15.4.2021 Hilfe benötigt! Der spanische Such- und Rettungsdienst ist zuverlässig zur Stelle

Dieser Blogbeitrag beschreibt ein eher aufregendes Kapitel auf meiner Tour, die bisher eigentlich immer recht wenig spannend war. Vor drei Tagen bin ich in Cartagena aufgebrochen zunächst mit dem Ziel, über Garrucha und Almeria nach Almerimar zu fahren. Der Wind war für diese Tage so angesagt, dass er stets von Achtern (direkt von hinten für die „Nicht-Seeleute) mit anfänglich 12 bis 15 und später dann 15 bis 20 Knoten kommen sollte, was auch bei größeren Windgeschwindigkeiten und einer Schmetterlingsstellung der Segel zu nicht allzu großen Geschwindigkeiten führen würde. Zudem waren Wellenhöhen von lediglich 60-70, später sogar nur 50 cm veröffentlicht worden. Das versprach für ältere Menschen wie mich eine absolut komfortable Segelei auf dem Mittelmeer. Allerdings ist der fahrbare Windwinkelbereich in dieser Konfiguration einigermaßen eng und erfordert deshalb sehr viel Aufmerksamkeit. Sollte der Wind die Hinterkante des Großsegels auch nur einen Moment lang nicht von hinten, sondern von vorne treffen, dann schlägt das Großsegel mit so viel Schwung auf die andere Seite, dass dieses im schlimmsten Fall sogar zum Mastbruch führen kann. Man muss also sehr aufmerksam sein und schnell reagieren. Je nach Dynamik der See ist dabei der Autopilot hilfreich oder aber auch nicht. Dann gilt es, das Schiff manuell zu steuern, wobei die Ruderkräfte sehr groß werden können. Ein wenig Routine hat sich auf dem ersten Törn von Torrevieja nach Cartagena bereits aufgebaut und ich war entsprechend guter Dinge. Soweit meine Vorstellung für die kommenden Tage.

Nun zur Realität. Bereits auf dem ersten Leg war zu spüren, dass insbesondere die Erwartungen zur Wellenbildung überhaupt nicht erfüllt wurden. Eingestellt auf eine komfortable Fahrt unter Autopilot, genoss ich zunächst die Schönheit des Segelns in vollen Zügen bei Sonnenschein und tiefblauem Meer. Dieses änderte sich dann langsam mit der Annäherung des Cap de Palos. Dort musste ich den West- in einen Nord-West-Kurs ändern und dazu die Genua auf die Seite das Großsegels bringen. Da dabei die Hinterkante dieses Segels kurzzeitig von hinten angeblasen und dann schlagartig auf die andere Seite umschlägt, bedarf dieses Manöver sehr viel Aufmerksamkeit und Fingerspitzengefühl. Die Wellenhöhe stieg währen dieser Zeit langsam immer weiter an und deren Struktur wurde zunehmend chaotisch. Später kamen Wellen wie aus dem Nichts mit Höhen bis zu geschätzten 3 Metern und zwar ständig. Da man keine Struktur erkennen konnte, wurde das Bewegen an Bord höchst unkomfortabel und kräftezehrend. Das endete erst in der Einfahrt zum Industriehafen von Garrucha. Na ja, die ruhige Nacht dort ließ mich tief schlafen.

Im Hafen von Garrucha findet man auch große Schiffe aus fernen Ländern!

