23.6.2020 Die wollen mich wohl aus dem Port Olona herausekeln! (Nicht ganz ernst gemeint)

Ganz so schrecklich, wie der Titel den Anschein haben mag, ist es allerdings hier nicht in Les Sables D´Olonne. Fakt ist, dass das halbe Jahr meiner Liegezeit hier geprägt war von zunächst längeren Ausfällen des WLAN im Tagesgang, später verbesserte sich die Situation sehr deutlich, um dann wieder für längere Zeiten unzuverlässig zu werden. Meistens konnte ich dann aber noch spät in der Nacht einigermaßen zuverlässig Web-Fernsehen schauen. Bei meiner Ankunft hier wurde mir bereits gesagt, dass das WLAN nicht gut arbeiten würde. Warum, sei nicht bekannt. Seit ich jetzt vor vier Tagen meinen Liegeplatz wechseln musste, weil für eine etwas größere Segelyacht ein geeigneter Liegeplatz nicht zur Verfügung stand und der meinige gut passte, liege ich jetzt an einem etwas engeren, aber immer noch ausreichend breitem Liegeplatz zwischen einem sehr großem Motorschiff auf Steuerbord und einer wenig kleineren Segelyacht an Backbord an einem anderen Steg. So weit, so schlecht. Seitdem habe ich allerdings überhaupt kein WLAN mehr! Mit vier bis fünf Balken ist die Stärke der Hochfrequenzverbindung hier genauso perfekt wie vorher und mein Computer attestiert mir, dass die Verbindung zum Server auch perfekt funktioniert. Am Liegeplatz liegt es also nicht, zumal meine Antenne auf Höhe der zweiten Saling in knapp 10 Metern hängt und deshalb mit meinem Computer über ein USB-Kabel mit Verstärker verbunden ist. Trotz funktionierendem Handshake werden keine nutzbaren Informationen ausgetauscht! Ohne Ausnahme über den gesamten Tag. Das ist so ärgerlich, dass ich mich hier wirklich hinausgeworfen fühle. Dem werde ich nicht lange tatenlos zuschauen, sondern bei der nächsten geeigneten Gelegenheit in puncto Wetter abfahren. Ist das nicht ein Wink des Schicksals für einen faul gewordenen Segler? Ich kann also ohne eine traurige Rückerinnerung an eine insgesamt sehr schöne Zeit abfahren und kann mich auf einen hoffentlich besseren WLAN-Service im nächsten Hafen freuen. Das wird, ich berichtete, wahrscheinlich La Rochelle sein.

Zurzeit liege ich neben einer Yacht, deren Eigentümer, offensichtlich ein Ehepaar, viel auf dem Schiff sind und auch immer wieder zum Sonnenbaden auf die Biskaya hinausfahren. Das allein ist wenig erstaunlich. Was mich allerdings freut ist, dass er ein perfektes Deutsch spricht, welches er nach seiner Aussage in der Schule gelernt hat. Toll. Sie spricht leider ausschließlich Ihre französische Muttersprache. So kommt es leider nur zu kurzen Begrüßungen sowie zur knappen Kommunikation, wenn ich den beiden beim Auslaufen helfe. Sehr Schade.

17.6.2020 Ein wenig Ratlosigkeit hat sich beim Bewohner der Odd@Sea breit gemacht – Ein Situationsbericht

Liebe Leser meines Blogs, wenn es diese überhaupt noch gibt nach meiner langen Schreib-Auszeit, ich möchte wieder einmal ein Lebenszeichen von mir abgeben. Jeder meiner Ansätze in der Zwischenzeit, einen irgendwie interessanten Bericht über meine Lebenssituation hier in Les Sables D´Olonne in Zeiten der Pandemie zu schreiben, hatte sich bereits nach kurzer Zeit des Überlegens mangels Ideen wieder erübrigt. Ich bitte also um Nachsicht für meine Schreibfaulheit.

Immerhin liege ich seit mehr als einem halben Jahr an gleicher Stelle, seit Ende Mai/Anfang April zunächst unter Corona bedingten Quarantänebedingungen, seit Anfang Juni wieder ohne Ausgangssperre. So hatte ich es mir natürlich nicht vorgestellt, als ich hier zunächst nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu den Kanaren eingelegt hatte. Weitgehend ohne Kontakte zu anderen Menschen musste ich mich deshalb gefühlmäßig neu ausrichten und bin erstaunt, dass mir das einigermaßen gut gelungen ist. Jeder Tag verlief genau wie der voran gegangene: Es passierte neben der Eigenversorgung – gar nichts. Immer an Bord, fast keine körperliche Bewegung. Ich bin stolz auf meine innere Gelassenheit und meine seelische Stärke, denn es geht mir trotz alledem – sehr gut! Aber ich bin ziemlich ratlos, was als nächstes kommt, wie ich die Zeit bis zum Absprung über den Atlantik füllen sollte. Sollte ich überhaupt an meinem großen Vorhaben festhalten?

Ein paar Randbedingungen gehen mir durch den Kopf. Zum einen bin ich überzeugt davon, dass ich in meinem Alter nur dann eine Fernreise antreten sollte, wenn ein wirksamer Impfstoff gegen das Coronavirus gefunden wurde. Damit rechne ich nicht vor dem zweiten Quartal des kommenden Jahres, eher später. Ich könnte diesen Aspekt ignorieren und zunächst recht schnell und mit wenigen oder gar keinem Landgang zu den Kanaren fahren. Das könnte in 12 bis 14 Tagen zu schaffen sein. Aber was mache ich dann dort bis sich das nächste Fahrfenster in die Karibik zum Winteranfang 2021 öffnet? Jeder, der meine Fahrt bis hierhin verfolgt hat wird erkannt haben, dass für mich eher der Weg das Ziel ist, als irgendwo stationär Urlaub an einem schönen Ort zu machen. Meine Phantasie reicht zur Beantwortung der Frage überhaupt nicht aus.

Irgendwie kann ich mich zurzeit auch überhaupt nicht damit anfreunden meinen ursprünglichen Plan anzugehen, über New York die Binnentour durch die USA in Richtung Mississippi und zum Golf von Mexiko zu fahren. Das Land hat in den letzten Jahren für mich so stark an Attraktivität verloren, dass ich eher auf dieses „once-in-a-lifetime-event“ verzichten möchte. Hierbei spielt dieser Narr und Narziss an der Spitze des Landes die allergrößte Rolle.

