strömenden Regen heute hier angekommen und habe noch einige Einkäufe machen können. Aber der Tag war durch die nasse Kälte sehr anstrengend, sodass ich mich auf eine warme Dusche an Bord und meine Koje danach freue. Es könnte jetzt auch endlich einmal wieder etwas freundlicheres Wetter geben. Und übrigens, ich fahre immer noch ohne die Nationale am Heck und keiner merkt es.

Nun habe ich gut geduscht, sehr gut selbstgekochtes gegessen, wahnsinnig gute Musik (Deep Purple. Was is’n dis, dat is ja aus den 70-igern) in voller Lautstärke gehört, drei halbe Liter serbischen Biers getrunken und bin um 20:40 GMT (wat’n dat) immer noch hell wach. Jetzt muss allerdings Schluss sein, denn ich muss morgen um 8:30 MEZ wieder die Leinen los machen und für die zweite Hälfte des Eisernen Tors zu sein. Es macht nämlich immer noch Spaß!

Also, gute Nacht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert