8.9.2019 Aus Vlieland wurde Norderney

Meinen im letzten Beitrag angekündigten Schlag nach Vlieland habe ich leider frühzeitig abbrechen müssen und in Norderney Station gemacht. Warum? Na ja, wie so oft hat mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber auch meine eigene Fehleinschätzung über die Strömungsbedingungen in der Nordsee.

Der Steg in Cuxhaven, an dem ich bei meiner Ankunft im letzten Jahr gelegen hatte, war wieder frei und ich habe nicht nach einer Alternative in dieser großen Anlage gesucht. Windrichtung und -stärke stimmten und ich konnte solange sehr schön segeln, bis mein Kurs, bedings durch den Elbverlauf, in die Windrichtung ging und ich hätte die Reststrecke mühsam und kräftezehrend kreuzen müssen. Die tapferen Kameraden, die mit mir das gleiche Ziel ansteuerten, waren zum Teil trotzdem eher am Ziel. Die Odd@Sea wurde sofort von einem Seglerehepaar identifiziert, die eine etwas kleinere OVNI haben und es wurde sofort gefachsimpelt. Natürlich kannten sie auch die Probleme, die mir Sorgen gemacht hatten und konnten mir ihre Einschätzung dazu erläutern. Es bildet sich so langsam so etwas wie eine OVNI-Gemeinde, die ihre Schiffe sehr schätzen, aber auch manchmal verfluchen.

Das Wetter sollte eigentlich eine recht angenehme Fahrt bereiten. Es kam anders. Es stand eine fürchterlich kabbelige See, offensichtlich der Rest eines Sturms auf dem Atlantik, der recht hohe und steile Wellen brachte. Anders als in der Ostsee waren diese allerdings so chaotisch, dass es schon schwierig war, vom Steuerstand zu den vorderen Leinen zu kommen, ohne sich dabei hinzulegen. An ein Arbeiten auf dem Vorschiff war überhaupt nicht zu denken. Trotz zunächst moderater Winde habe ich ein Reff ins Großsegel gebunden, aber die Genua voll gesetzt. Die Steuerung und der Autopilot zeigten sich damit sehr zufrieden. Hoch am Wind kamen aber nicht mehr als 4 Knoten dabei heraus. Das ist aber zu langsam, um bis nach Holland zu kommen. Ein wenig mehr Fahrt schaffte dann der Motor im Sparmodus. Lieder drehte der Wind als ich den Kurs hinter Scharhörn nach Westen anlegte und der von Einigen vorausgesagte Wechsel der Strömungsrichtung entgegen meines Kurses ließen unter diesen Bedingungen gerade noch 3 Knoten zu. Entlang der Ostfriesischen Inseln kamen niedrige Schauerwolken auf und der der Wind nahm auf bis zu 25 Knoten zu. Zunächst kam mir das Kotzen, denn das Wellenchaos nahm damit noch zu. Aus meinen wenigen diesbezüglichen Erfahrungen nahm ich an, dass mit leerem Magen sofort wieder der Normalzustand eintreten würde. Das geschah aber erst nach einigen Stunden, als ich einem zweiten, wegen der Schaukelei extrem schwierigen Gang zur Toilette unternahm. Da kam zwar fast nichts mehr, danach ging es mir aber wieder sehr gut. Zwischenzeitlich packte mich ein wenig die Angst, dass ich de-hydrieren oder unterzuckern o.ä. würde. Angstgedanken über das was und wenn machten sich breit, die wohl der Gesamtsituation geschuldet waren. Auf jeden Fall war mir trotz 5! Schalen (Unterhemd, drei Pullover übereinander und in den fürchterlichen Regenschauern auch noch mein schweres gelbes Ölzeug) sehr kalt, was meine Ängste noch ein wenig anfeuerte. Der rationale Gedanke, dass ich es bis Vlieland nicht mehr 12 Stunden Fahren aushalten würde ließ mich die Entscheidung treffen, nach Norderney zu fahren. Nun ist das im völligen Dunkel keine Spazierfahrt bei diesen Wetterbedingen. Dazu muss man zunächst ein einen Priel inmitten des flachen Wattgebiets finden und dann metergenau zwischen unsichtbaren Tonnen, die aber im Navigator abgebildet sind, den Weg durch die Fahrrinne folgen. Wenn man das auch gut kann, dann besteht immerhin die Gefahr, dass eine Tonne sich verschoben hat und man diese dann trifft. All diese Tatsachen waren für mich in dieser Situation ausgeblendet und mit einem guten Gefühl über das Gelingen dieses Abenteuers verlief die Ansteuerung des Hafens völlig problemlos. Diese Nacht nach diesem insgesamt aufregenden Tag verbrachte ich in einem besonderen Tiefschlaf.

Da ich allerdings recht lange schlief, konnte ich nicht rechtzeitig zur frühen Ebbtiede wieder auslaufen, um in Richtung Holland zu fahren. So blieb ich diesen Tag auf dieser schönen Insel und unternahm eine ausgiebige Fahrradtour mit Besuch der unglaublichen Wattlandschaften.

Nun werde ich morgen in Richtung Lauwersoog, einem Hafen im Watt südlich der Insel Schiermonnikoog fahren, da eine Alternative dazu fehlt, wenn ich nicht die Nacht über fahren will bei den zu erwartenden schwachen Winden. Auch für morgen sind wieder Gewitter und Schauer angesagt.

Na, schaun mer mal.

P.S.: Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass hier an meinem derzeitigen Standort ein funktionskräftiges WLAN besteht. Das war in sämtlichen besuchten deutschen Häfen seit meiner Rückkehr von der Europatour nicht der Fall. Das zum Thema Breitbandwüste Deutschland.

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