Alternativ könnte ich den Weg auf interessante Weise zeitlich deutlich verlängern. Ich denke hierbei an die Querung Frankreichs über den Canal du Midi von Bordeaux über Toulouse und Carcassonne nach Sête am Mittelmeer. Das braucht Zeit, die aber meines Erachtens gut investiert ist. Ich kenne den Kanal recht gut durch meine vielen Frankreichreisen als junger Mann von der Landseite aus. Es ist traumhaft dort. Der Nachteil hierbei ist, dass ich wieder einmal den Mast legen und anschließend wieder aufstellen muss. Meine Übung in diesem Geschäft lässt mich allerdings nicht zu sehr erschaudern. Im Mittelmeer lässt es sich zudem trefflich auch über einige Monate hinweg aushalten. Da ich mir mit diesen Überlegungen den Zeitdruck genommen habe, kann ich die gewonnene Flexibilität für gezielte Besuche von besonderen Orten und mögliche Treffen mit Freunden nutzen.

Das erste Ziel wird zunächst der Hafenwechsel nach La Rochelle sein, denn ich möchte als geborener Städter wieder einmal ein urbaneres Umfeld erleben, wie ich es hier an dem sehr ruhigen Ort nicht habe. Außerdem ist das WLAN hier so unzuverlässig, dass sich ein Ortwechsel allein damit ausreichend begründen lässt. Auch ist dort die Verkehrsanbindung sehr viel besser. Ich kann von dort aus in 10 Stunden mit dem Zug (TGV/ICE) in Hamburg sein. Auch sind internationale Verkehrsflughäfen von dort aus besser erreichbar. Im Moment sind allerdings die Flugaktivitäten jedoch noch stark eingeschränkt. Ich hoffe auch darauf, dass ich meinen Freund Erik in Rochefort treffen werde, was von La Rochelle in etwa 2 bis 3 Stunden mit dem Schiff erreichbar ist. Er kann sicherlich eine helfende Hand zum Aktivieren seines dort noch an Land befindlichen Schiffs gebrauchen. Natürlich kommt auch immer die Option Kanaren in Frage, für die mein Freund Jörg sein Interesse zur Mitfahrt schon vor längerer Zeit angemeldet hat. Es wird also irgendwie weiter gehen.

12.4.2020 Frohe Ostern

Ich möchte es nicht versäumen, allen den an meinem Blog interessierten Menschen ein frohes Osterfest zu wünschen und dass Ihr mit Eurer Kreativität daraus etwas Einmaliges macht, auch wenn es so gar nicht der Tradition in Mitteleuropa entsprechen mag. Das Wetter scheint zumindest überall in der Lage zu sein, Euch dabei zu unterstützen. Was wir gerade erleben kann wohl getrost in die Reihe der Kuriositäten der Kategorie „Once in a lifetime“ eingeordnet werden. Hoffentlich.

Aus Les Sables D´Olonne kann ich nichts Neues berichten. Jeder Tag läuft wie der voran gegangene ab. Das ist alles andere als aufregend, wenn man so gar keine menschliche oder tierische Kontakte hat. Alle vier Tage der Weg zum Supermarkt. Das war es dann an sozialen Kontakten. Das Wetter gibt nun auch seit fast zwei Wochen keinen Anlaß zum Aufpassen. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau und der Wind sehr schwach. Auch die Temperatur ist jetzt mit über 15° recht komfortabel geworden.

Macht das Beste aus der Situation – Sie wird sicherlich in absehbarer Zeit enden und das normale Leben wird wieder Einzug halten. Ich freue mich darauf, dann wieder hinaus auf das Meer fahren zu können.

28.3.2020 Wie geht es mit der Langeweile?

Diese Frage, die ich jetzt schon häufiger gestellt bekommen habe, möchte ich nicht ganz unbeantwortet lassen. Zunächst einmal drückt Langeweile ja eigentlich einen in der modernen Gesellschaft vergessenen Luxus aus: Man steht nicht unter Druck, es wird von einem nichts abverlangt, man kann sich beliebig intensiv mit sich selbst beschäftigen, zumal, wenn es nichts Dringliches am Schiff zu tun gibt. Das drückt doch eine unglaubliche Chance zur Selbstverwirklichung aus.

Nun ist der Tag aber auch recht lang und er wird in dieser Zeit wegen des wachsenden Sonnenstands immer länger. Bis auf die Endreinigung an und unter Deck, die ich mir für die Tage vor der irgendwann anstehenden Abreise vorbehalte, ist an der Odd@Sea nichts mehr Notwendiges zu machen. Die Abreise wird nach Einschätzungen der hiesigen Einheimischen nicht vor Mitte bzw. Ende April möglich sein. Ich habe also sehr, sehr viel Zeit, die ich irgendwie auszufüllen versuche.

Ein Highlight meines derzeitigen Lebens ist der etwa alle vier Tage stattfindende Einkauf im nicht weit entfernten Supermarkt Super-U. Mit dem Fahrrad bin ich in zwei bis drei Minuten dort. Es würde sicherlich nicht auffallen, wenn ich diesen Weg verlängern würde, um Zeit totzuschlagen. Mich hindert daran aber meine Loyalität zu dem Menschen hier, die sehr diszipliniert mit der Ausgangssperre umgehen. Vieleicht ist das sogar der Grund dafür, dass diese Region Frankreichs im Hinblick auf die Viruskrise den mit Abstand geringsten Stand an Infizierten und Toten im Land hat. Das beruhigt mich außerordentlich und trägt dazu bei, dass ich überhaupt keine diesbezügliche Nervosität kenne.

Um die lange Zeit an Bord irgendwie mit Aktivitäten zu füllen, bekoche ich mich täglich ausgiebig und zu immer gleichen Zeiten, durchaus auch mit anspruchsvolleren Gerichten. Der Abwasch wird stets sofort gemacht, was wiederum Zeit kostet. Kaffee und Kuchen sind danach obligatorisch.

Bereits im Januar ist mir aber ein Zeitvertreib wieder eingefallen, der mich schon früher beschäftigt hat und den ich auch aus Altersgründen für nicht ganz unsinnig halte: Tetris. Die meisten werden dieses einfache Computerspiel mit den auf verschieden geformten Kombinationen von 4 Quadraten beruhenden Spielobjekten kennen, die vom oberen Bildrand stetig und mit länger werdendem Spielverlauf ansteigender Geschwindigkeit nach unten fallen. Ich habe mir mangels des damals unter Windows mitgelieferten Originalprogramms ein Derivat davon mit dem Namen „Another Tetris“ besorgt, welches kostenlos ist und exakt die gleichen Funktionen hat. Damit habe ich bereits die Wartezeiten auf dem Rhein und in Griechenland gefüllt, denn da gab es durchaus auch schon zeitliche Längen. Für diejenigen, die mir bis hierhin folgen konnten: Mein höchster Score liegt heute bei 22 Leveln und etwa 37000 Punkten und der niedrigste der 10 höchsten Einträgen bei Level 20. Ich glaube, dass das nicht ganz schlecht ist, wäre aber für eine fachkundige Rückmeldung dazu dankbar.