So, nun wird es ein wenig nautisch! Für die Fahrt nach Almeria sollte das Meer nur 50 cm Wellenhöhe haben, also angenehmere Verhältnisse. Es kam anders! Mein Sollkurs nach Almeria lag wieder in Windrichtung über eine lange Zeit. Dann ändert sich auch hier der Küstenverlauf nach Nord-Ost. Almeria liegt in einer großen Bucht und es war zu erwarten, dass sich der Wind hinter dem Kap de Gata stark und damit auch die Wellen verringern werden. Das taten er und die Wellen dann auch. Aber zuvor kam eine für mich alptraumartige Erfahrung. Mein Kurs folgte zunächst stundenlang der Küste, die auf meiner rechten Seite mäanderte. Ich hatte mich an die Wellen, die nun noch höher zeigten, als am Tag zuvor, einigermaßen gewöhnt. Jedoch brachte mich die Kurs-im-Wind immer dichter an die Felsenküste heran. Ich entschied mich also zur Kursänderung, also, in diesem Fall, zum Verändern der Genua auf die Seite des Großsegels. Das ist insofern nicht einfach, da man die Genua dabei vor dem Kutterstag entlang führen muss. Das geht nur, wenn man die Genua einrollt. Das ist bei Windstille überhaupt kein Problem, bei mehr als 20 Knoten allerdings schon. So etwas habe ich aber bereits vielmals mit Erfolg durchgeführt. Allerdings komme ich jedes Mal an die Grenze meiner Kräfte. Wie geht das? Einerseits muß man das Segel etwas entlasten. Dazu löst man dessen belastete Schot und kontrolliert diese heftig belastete Leine über die Winsch mit der einen Hand. Mit der anderen Hand gilt es, die Reffleine mit Hilfe einer Winsch einzuziehen. Das Vorsegel wird auf diese Weise auf seinem Stag so weit aufgewickelt, dass dessen Hinterkante vor dem Kutterstag auf die andere Schiffsseite gewendet und hinaus gelassen werden kann. So weit, so gut. Das kräftezehrende Aufwinschen der Reffleine mit der einen Hand und das zeitgleiche Herauslassen der stark belasteten Schot, was zugleich dessen Last zunehmend verringert, vereinigt die Anforderung an ein abgestimmtes Handeln mit beiden Händen in stark unterschiedlicher Weise. Heftiges Schlagen des Segels führte letztlich dazu, dass dieses sich teilweise in die eine und in die andere Richtung auf das Stag aufwickelte. Man nennt dieses fachsprachlich: Es entstand ein sogenanntes „Uhrenglas“! Diese ist selbst im Hafen nur mühselig oder im Extremfall durch einen Schnitt zu entfernen. In dieser Situation war es aber unmöglich. Ich ließ also die freistehenden Reste des Vorsegels, die aber immer noch relativ große Kräfte wie ein Segel erzeugen, einfach weiter flattern. Man muss dabei auch bedenken, dass jeder Gang auf das Vorschiff unter diesen Bedingungen lebensgefährlich ist, nicht nur für alte Menschen wie mich!

Es ist klar, dass während dieser Arbeit eine dritte Hand für die Steuerung des Schiffs fehlt. Der Autopilot macht diese Arbeit in der Regel klaglos. Also habe ich die Maschine angelassen, um mit Motorkraft wieder Fahrt aufnehmen und das Ruder wirksam werden zu lassen. Allerdings wollte mir aber in der extrem dynamischen Situation bei chaotischen, etwa 4 Meter hohen Wellenbergen, nicht gelingen, das Schiff gegen den Wind zu stabilisieren. Nun hatten sich allerdings die Wellenhöhe und deren -struktur soweit verschlechtert, dass das Schiff sich trotz aktiviertem Autopiloten ständig in die „Beiliegeposition“ bewegte. Sodann habe ich die Maschine angelassen, um mit Motorkraft wieder Fahrt aufzunehmen und das Ruder wirksam werden zu lassen. Dieses wollte mir in der extrem dynamischen Situation bei chaotischen, etwa 4 Meter hohen Wellenbergen, nicht gelingen. Sodann habe ich die Maschine angelassen, um mit Motorkraft wieder Fahrt aufzunehmen und das Ruder wirksam werden zu lassen. Dieses wollte mir jedoch in der extrem dynamischen Situation bei chaotischen, etwa 4 Meter hohen Wellenbergen, nicht gelingen. Ein Abwarten in dieser beigelegten Situation bis der Wind nachlassen würde, wäre in dieser Situation durchaus möglich gewesen. Um dann wirklich in eine Seenotsituation zu kommen, bedurfte es dann eines weiteren Effekts. Dieser kam dann auch sehr rasch. Beide Genuaschoten hatte der Wind für mich unbemerkt aus ihren Leitrollen gezogen und das über den Bug schießende Wasser hatte diese dann über Bord geworfen. Der letzte Akt des Dramas war dann, dass die laufende Schraube geradezu wie ein Magnet, eine strömungsmechanische Analyse erspare ich mir an dieser Stelle, die Leinen angesaugt und um die Welle gewickelt hat. Die Maschine stoppte sofort. Die Odd@Sea war also im Starkwind mit 25 Knoten völlig steuerlos und schaukelte um alle Achsen auf einem tobenden Meer.

