22.10.2017 Tage der Veränderung

Seit ich Regensburg nach vier Tagen ungewollter Liegezeit und einigem Verdruß an einem zunächst diesigen, aber im Tagesverlauf aufklarendem Tag verlassen habe, hat sich die Situation rundum geändert. Nicht nur das Wetter, das sich während meiner Fahrt nach Deggendorf deutlich verbessert hat und letztlich Sonnenschein und gute Sicht bei erträglichen Temperaturen brachte. Heute, auf dem Weg nach Obernzell wechselten sich leichter und starker Regen mit ein wenig Sonnenschein bei erbärmlichen Temperaturen ab, sodass es nur mit allen Zwiebelschalen, die mein Schrank hergibt, möglich war, die Fahrt gut zu überstehen. Nicht desto trotz waren die beiden Tage sehr schön, da sie neben der athemberaubend schönen Flußlandschaft auch nautische Herausforderungen zu bieten hatte. Außerdem habe ich heute Deutschland erlassen und zeige ab jetzt zunächst die österreichische Gastlandflagge.

Kurz hinter Regensburg kommt man an der „Germania“ vorbei. Der sich auflösende Nebel ist gerade noch zu erkennen.
Die Schleusen sind auf der Donau viel breiter, es passen zwei Großschiffe nebeneinander hinein. Sie haben aber weniger Hub. Es kommen nicht die klaustrophobischen Gefühle auf, wie im MDK.
Ruhig und majestätisch schlängelt sich die Donau duch die Landschaft.

Für die Befahrung des ersten Streckenabschnitts müssen die Berufsschiffer nicht umsonst eine extra Lizenz nachweisen, denn die Donau ist hier nicht geregelt und weist ihren natürlichen Verlauf auf. Sie hat auf beiden Seiten unberechenbare Bunen, großflächige Untiefen und nur eine marginale Betonnung. Nach einigen Stunden Fahrzeit wurde mir so einigermaßen klar, wie so ein ungezähmter Fluß sich in die Landschaft einarbeitet. Grundsätzlich strömt er in den Kurvenaußenseiten schneller und frißt sich dadurch tiefer in den Grund. Die so gewonnenen Ablagerungen findet man als Flachgebiete in den Kurveninnenseiten. Irgendwo zwischen diesen Extremen liegt die sichere Fahrrinne. Wenn mir dabei mit meinem relativ kleinen und wenigen Schiff und dem geringen Tiefgang der Schweiß auf die Stirn kommt, wie muß sich dann der Führer eines großen Frachters fühlen? Zudem kommt für die Talfahrer wie mich noch der Umstand, dass der Fluß hier extreme Strömungsgeschwindigkeiten erreicht. Ich hatte einige Male die Zehn (Knoten!) vor dem Komma auf meiner SOG-Anzeige (Speed over Ground). Athemberaubend! Da hat man wenig Zeit auf eine Tiefenänderung zu reagieren, zudem man eigentlich nie so recht weiß, in welche Richtung, denn der Fluß hat seine eigenen Vorstellungen von logik. Allerdings ist die Donau sehr viel freundlicher zu ihren Nutzern, denn sie hat im Gegensatz zum Rhein nur wenig felsigen, sondern fast immer sandigen Untergrund.

Beim morgendlichen Verlassen des Schutzhafens von Deggendorf, wußte ich noch nicht, dass die gestern bestandene, schwere Prüfung, heute mit einem ganz anderem, sehr gleichmäßigen und gar nicht mehr wildem Verhalten des Flusses belohnt wurde. Genuss pur auf diesem hier sehr breiten, aber dennoch schnell fließenden Strom. Dem Hafen von Deggendorf hatte ich aus purer Not gewählt, da die alternativen Sportboothäfen auf der Strecke entweder zu kleine Stege hatten oder geschlossen waren. Ich lag dort an einer Spundwand für große Schiffe und der Abstand der Festmacher war ca. 50 m. Diese lagen zudem auf einem etwa 5 m hohen Hafendeich. Ich habe dennoch dort sehr gut und zudem kostenfrei geschlafen.

Es stellt sich mehr und mehr heraus, dass nicht die Nautik das Anspruchsvolle meiner Reise ist, sondern die Logistik. Handwerkliches kann man lernen. Organisationstalent muss man haben. Die Größte Herausforderung für mich ist gegenwärtig, dass die Sportboothäfen an der Donau in den Winterschlaf gegangen sind und zum Teil die Stege hochgeklappt haben. Das ist kein Witz, denn die Stegbelastungen durch den Schwell des Stroms sind nicht unerheblich und verursachen Kosten, die man sparen möchte. Außerdem kümmert sich niemand um die Häfen im winter, wenn kein Bedarf bei den Sportbootfahrern da ist. Irgendwie habe ich mit diesen Konsequenzen nicht gerechnet, als ich losfuhr und ich begreife nun, was die Kollegen immer mit Winterpause meinten. Für meine Streckenplanung hab ich mir ein EXCEL-Programm gebastelt, welches mir eine vernünftige Abstimmung der täglichen Zielorte bei unterschiedlichen Fahrparametern (z.B. Anzahl der Schleusen, Strömungsgeschwindigkeit, Spritverbrauch) erlaubt. Das funktioniert hervorragend. Allerdings kenne ich die Verhältnisse am Zielort nicht, denn die sind aktuell fast immer anders, als die veröffentlichen Informationen. Dieses gilt auch für die Beschaffung von Lebensmitteln in der Nähe des Zielorts. Wenn dann noch der Parameter Verfügbarkeit von Tankstellen hinzukommt, dann wird es mit der Planung ganz schön schwierig. Es ist also Flexibilität und zuweilen auch Erfindergleist gefragt. Diesel kann man auch mit Kanistern aus einer der Liegestelle nahe gelegenen Tankstelle beschaffen. Das ist zudem deutlich billiger, aber auch beschwerlicher.

Ein eigentlich geschlossener Hafen bedeutet nicht notwendiger Weise, dass man dort nicht an einem geeigneten Steg übernachten kann. Das ist teilweise auch ohne die sonst fällig werdenden Gebühren möglich. Es gibt allerdings dann meistens nicht die Möglichkeit zum Verlassen des Hafengeländes und man kann keinerlei Service nutzen. Ich freue mich natürlich, dass die energetisch völlig autarke Odd@Sea mir ohne jede Fremdversorgung sehr viel Komfort bis hin zur täglichen warmen Dusche bietet. Der Motor muss dazu natürlich vorher gelaufen sein, um das Wasser zu heizen. Elektrisch verbrauche ich in sechs Tagen autarker liegezeit nur etwa 15% der Batteriekapazität bei sparsamen Umgang.

So lange das Wetter keine zu großen Kapriolen schlägt und meine Heizung gut funktioniert, bin ich zuversichtlich, dass ich meine Planung aufrecht erhalten kann. Es fängt übrigens gerade an zu regnen und ich hoffe, dass es morgen trocken bleibt. Schaun mer mal.

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