Auf jeden Fall ist das dazu benötigte Gehirnjogging ganz gut für mein Wohlbefinden. Einerseits ist das Erlebnis einer erfolgreichen Steigerung der Leistung stets sehr befriedigend, andererseits macht mich ein letztes Spiel am späten Abend, mit der Unterstützung meines geliebten Merlots, richtig müde und verschafft mir einen langen und sehr tiefen Schlaf an Bord. Ich glaube, dass dieser meine wirklich außerordentlich stabile Gesundheit und mein Wohlbefinden hier in der Diaspora weitgehend begründet. Dass mich dabei meine Musik (Rock & Roll in jeder Form) ständig unterstützt, ist selbstverständlich.

Am Abend fühlt es sich bei mir so an, als ob ich mich in meiner alten Wohnung in Berlin-Charlottenburg befinde. Ich schaue mir über das Webfernsehen zunächst die Tagesschau um 8:00 p.m. an und danach suche ich nach einer geeigneten Kabarettsendung oder einen interessanten Film in den Mediatheken von ARD und ZDF. Da das Netz hier in den Abendstunden relativ stabil ist, geht das überraschend befriedigend. Mein technischer Aufwand zur Verbesserung der WIFi-Feldstärke hat sich jedenfalls gelohnt.

Mal sehen, wie lange mich diese Strategie noch guter Dinge sein läßt.

26.3.2020 Ein weiterer Tag in Quarantäne geht zu Ende

Kurz vor dem Sonnenuntergang an diesem eigentlich schönen, sonnigen Tag möchte ich mit dem eingefügten Bild die Stimmung hier im Port Dolona einfangen. Absolute Ruhe liegt über der Szene. Eigentlich ganz schön. Es fehlt mir nur ein wenig Leben und Abwechselung, damit die schreckliche Langeweile etwas abgemildet wird. Na, egal. Es wird schon wieder. Da ich gesund und munter bin, kann und will ich mich nicht beklagen.

Dunkelheit legt sich langsam über Port Olona und die Odd@Sea

Ich wünsche allen Lesern ebenfalls eine gute Gesundheit und uns allen, dass sich die Situation in absehbarer Zeit wieder normalisiert.

20.3.2020 Tage der Quarantäne in Les Sables d´Olonne

Zunächst das Wichtigste: Ich lebe noch und bin auch gesund. Auch komme ich mit der Situation der Ausgangssperre sehr gut klar, wenn ich von der zuweilen auftretenden Langeweile einmal absehe.

Ich befinde mich in einer unwirklichen Welt, die mich umgibt hier in meiner Blechbüchse. Es gibt nur sehr wenige Menschen im Hafen und auf den Straßen außerhalb. Die Menschen nehmen es wirklich sehr ernst mit der Ausgangssperre. Diese außergewöhnliche Disziplin der Bevölkerung bezieht sich auch auf die erlaubten Gänge zu Lebensmittelgeschäften, Arztpraxen und Apotheken. Überall werden nur wenige Personen gleichzeitig in diese Orte hineingelassen. Es stehen dazu Uniformierte vor den Einlässen, denen Anweisungen ohne zu murren und diskutieren befolgt werden. Die Warteschlangen sind sehr lang, denn es werden sehr diszipliniert etwa 2 Meter Abstand eingehalten. Atemmasken sieht man nur sehr selten. Was zu Beginn noch nicht zu bemerken war, ist jetzt in den letzten Tagen etwas deutlicher geworden: Nachschubprobleme gib es ausschließlich bei Desinfizierungsmitteln, Klopapier und Nudeln. Es ist surreal. Ansonsten ist der Nachschub absolut gesichert. Ich verbinde diese positive Erfahrung mit den Menschen mit der französischen Tradition, in der die Fraternité, also die Brüderlichkeit eine sehr große und in der Verfassung definierte Rolle spielt und auch offensichtlich auch wirklich gelebt wird.

Für mich kann eigentlich niemand sagen, welchen Status ich als Ausländer hier habe. Der Hafen ist, wie alle anderen städtischen Dienstleister, geschlossen. Das betrifft auch die Sanitäranlagen, also Duschen und Toiletten, die zurzeit geschlossen sind. Das ist zwar ungewöhnlich, aber kein wirkliches Problem. Die Fische im Hafen werden sich über diese Lage freuen. Was noch nicht geklärt ist, betrifft die postalische Erreichbarkeit, denn das Hafenbüro ist ebenfalls geschlossen. Da ich dringend eine neue VISA-Karte benötige, stehe ich ein wenig auf dem Schlauch. Ich musste meine alte Karte wegen vermutetem Missbrauch auf Anraten meiner Bank sperren lassen. Ich habe zwar zuvor zur Sicherheit einen größeren Betrag an einem Automaten abgehoben, wie lange es bis zur Zustellung der Karte allerdings dauert, steht in den Sternen. Na ja, wenn es weiter nichts ist!

Wenn ich meine inzwischen auf fast 22 GByte angewachsene Rock´n´Roll-Sammlung nicht hätte, dann stünde es wahrlich schlecht um mich. Die Musik ist quasi mein Lebenselixier in dieser Zeit, sie läuft durch, wenn ich nicht gerade schlafe. Gott sei Dank, dass er mich mit einem hervorragenden Schlaf beschenkt hat.

Ein wenig Abwechslung hatte ich zwei Tage zuvor: Ich hatte einen Termin für eine Liegezeit auf dem Trockenen in der benachbarten Werft bekommen und habe die Odd@Sea um kurz vor 16.00 Uhr von meinem Liegeplatz zum Kran gefahren. Dort wurde mein Schiff mit einem riesigen selbstfahrend-ferngesteuerten Portalkran an einen freien Stellplatz verbracht und dort auf zwei Böcke abgelegt. Der Zustand war sehr viel besser als ich ihn bei der letzten Säuberung in Finkenwerder erlebt hatte. Damals hing flächendeckend eine etwa 5 cm tiefe Schicht grüner Bewuchs an einer wirklich dicken Pockenschicht.

Man gab mir einen großen Spachtel und einen sehr leistungsfähigen Kärcher und los ging es. Ohne Pause habe ich das Unterwasserschiff bis zum Sonnenuntergang fertig gereinigt und danach mir selbst vor dem Schlafengehen an Bord die Frage beantwortet, ob ich am nächsten Tag noch Anti-Fouling auftragen werde. Mein ökologisches Herz gab mir die Antwort: Nein. Ich werde lieber jedes Jahr den Rumpf einmal mechanisch reinigen, als einen Beitrag zur Verseuchung der Meere beizutragen. Also brauchte ich nur noch die verloren gegangene Wellenanode ersetzen und mein Aufenthalt auf dem Land war wieder vorbei. Es erfüllte mich mit Stolz, dass ich diese körperlich schwere Arbeit ohne jede Pause in dieser kurzen Zeit alleine habe durchführen können, ohne davon einen Muskelkater zu bekommen. Allerdings habe ich danach geschlafen wie ein Stein.