Meine Konsequenz in dieser Lage war sofort klar: Ich war in einer Seenotsituation und musste Hilfe holen. Leicht gesagt, denn dazu musste ich unter Deck und das macht man in dieser Situation nicht so einfach, denn zunächst kotzt man sich lieber an Deck aus als in der Kabine. Egal: Wat mut , dat mut. Der Segen eines digital unterstützten Notrufs zeigt sich mir sofort, obwohl ich Derartiges noch nie gemacht habe und mich kaum noch an die komplizierte Ausbildung dazu vor vielen Dekaden erinnern kann. Egal, es gibt ja den Rettungskanal 16, bei dessen Nutzung automatisch die Standortkoordinaten übertragen werden. Gedacht, getan: Es funktionierte sofort und die Rettungszentrale in Almeria meldete sich sofort. Auch viele andere Schiffe und Stationen erkundigten sich nach meinem Wohlbefinden. Das war ein gutes Gefühl. Nach etwa einer Stunde war dann ein riesiger militärische Seeschlepper bei mir. Wie ich hinterher hörte, befand er sich auf dem Weg nach Cartagena, hatte den Notruf empfangen und wollte in meiner Nähe bleiben, bis ein geeigneter, kleinerer Schlepper auf dem Weg zu mir war. Das war nach etwa einer halben Stunde der Fall. Der Große fuhr einfach weiter und ich wartete noch etwa eine Stunde, bis am Horizont der zuständige, kleinere und rote Schlepper bei mir war. Er kam zunächst dicht an meine Bordwand und teilte mir mit, dass unter diesen Wellenbedingungen kein Übersetzen eines Mannes möglich sei. Wir warteten also noch eine weitere Stunde in einigem Abstand. Ein wenig nahm in der Tat zwar der Wind, nicht aber die Wellenhöhe ab. Ein Seemann fasste also Mut und in einem günstigen Moment sprang er zu mir an Bord. Dann ging es schnell: Eine Leine wurde herüber geworfen und an den Klampen am Bug befestigt und los ging die turbulente Fahrt gegen den ohnehin schon starken Wind. Wir konnten während der etwa 4 Stunden Fahrt nach Almeria dabei zuschauen, wie sich meine Genua so langsam mehr und mehr zerlegte.

Nach einer Weile im Schlepp kann man die sich immer mehr zerlegende Genua gut, aber auch mit innerlichen Schmerzen beobachten.
Der Seenotretter Bruno war mutig genug, um bei dem starken Wellengang vom Schlepper aus den Sprung auf die Odd@Sea zu wagen.
Das Rettungsschiff nahm im Hafen von Almeria mein lädiertes Schiff an seine Seite, um es sicher an die Pier für Havaristen zu bringen.