Eine kleine Anmerkung möchte ich an dieser Stelle noch gerne machen: Ich verbringe mit sehr wenig Ausnahmen meine gesamte Lebenszeit seit meiner Anfahrt in Berlin vor fast drei Jahren an Bord auf dem Wasser. Was ich jetzt bemerken müsste ist, dass ich auf dem an Land stehenden Schiff Probleme mit dem Stehen und Laufen an Bord habe. Ich drohe immer wieder, das Gleichgewicht zu verlieren und „auf die Schnauze“ zu fallen. Ich bewege mich hier auf jeden Fall unsicherer, als wenn das Schiff im Wasser liegt. Da übernimmt offenbar das vegetative Nervensystem diese Aufgabe ohne mich mit dieser Aufgabe zu belästigen.

Ich wurde mit meinem Schiff noch am Vormittag wieder ins Wasser gelassen und bemerkte in diesem Moment, dass ich ja eigentlich diese gesamte Aktion für mich und den Blog mit Aufnahmen dokumentieren wollte. Die Aktion hatte mich allerdings inhaltlich so stark körperlich und mental absorbiert, dass dieses mir leider zu spät eingefallen ist. Schnell schoss ich bei der Abfahrt noch zwei Bilder, welche die beeindruckende Größe der Krananlage zu zeigen vermögen. Ihr könnt sicher sein, dass mir dieser Lapsus sehr peinlich ist.

Das Bild entstand bei etwa dreiviertel Tide, die Kammer ist bei Ebbe noch viel gewaltiger, fast bedrohlich
Hier ist der gigantische ferngesteuerte Portalkran zu erkennen, der mich und die Odd@Sea an den Liegeplatz auf dem Trockenen gebracht hat. Links davon ist noch ein Slip zu erkennen, der allerdings von der Werft nicht benutzt wird. Es steht wohl den Vereinen zur Verfügung.

Bemerkenswert ist dazu noch, dass mit dem Sonnenuntergang ein Uniformierter die Tore der Werft mit der Bemerkung geschlossen hat, dass der Hafen und die Werft geschlossen ist und auch bleiben wird. Auf meine Bemerkung, dass ich womöglich die Werft verlassen können sollte, z.B. um zur Toilette zu gehen, zuckte dieser Herr die Achseln, verriet mir aber eine Stelle, wo der Zaun ein Loch hat, welches für mich mit meinem Fahrrad groß genug sei. Das nenne ich eine adäquate Problemlösung unter Anwendung des gesunden Menschenverstands.

Wie lange der Spuk mit dem Corona Virus noch dauern wird, weiß wohl niemand. Zum Glück liege ich in einem sehr sicheren Hafen. Trotzdem wird es für mich irgendwann wieder Zeit, die Leinen zu lösen. Dazu benötige ich aber die Erlaubnis der Hafenverwaltung. Es braucht dazu aber noch die wohlwollende Einflussnahme des lieben Gotts. Ich setze darauf.

15.3.2020 Wie geht es weiter mit meinem Törn in dieser aufregenden Zeit?

Das Coronavirus hat das Leben weltweit in seine Gewalt gebracht. In ungewöhnlichen Zeiten stellen sich dann auch ungewöhnliche Fragen. Einen Teil dieser Fragen, soweit sie mich angehen, kann ich beantworten: Wenn ich Frankreich verlasse, dann kann ich nicht wieder zurückkehren, da die französiche Grenze dicht ist. Zu meinem 70-ten Geburtstag Anfang April nach Deutschland zu reisen empfielt sich also genauso wenig, wie in Richtung Spanien weiter zu fahren. Die Grenzen nach Spanien und Portugal sind ebenfalls dicht. Wenn ein Seefahrer dort anlandet, dann muß er in die Quarantäne für unbestimmte Zeit. Das ist dann sehr unkomfortabel. Ich werde also weiterhin geduldig sein und in Les Sables D´Olonne abwarten. Der Hafen ist der gefühlt sicherste, den ich bisher jemals erlebt habe. Was mich allerdings dabei etwas schmerzt ist, dass der bisher bei meinem gesamten Aufenthalt hier fast ständig in Sturmstärke wehende Wind in diesen Tagen zunächst schwächer geworden und gestern und heute einer fast kompletten Windstille gewichen ist. Ausserdem wird er in den kommenden Tagen wieder etwas zunehmen und auf Nordost drehen, was für eine Biskayaquerung optimal wäre. Tiefblau ist der Himmel zur Zeit sowieso.

Hier im Département Vendée, in dem bisher erst 5 Infizierte bekannt sind, merkte man bisher von der veränderten Gefahrenlage überhaupt nichts. Das Leben hat sich seit Bekanntwerden der Gefahr überhaupt nicht geändert, niemand benutzt einen Mundschutz, die Geschäfte und Lokale sind so voll wie immer, sowohl was die Besucher- als auch die Warenmengen angeht. Also keine Aufregung, alles ist wie sonst auch. Das wird sich erst morgen ändern, denn da wird das Wirtschaftsleben weitgehend eingestellt. Nur noch Lebensmittelgeschäfte werden bis auf Weiteres geöffnet haben. Da ich mich fast ausschließlich in meiner nur mit meinen körpereigenen Substanzen kontaminierten Blechbüchse aufhalte, bin ich vor Ansteckung weitgehend sicher. Auch in der Öffentlichkeit gibt es insgesamt nur relativ wenige Menschen und im Supermarkt ist es auch nur mäßig voll. Man kann ohne Probleme immer genügend Abstand zu den anderen Menschen halten. So sehe ich mich nicht in unmittelbarer Gefahr einer Ansteckung durch das Virus. Lediglich die ohnehin große Langeweile, die mich hier etwas plagt, wird sich noch verstärken. Aber das ist eher ein Luxusproblem.

Seit meinem letzten Blogeintrag am 7.2.2020 hat sich, gemessen an der vergangenen Zeit, nur wenig Erwähnenswertes getan, wenn ich von den netten Begegnungen mit den Leuten meiner Umgebung einmal absehe. Diese sind aber sehr gezählt, denn es tobt hier nicht gerade das Leben. Wie die Fotos vom Heck der Odd@Sea zeigen, habe ich meine wichtigsten Anliegen, die Installation einer leistungsstärkeren Photovoltaikanlage, jetzt sind es 300 Watt, eines sehr leistungsstarken Windgenerators mit maximal 400 Watt sowie dem Rückbau meines alten Windgenerators zu einem Wassergenerator (100 Watt) umgesetzt. Die entsprechenden Regler mußten dabei natürlich auch ersetzt und Kabel neu verlegt werden. Die eigentliche Arbeit hat für mich als Solist nicht mehr als einen kompletten Arbeitstag benötigt, wobei die Montage des Windgenerators in luftigen 4,5 Metern Höhe über der mittleren Achterplattform grenzwertig in Bezug auf meine Kräfte beim freihändigen Stand auf der Reeling war. Das hätte durchaus schief gehen können und ich werde soetwas wirklich nicht wieder machen. Wenn dann aber das Werk gut gelungen ist und ich am Abend noch einmal darauf schaue, dann erfüllt mich dieses doch mit großem Stolz und Freude. Meine Geduld wurde allerdings auf eine harte Probe gestellt, denn ich habe einige Wochen auf die Einzelteile warten müssen. Mal fehlte dies, mal das. Dann mußte nachbestellt werden, was dann wieder eine Woche dauerte, usw. Das war wirklich nervig, aber ich stelle mir heute die Frage, ob es denn in Bezug auf meine Langeweile besser gewesen wäre, wenn die Arbeiten schneller fertig gewesen wären.

Links an der Reling befindet sich nun der Generator, der vorher als Windgenerator diente, bis der Verschleiß dessen Aufhängung so groß wurde, daß ich mich zum Kauf eines leistungsfähigeren und leichteren Windgenerators entschiedenen habe. Er dient jetzt als Wassergenerator, wenn ich die Schleppschraube mit einer 30 Meter langen Leine daran angeknotet habe.
Im Vordergrund sieht man hier den neuen Windgenerator, der an einem 4,5 Meter hohen Mast befestigt ist. Zwei Streben stützen diesen in der senkrechten Position. Eine ist an der Reling, die andere seitlich am Instrumententräger befestigt.
Der Mastfuß steht auf der Heckplattform, auf der man noch die Verschmutzung durch meine Metallarbeiten sehen kann. Diese werde ich natürlich noch wegputzen! Der Mast ist hier wie auch die Streben in Gummimanschetten gelagert, um den Generator geräuschlos zu halten. Allerdings könnte er sich bei der von mir gewählten Abstützung über nur zwei Streben an dieser Stelle nach oben bewegen. Deshalb habe ich eine vertikale Anbindung mit Hilfe von zwei Laschen und einer sehr stabilen Schelle vorgesehen. Unten sieht man, dass die Stromleitung des Generators aus dem Mast heraus direkt in den Rumpf geführt ist, natürlich in wasserdichter Weise. Die sichtbare schwarze Leitung führt den Landstrom, die graue Metalleitung trägt an ihrem Ende die Zinkanode.
Die beiden Solarpaneele sind jetzt etwas schmaler als die alten, ragen aber wesentlich weiter nach hinten über. Auch hier ist wieder das obligatorische weiße Hecklicht in der Mitte befestigt.

Der Schiffbauer von Alubat, der mir die neue Achterklampe eingebaut und den Innenausbau wirklich phantastisch repariert hat, konnte mir aus seinem Fundus noch drei Türklinken verkaufen, die heute nicht mehr verbaut werden. Dazu Folgendes: Als ich das Schiff gekauft hatte fragte ich mich, warum denn die drei Türen unter Deck nur jeweis auf einer Seite eine Klinke hatten. Da mir niemand eine Erklärung geben konnte, hatte sich in einem Kopf die Vorstellung eingenistet, dass es doch durchaus sinnvoll sei, wenn man kein Türschloß hat und eine Privatspäre herstellen möchte, die Klinke herauszuziehen und in der anderen Richtung wieder hineinzuschieben. So wurde diese Vorstellung zu der in meinem Kopf festgesetzten Realität. Dem Handwerker fiel das auf und er wies mich darauf hin, dass es doch einen Verriegelungsknopf an jeder Tür geben würde. Das stimmte durchaus, war mir aber nie aufgefallen. Wahrscheinlich war ich mit der Fülle von neuen Eindrücken völlig überfordert, als ich das Schiff in Amsterdam inspizierte und habe zumindest dieses Wissensdefizit bis in diese Tage mit mir herumgeschleppt. Es ist also nie zu spät, etwas dazu zu lernen.

Neben diesen größeren Aktionen gab es natürlich noch die vielen kleinen, schnell erledigten Reparaturen, die mich immer wieder einmal eine halbe oder gar eine Stunde ausgelastet hatten. Was jetzt jedenfalls noch übrig geblieben ist, hat nur noch mit der Reinigung der Odd@Sea zu tun. Dazu wird sie am Dienstag aus dem Wasser gekrant und an Land für eine Nacht und einen Tag auf Böcke gestellt. Ich werde noch am ersten Tag das Unterwasserschiff mit einem harten Wasserstrahl reinigen und dann entscheiden, ob ich den nächsten Tag bis zum Abend für die Behandlung mit Antifouling nutzen werden. Ich habe meine ethischen Probleme mit der Verwendung dieses Materials, da es für die Meeresbiologie eher schädlich ist. Darüber werde ich bis dahin noch einmal nachdenken. Als Letztes kommt dann das Deck an die Reihe, wenn ich wieder an meinem Liegeplatz H31 festgemacht habe. Da ich einige Schleif- und Sägearbeiten mit der Flex durchgeführt, aber nicht sofort danach gereinigt hatte, hat sich das Heck an Steuerbord gelblich verfärbt. Aus dem Eisenstaub sind Rostpatikel geworden. Es gibt dann also (Gott sei Dank) wieder einmal etwas zu tun.

Mein Leben an Bord ist geprägt durch die Musik. Ich habe mich in den letzten drei Monaten hier zum Musiksammler entwickelt. Natürlich jede Form des Rock´n´Roll. Ich höre, immer wenn ich eine ausreichend gute Internetverbindung habe, die Rockantenne Hamburg und lasse mich dabei inspirieren bei der Zusammenstellung einer mp3-Musiksammlung, die zwischenzeitlich mehr als 2500 Titel mit ca. 25,5 Gbyte umfaßt und täglich größer wird. Meine Quelle für die Aufnahmen ist mp3million.com in Honkong, die legal für kleines Geld downloads anbietet. Ich denke, dass ich ohne diese Musik, die während der Fahrt über die Aussenlautsprecher übertragen wird, mein Vorhaben nicht hätte durchführen können. Sie gibt mir viel Kraft und verstärkt mein Durchhaltevermögen. Sollte einmal Bedarf für einen bestimmten bestehen Titel bestehen, dann sprecht mich einfach an.

Laßt uns gemeinsam auf ein rasches Abklingen dieser Pandemie hoffen, um wieder zum normalen Leben zurückkehren zu können. Auf jeden Fall hat, so glaube ich, hat diese Erfahrung auch eine positive Seite. Sie vermittelt den nicht Erkrankten ein wenig Gelassenheit im Umgang mit den Unbillen des Lebens und zeigt, daß auch bei einer Beschränkung der Umstände ein erträgliches Leben möglich ist. In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern

viel Glück und alles Gute.