Der junge, sehr freundliche Mann, Bruno, der mich auf der Odd@Sea dabei begleitete und das Steuer im Wechsel mit mir übernahm, konnte gut englisch sprechen und wir hatten in den vier Stunden bis nach Almeria intensive Gespräche über Gott und die Welt. Es wurde dunkel und wir kamen spät am Hafen an. Wir hielten aber zunächst kurz vor der Einfahrt in den Sportboothafen, denn mit 80 Metern Leine als Vortriebserzeuger geht ein kontrolliertes Anliegen nicht. Diese Leine wurde also entfernt und der Schlepper legte sich an die Bordwand der Odd@Sea, dessen Besatzung machte diese mit einzelnen Leinen an seiner Bordwand fest und der Schlepper legte sozusagen mit mir zusammen am Havaristenkai an, der sich direkt hinter der Einfahrt an Steuerbord befindet. Damit war meine aktuelle Reise zunächst beendet und ich fiel nach einem kleinen Abendbrot direkt in den Tiefschlaf.

An der Havaristenpier war dann das Drama aus nächster Nähe zu bestaunen.

Am nächsten Morgen stand zunächst nach einem guten Frühstück die Begrüßung eines Tauchers auf dem Programm. Dieser kam etwa um 10.00 Uhr bereits in seiner Tauchausrüstung schwimmend an der Odd@Sea an. Sein Helfer klopfte höflich bei mir an und berichtete, dass die Arbeit bereits wie vereinbar erledigt sei. Die Leinen waren von der Antriebswelle entfernt und das Kunststofffenster des Sonars gereinigt. Alles wieder klar. Ich war startklar zur Verlegung des Schiffs in den Bereich der normalen Liegeplätze, was ich dann auch sofort machte. Hier werde ich jetzt wohl wieder einige Zeit verbringen, denn die Fertigung einer neuen Genua und der Ersatz der eingerissenen oberen Saling braucht nach Angabe des Segelmachers, der mich heute vor Ort besuchte, mindestens eine Woche. Bei dieser Gelegenheit habe ich mit ihm auch gleich eine eingehende Prüfung des gesamten Ricks (Mast, Großbaum, Stage, Wanten, Beschläge usw.) vereinbart. Eine weitere Nacht mit hervorragend tiefen Schlaf brachte mich heute Morgen wieder ins wirkliche Leben zurück. Das bestand aus aus einer Rundfahrt mit einem Taxi durch Almeria mit dem Ziel, den Segelmacher zu finden. Es gab einige sprachbedingte Konfusion, die mich zu einer Adresse im Industriegebiet der Stadt führte, die jedoch keinen Segelmacher beherbergte. Ich hatte aber eine Visitenkarte und damit auch eine Telefonnummer. Der Fahrer übernahm die Kommunikation und brachte mich dann zu einer entsprechenden Firma und zu deren Geschäftsführer, der allerdings von meinem Fall nichts wusste. Die Konfusion löste sich nach Rückkehr zum Schiff auf. Dort waren der Gesuchte und ein zweiter Segelmacher bereits bei der Inspektion meines Schiffes und zur Verabredung der notwendigen Arbeiten, u. A. den Ersatz der gebrochenen oberen Saling. Ich konnte ihm folgen, als er mir empfahl, dass der komplette Mast gelegt werden sollte, um dessen gesamte Struktur (Mast, Stage, Wanten, Salinge) zu prüfen. Die Gelegenheit dazu kann nicht günstiger sein. Wir vereinbarten ein Gesamtpaket und setzten den Preis für die Genua fest. Der Versuch zur direkten Überweisung einer Anzahlung für die Genua direkt von meinem Konto über meinen Computer schlug dann fehl, da das komplette Überweisungssystem zwischenzeitlich verändert wurde. Ein Computer kann nicht mehr verwendet werden, sondern u. A. nur noch Smartphones oder andere spezielle Spielzeuge sind dafür jetzt noch brauchbar. Was für eine Katastrophe! Zu meiner Schande wußte ich zwar von der Systemumstellung, war aber immer zu träge, mich darum zu kümmern. Nun muß ich mein Smartphone endlich zum Laufen bringen, da dafür die entsprechende App existiert. Auch das hatte ich verschlampt. Egal, das Leben geht weiter.

Auch meine DNationalflagge wurde in Mitleidenschaft gezogen!

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