7.2.2020 Nur ein kleiner Zwischenbericht zu meinem Dasein auf der Odd@Sea

Eigentlich ist dem bisher aus Les Sables D´Olonne Berichteten nichts hinzuzufügen. Aber das wäre dann doch allzu langweilig und meine lieben Leser würden wohl vom Glauben abfallen, dass ich noch existiere. Also, in aller Kürze das Wichtigste:

Ja, ich sitze hier immer noch fest. In erster Linie wegen der Werft, die im Januar auf der „Boot“ in Düsseldorf mit ihren wichtigsten Leuten war und danach nicht so recht wieder in die Puschen gekommen ist. Zwischenzeitlich ist die Heckkabine wieder gerichtet und auch die Achterklampe eingebaut. Alles Tip-Top und hervorragend gemacht. Ich bin voll zufrieden.

Man kann es ja kaum glauben, dass es auf einem Schiff immer etwas zu reparieren gibt. Ich dachte,

die wesentlichen Reparaturarbeiten, kleine und große, seien erledigt und ich muss mich nur noch um die wirklichen Konfigurationsänderungen kümmern. Das beinhaltet den Austausch meiner Solarpaneele durch einen größeren 300W Sonnenkollektor sowie meines sehr schweren Windgenerators durch einen leistungsstärkeren, aber deutlich leichteren. Das alles soll nach Aussagen von Alubat sowie der Lieferfirma des Generators bis Ende der Woche eingebaut sein und funktionieren. Die alte Windmühle habe ich bereits zurückgewandelt in den Wasser-Schleppgenerator, der er früher einmal war. Er ist viel zu schwer, um an einem Mast in luftiger Höhe betrieben zu werden. Ich hatte sehr viel Aufwand, dem enormen Verschleiß an seiner Aufhängung auf dem Geräteträger Herr zu werden. Außerdem war mir die Vorstellung, dass er mir am Steuerstand auf den Kopf fallen könnte, zu beängstigend. Man sieht dieses deutlich, wenn man das Bild auf der Startseite meines Blogs (www.Odd-at-Sea.de) anschaut. Nun werde ich in diesen Tagen einen Silentwind einbauen. Der ist leichter, leistet deutlich mehr, kostet aber auch entsprechend viel.

Danach wollte ich eigentlich nur noch auf den nächsten Wetterslot in der Biskaya zu warten und in den Süden segeln. Das kann aber noch dauern! Selbst wenn alles schneller gegangen wäre, dann hätte ich in der ganzen Zeit nicht eine einzige wirkliche Gelegenheit zur Biskayaquerung gehabt. Da brauche ich mindesten zwei, eher aber noch drei gut fahrbare Tage hintereinander. Selbst, wenn es windmäßig gut aussieht, dann haben die Stürme der Vortage eine Hinterlassenschaft in puncto Wellenhöhen von kaum weniger als 5m, die man zudem einrechnen muss. Es wäre also auch nicht gegangen, wenn alle Beteiligten zügiger an die Sache gegangen wären. Ein Wetterfenster ist weit und breit nicht zu sehen. Das wird wohl erst im März etwas besser.

In dieser Zeit werde ich die Odd@Sea aus dem Wasser ziehen und vielleicht mit Anti-Fouling behandeln oder auch nicht. Mal sehen, wie sie aussieht von unten. Sollte wider Erwarten das Wetter kurzfristig einen fahrbaren Dreitagesslot bescheren, dann werde ich losfahren und ggf. das Slippen in einen anderen Hafen verlegen. Das geht überall.

Gestern habe ich, um einen besseren Zugang zum Rumpfheck vom Steg aus für die Umbauten zu schaffen, den Motor angelassen, die Leinen gelöst und die Odd@Sea gewendet. Dieses Manöver stellte sich schwieriger dar, als es eigentlich sein müsste, da ich unerwarteter Weise mit der Motorsteuerung nur sehr schwer die Gänge umschalten konnte. Zunächst war mir überhaupt nicht klar was los ist, denn das Schiff verhielt sich sehr ungewohnt bei der Drehung auf dem Punkt. Dann bemerkte ich, dass der Gashebel, der zugleich die Gänge schaltet, so lose war, dass ich nur mit Vollanschlag überhaupt und das nur ein einziges Mal in den Rückwärtsgang schalten konnte. Das Manöver gelang zwar letztlich, da die Strömung ein wenig mithalf, wäre aber gewiss keine Augenweide für die nicht vorhandenen Zuschauer gewesen. Egal, gestern ist also eine neue Baustelle geboren worden. Ich habe heute versucht, den Schalthebel aus der Steuersäule auszubauen und ein keines Waterloo erlebt. Bis auf das Lösen eines Bowdenzug Anschlusses, gelang in der Tat alles Notwendige aber ich bekomme die komplexe Mechanik nicht aus der Steuersäule heraus. Die Öffnung ist sehr klein, denn es handelt sich dabei um den Ausschnitt, der normalerweise von Kompass benötigt wird. Also wusch ich zunächst meine durch die Ecken und Kanten in der Steuersäule stark in Mitleidenschaft gezogenen, blutigen Hände und erklärte dann der ortsansässigen VOLVO-Werkstatt mein Problem. Man kannte das Problem und sagte mir Hilfe, jedoch keinen konkreten Termin zu. Ich kann nur hoffen, dass deren Verlässlichkeit ähnlich gut sein wird, wie ich sie bei der Reparatur der Wasserpumpe erlebt hatte.

Wie das Leben so spielt: Als ob es verabredet gewesen sei, konnte ich meine Frustration nach diesem Flop bei meinen Stegnachbarn auf deren Schiff wieder loswerden. Nach der gegenseitigen Vorstellung beider etwa gleich großer Schiffe, beide mit variablem Tiefgang, wurde es ein sehr netter Abend mit einem Pärchen, bei dem die Frau mit ihren guten Englischkenntnissen als Übersetzerin für ihren Mann und mich brilliert hat. Der Rotwein half am späten Abend dann noch etwas mit und der Austausch wurde schließlich sehr lebhaft und fröhlich.

Überhaupt habe ich bei dem Umgang mit Menschen, die lediglich ihre Muttersprache können, gelernt, dass immer etwas geht. Mit einem Gemisch aus verschiedenen Sprachen, z.B. Französisch, Englisch und Deutsch und dem notwendigen guten Willen aller Beteiligten, kann man durchaus auch komplexere Themen behandeln. Es dauert ein wenig länger, aber es gelingt und macht dabei auch noch Spaß. Mit dem Handwerker, der mir meine Achterkabine wieder gerichtet und die Klampe eingebaut hat, war das nicht nur besonders fröhlich, sondern auch ergiebig. Dabei ging es nicht nur um Technik!

Ich möchte abschließend noch einen kleinen Beitrag in Sachen Kameradschaft unter Seglern liefern. Ich benötigte zum Einbau des Schleppgenerators einen Ersatz für einen verloren gegangenen Splintbolzen mit einer gängigen Größe. Alle fünf Nautik Händler am Ort und auch der riesige Leclerque Brico mussten passen. Das wäre in Deutschland ein Unding. Jedes Mal gab es hier Staunen über meine Begehrlichkeit und es wurde ein wenig palavert. Im letzten Laden hörte ein Mann etwa meines Alters zu und sprach mich mit meiner erneuten Enttäuschung in Englisch an. Er stellte sich als Segler vor und bot sich an, nach seiner Rückkehr nach Hause sofort im Keller in eine seiner zahlreichen Teilekistchen nach einem passenden Splintbolzen zu suchen und mich über das Suchergebnis telefonisch zu informieren. Das tat er auch nach kurzer Zeit, konnte mir aber leider nur etwas kürzere Exemplare anbieten. Diese waren für meine Zwecke unbrauchbar. Warum sage ich das? Das nenne ich eine funktionierende Kameradschaft, die auch bei Unbekannten angewendet wird. Noch mehr bestätigt wurde ich, als mich einer der ortsansässigen Handler und aktiver Segler, der mich mangels Masse nicht bedienen konnte, ansprach und mir sagte, dass er einmal kurz in seine Altteilebox geschaut und das Passende für mich gefunden hat. Sensationell!

Es ist wirklich keine Übertreibung wenn ich sage, dass im Port Olona vom hiesigen stürmischen Wetter eigentlich Garnichts zu spüren ist, wenn man von Kälte und Nässe absieht. Selbst bei mehr als 100 km/h Wind zupfen die Schiffe hier nicht einmal an ihren Leinen, denn das Wasser ist auch dann absolut ruhig. Wenn man allerdings auf das Meer schaut, dann wird einem angst und bange.

P.S.: Ich muß unbedingt noch einen Nachtrag bringen, da mich eine Frage in der gesamten „sprachlosen“ Zeit besonders beschäftigt hat. Ich habe bereits über die Probleme mit dem WLAN hier im Hafen berichtet. Diese haben mich so geärgert, dass ich mich sehr intensiv auf die Suche nach der Ursache und eine mögliche Abhilfe begeben habe. Das Ergebnis des ersten Versuchs war überaus erfolgreich. Ich habe ein 10m langes USB-Kabel mit einem Verstärker am Ausgang beschafft, in diesen meinen Fritz-USB-Stick gesteckt und das Ganze an einem Fall in die Höhe der zweiten Saling gezogen. Es funktionierte prächtig, wenn auch mit relativ seltenen Unterbrechungen. Diese führten zum Teil zum Verlust der Anmeldung am Router, „heilten“ sich aber durchaus auch mal selber. Auf jeden Fall konnte ich durchgehend meine geliebte Rockantenne Hamburg hören und abends auch ganze Fernsehsendungen aus Deutschland sehen. Meistens mit politischem Kabarett. Die Welt war also in Ordnung. Bei einem starken Regenschauer muß sowohl der oben am Mast baumelnde Verstärker als auch mein Fritz-Stick Feuchtigkeit abbekommen haben. Ich habe die beiden natürlich in eine Platiktüte gesteckt und diese mit Tape abgedichtet. Offensichtlich zu wenig. Beide Elemente habe ich dann vor den Heizlüfter zum trocknen gelegt. Der USB-Verstärker wurde wieder lebendig. Der Fritz-Stick nur bedingt, denn er sprühte noch Funken bevor er in den Silikonhimmel kam. Da mein alter TP-Link-Stick ohnehin in dieser Konfiguration nur unbefriedigend funktionierte, kam dieser dann als Ersatz des Verblichenen nicht in Frage und ich besorgte mir bei einem Händler hier vor Ort den einzigen Stick im Angebot, nämlich einen TP-Link neuerer Bauart. Dieser funktionierte sofort und seine sehr große Empfindlichkeit beschaffte mir ziemlich konstante 5 Balken an Feldstärke. Aber nur einen Tag und eine Nacht lang. Nun verbindet er sich zwar zuverlässig mit dem Netz, kommt aber über eine begrenzte Verbindung nicht hinaus. Ich werde jetzt langsam wahnsinnig. Hat jemand eine Idee, was da los ist?

Im Übrigen: Es gibt nunmehr keinen natürlich generierten Strom mehr an Bord, nur noch französischen Atomstrom! Bis zum Wochenende. Hoffentlich.

29.1.2020 Ich werde noch länger in Les Sables D´Olonne bleiben müssen

Eigentlich war geplant, dass Anfang Februar die Werftarbeiten, nämlich das Richten eines Teils der durch den Tonnenkontakt verschobenen Inneneinrichtung der Heckkabine, vor Ort an der Odd@Sea stattfinden würden. Um ein paar Ersatzteile zu beschaffen und die anstehenden Arbeiten terminlich zu planen, bin ich heute wieder einmal mit dem Fahrrad bei schönstem Sonnenwetter zur Alubat-Werft gefahren. Ich musste zunächst mit großem Verständnis zur Kenntnis nehmen, dass das auch für die Reparaturarbeiten zuständig Personal von Alubat nach dem gerade erfolgten Abschluss der Bootsmesse in Düsseldorf zunächst einmal die Ausstellungsobjekte wieder nach Hause bringen muss und ein wenig Entspannung in Form von einem Kurzurlaub benötigt. Ich war selber einmal Besucher der „Boot“, weiß, wie es da zugeht und habe deshalb dafür großes Verständnis. Die Konsequenz ist allerdings, dass die Arbeiten an Bord erst nach dem 10. Februar beginnen, diese jedoch nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen werden. Mit der sehr freundlichen und überaus kompetenten „Seele“ des Hauses habe ich heute diese terminliche Veränderung vereinbart und zugleich den Arbeitsumfang für die Erstellung eines Kostenvoranschlags spezifiziert. Neben der Reparatur der Inneneinrichtung sollen auch die gebrochene Heckklampe repariert sowie Solarpaneele mit insgesamt 300 bis 400 Watt installiert werden, je nachdem, wie der Geräteträger am Heck es zulässt. Mein jetziges, 100 Watt lieferndes Solarpaneel wird dann den Weg allen Irdischen gehen. Den Einbau der Photovoltaik werde ich wohl mit informeller Unterstützung des Werftpersonals selber vornehmen.

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22.1.2020 Ich lebe noch!

Meine letzte Meldung über diesen Kanal stammt vom 3.1.2020. Seitdem sind fast 3 Wochen vergangen. In dieser Zeit ist sehr wenig geschehen, die Langeweile hat die Regie geführt. Der Hafen ist nach wie vor fast menschenleer, es wird an wenigen Schiffen ein wenig gewerkelt. In dieser Zeit gab es mit ganz wenigen Ausnahmen dauerhaft starken und stürmischen Wind bis hin zu orkanartigen Stürmen und es ist seit der letzten Woche auch richtig kalt geworden. Wenn der Wind auf das Heck weht, habe ich wirklich Schwierigkeiten, eine aushaltbare Temperatur an Bord zu halten, denn der Niedergang mit dem Schott ist keineswegs winddicht. In der Nacht gab es auch schon Frost. Wie füllt ein Skipper unter diesen Bedingungen den Tag aus?

Am Anfang steht der schwierigste Teil des Tages: Aus der Koje kommen und aufstehen. Da mich nichts antreibt, geschieht das kaum vor halb 11, auch schon mal nach 12 Uhr. Dann hilft die hier fast immer scheinende Sonne ein wenig beim Aufheizen des Schiffs. Ritualmäßig wird gut gefrühstückt, bevor dann die Entscheidung des Tages fällt. Welcher Gang steht heute an. Etwa alle drei Tage geht es mit dem Fahrrad zum Supermarkt, sehr viel seltener zum Wäschewaschen in die Automatenwäscherei, manchmal zu einem der hafennahen nautischen Fachgeschäfte oder zumindest zur Capitanerie, wie die Hafenmeisterei hier genannt wird. Hier hole ich meine von der Post gelieferten Ersatzteile ab, halte dabei aber stets bei einem Schwätzchen die Damen dort von ihrer Arbeit ab und bezahle aber auch von Zeit zu Zeit brav meine Liegegebühren.

Es ist in einer mittelgroßen Stadt wie Les Sables D´Olonne einigermaßen schwierig, Spezialteile jeder Art zu bekommen. Beispielsweise habe ich, um die Leistung meiner WLAN-Antenne zu verbessern, einen entsprechenden USB-Stick sowie ein 10m langes USB-Kabel beschafft, um den Stick mit der Flaggenleine hoch in den Mast zu ziehen. Dort ist die Reichweite erheblich größer als auf der Höhe des Decks. Meine Recherchen führten zu der auch in Deutschland immer stärker zu bemerkenden Erkenntnis, dass es in Sachen Gebrauchstechnik nur noch riesige Supermärkte gibt, deren Sortiment zwar alle möglichen Waren, diese aber nur in den stark nachgefragten Bereichen umfassen. Den Verkäufern war es immer sichtlich peinlich, mich an andere, kleinere Geschäfte oder das Internet verweisen zu müssen. Nun scheint es aber kaum wirklich spezialisierte Geschäfte mehr zu geben, denn es lohnt sich für diese nur ein großes Sortiment, für das die Kundschaft dann fehlt. Viele haben deshalb, wie man mir bestätigte, dicht gemacht. In meinem Fall musste ich Teile bei den mir bekannten Internet-Läden in Deutschland  beschaffen. Z.B. Conrad, Reichelt, AWN und Toplicht. Außerdem musste ich lernen, dass ich hier in Frankreich zwar alles im Internet bestellen, aber nicht mit meiner deutschen Kreditkarte bezahlen kann. Man lernt also nie aus, wenn sich die Welt ständig verändert.

Wie ist der Sachstand am Schiff? Bis auf die Unterwasserschiffs- und Inneneinrichtungsarbeiten habe ich alle Punkte meiner Liste erfüllt. Zum Slippen warte ich schlicht auf etwas wärmeres Wetter, was für die Gegend hier eine durchaus realistische Erwartung ist. Da die Handwerker von Alubat erst wieder nach der Boot 2020 in Düsseldorf, die am 28.1.2020 endet, wieder zur Verfügung stehen, wird der zweite Punkt erst zum Monatswechsel bearbeitet werden können. Dazu kann das Schiff auch wieder im Wasser liegen.

Die Liste der durchgeführten Kleinarbeiten ist mittlerweile recht lang, aber nicht wirklich interessant. Defekte Lampen, Türöffner, Schalter und Bodenbrettöffner austauschen bzw. ein neues Schloss einbauen, ist ja nicht sonderlich kompliziert. Außerdem wurde das Liferaft beim Hersteller überholt und neu bestückt. Über die Reparatur der Wasserpumpe habe ich bereits berichtet. Dazu möchte ich noch anmerken, dass seitdem die Bilge in allen Kammern „pfurztrocken“ ist. Die zuletzt noch festgestellte geringe Süßwassermenge hat nun auch eine nachvollziehbare Herkunft: Ich fülle meine Wassertanks immer bis zum Rand voll und da die ringförmige Flansche für die beiden Zugangsdeckel nicht wasserdicht auf der Tankoberfläche aufliegen, läuft dort stets eine geringe Menge Wasser wegen der leichten Bootsneigung in die steuerbordbordseitige Bilge und nimmt dann, bei höherem Pegelstand ihren Weg in die anderen Bilgen. Dieses Problem hängt damit zusammen, dass es keine Wasserstandsanzeige gibt, ich deshalb beim Befüllen die Tankdeckel abnehmen und direkt durch die Öffnungen den Wasserstand beobachten muss. Kurz vor dem Überlaufen renne ich dann nach oben zum Wasserhahn. Ich sprinte also nach oben, springe von Bord, renne zum Zapfhahn und stelle den Wasserfluss ab. Je nach Liegeplatz und Wetterlage dauert dieser Prozess länger oder kürzer. Im Ergebnis ist also der Füllstand oder die Überfüllung unterschiedlich. Ich werde die Flansche gelegentlich ausbauen und mit Dichtmittel wieder einsetzen, um ein Öffnen des Tankdeckels in Zukunft überflüssig zu machen und gleichzeitig ein Überlaufen des Wassers zu vermeiden. Das überlaufende Wasser würde dann durch das Steigrohr bis zur Einfüllöffnung und von dort über das Deck in die See fließen.

Ausgesprochen ärgerlich ist die extrem unzuverlässige WLAN-Anbindung hier vor Ort. Meine o.g. Maßnahme ist sozusagen der daraus resultierenden Frustration geschuldet. Diese stellt sozusagen die ultimative Lösung dar, denn eine eventuell noch effizientere und deutlich teurere Richtantenne hätte auch bei den hier geringen Schiffsbewegungen keine Wirkung. Der Anlagenbetreiber arbeitet im Tagesgang im nicht definiertem Wechsel auf beiden Bändern (2,5 und 5 Ghz). Es sieht so aus, als wenn er dabei beliebig seine Gerätschaften einfach einmal so für ein paar Sekunden ab- oder umschaltet. Es könnte aber auch ein simpler  Wackelkontakt in seiner Antennenleitung mit der gleichen Wirkung vorliegen. Die deutliche Verbesserung der Feldstärke bei meiner Lösung hat deshalb auch leider keine Verbesserung der Datenrate geliefert. Ich glaube, dass ich für die Internetnutzung mit Abstand die meiste Zeit an Bord einsetze. Das war zunächst technisch gesehen interessant, ist nun aber auch äußerst langweilig geworden.

Was geht noch bei Langeweile? Ich bin jetzt beim Tetris im 21. Level bei fast 39000 Punkten! Alles klar?