18.12.2017 Unfassbar – die Bürokratie in Griechenland

Nun bin ich gerade wieder als EU-Bürger erfolgreich in die EU zurückgekehrt. Das geschah auf Limnos in der Hafenstadt Mosina an der Westküste. Was ich dabei erlebt habe, ist allerdings einige Bemerkungen wert, denn das hat hier alles auf den Kopf gestellt, was ich bisher über die EU und ihre Vorteile für die Bürger wußte.

Zusammengefaßt war diese Zeremonie mit der in der Türkei vergleichbar, wenn ich auf die vielen Einzelaspekte dieses eigentlich einfachen Prozesses schaue. Dort habe ich in meiner Vorahnung einen Agenten bestellt, der den administrativen Teil für mich erledigt. Hier, so glaubte ich, sei alles einfacher und habe es mir selbst zugetraut. Eine fatale Fehleinschätzung, denn es war mit Abstand das Aufwändigste, was ich in diesem Zusammenhang je erlebt habe und an eine direkte Weiterreise zur nächsten Zielinsel, die nur etwa 4 Fahrstunden entfernt liegt, war sehr schnell nicht mehr zu denken.

Zunächst das Gute an dieser Erfahrung: Die Prozedur des Einklarierens machte auch einige Wege durch die wunderschöne, gemütliche, aber auch lebhafte kleine Stadt erforderlich. Ein Spaziergang durch die kleinen Straßen mit ihren unzählbar vielen kleinen und größeren Geschäften, Bars und Restaurants war wirklich bereichernd. Auffallend gut war der Zustand der Infrastruktur und die Qualität der Angebote. Da kann man durchaus auch einmal für einen halben Tag zusätzlich verweilen. Der Hafen ist zentraler Teil des Stadt, aber nicht das Zentrum. Das liegt eher im Inneren des Gewirrs von kleinen Gassen und an den vielen kleinen Plätzen.

Der Grund meines nicht geplanten Spaziergangs war aber durch die Administration bedingt. Es muß nämlich eine Steuer in Höhe von 50 € bezahlt werden und dieses nicht bargeldlos oder per Cash aus der Tasche, sondern durch Bareinzahlung in der staatlichen Zentralbank, wo man eine Bescheinigung erhält, mit der man zum Finanzamt geht, um dort eine Bescheinigung zu erhalten, die man dann der Grenzpolizei übergibt. Ausgangspunkt ist ein Formblatt, welches zwar als Vordruck vorlag, jedoch handschriftlich mit den Daten der handelnden Personen und des Schiffes versehen werden muß. Das macht nicht etwa der „Kunde“, sondern der Beamte der Grenzpolizei in besonderer Schönschrift. In der Zentralbank erwartet einen dann ein Wartesaal, wie er in größeren Einwohnermeldeämtern bei uns anzutreffen ist, jedoch ist er hier noch viel voller. Man zieht eine Nummer, die so viel größer als die gerade aktuelle ist, dass man den Gang dahin bereits bereut. Eine Stunde oder mehr zeichnet sich schnell als Perspektive ab. Der Bankbeamte ist zunächst erstaunt über das kuriose Anliegen, welches er der vorgelegten Bescheinigung entnimmt und fagt erst einmal seinen Kollegen. Dieser kennt sich besser damit aus und wickelt den Deal, nämlich eine Einzahlung auf ein staatliches Steuerkonto, rasch ab. Man erhält den Beleg und geht quer durch die Stadt zur nächsten Station, dem Finanzamt. Hier ist es etwas leerer, aber die einzelnen Vorgänge dauern länger. Auch hier wird erst einmal ungläubig auf meine vorgelegten Papiere geschaut, bis dann tatsächlich eine mit ihrem Schreibtisch fest verwachsene, etwas korpulente Dame im Einfinger-Suchsystem den Inhalt der Papiere in ihren Rechner eintippt. Ein halbes bit pro Sekunde an Übertragungsgeschwindigkeit war dabei schon eher schnell. Am Ende steht auch hier wieder ein Beleg, der dann letztlich am Ausgangspunkt des Geschehens, bei der Grenzpolizei, vorgelegt wird. Nun aber nimmt ein Akt seinen Lauf, den ich noch nie im Leben in dieser Intensität erlebt habe. Es werden von dem Beamten verschiedene, sehr differenzierte Formblätter in Schönschrift mit der Hand ausgefüllt, wobei der eigentlich überschaubare Datenbestand immer wieder neu geschrieben wird. Da Korrekturen offensichtlich nicht gewollt sind, wird wieder mit einem neuen Formblatt angefangen, wenn ein Irrtum passiert ist. Bürokratie bis zum Umfallen.

Das Problem mit dem Namen meines Schiffs führte natürlich zu ausgiebigen Diskussionen. Ein E-Mail-Sonderzeichen, wo gibt es denn so etwas. Wenn man sich positiv darauf einläßt, und man hat ja keine Wahl, dann hat man durchaus einen schönen und unterhaltsamen Nachmittag. Es ist aber alles so kurios, dass zu lockere Reaktionen schnell zur Beamtenbeleidigung führen könnten. Also heißt dass, im Inneren zu lachen und den Mund zu halten. Nach einigen Stunden spazieren gehen, auf den Aufruf warten und am Tresen in der Amtsstube stehen war der Käse aber immer noch nicht gegessen. Es fehlt noch ein Eintrag einer anderen Dienststelle. Ich muß also heute noch einmal später vorbeischauen. Ein umfassendes Dokument gab es dann aber auch noch, welches mir bei zweijährlicher Vorlage zur Verlängerung die Einreise mit dem Schiff in Griechenland über die Zeit meines Lebens etwas vereinfachen wird. Da habe ich ja mal etwas wirklich Bleibendes bekommen, denn ich muß dieses Dokument ab jetzt immer an Bord haben!

Irgendwie verstehe ich die griechischen Finanz- und Organisationprobleme nach dieser eindrucksvollen Erfahrung jetzt etwas besser. Es liegt nicht an den sehr freundlichen Menschen, die ihr Bestes geben und konzentriert ihre Aufgaben machen, sondern am unglaublich bürokratischen System. Das Positive daran ist, dass ich heute noch einen Abend in der Stadt verbringen kann, bevor ich nach Evstratios weiterfahre. Leider wird das Zeitpolster für die rechtzeitige Realisierung meines Abflugs nach Deutschland dadurch aber wieder enger. Leider nehmen die angenehmen Temperaturen in diesem Teil Europas jetzt etwas ab, von bisher 22° auf heute 18° und morgen vielleicht nur noch 10°C. Schade!

Ein Gedanke zu „18.12.2017 Unfassbar – die Bürokratie in Griechenland“

  1. Lieber Jürgen,
    wir können Deinen Bürokratie-Frust sehr gut verstehen. Ähnliches ist uns bei der Einreise nach Griechenland von der Türkei aus auch schon passiert. Wir haben den Eindruck, daß so das gesamte Leben, besonders die Wirtschaft, massiv gegängelt und behindert werden. Hier hilft nur Fatalismus!
    Wir drücken Dir die Daumen, daß Du rechtzeitig in Athen bist, denn wir glauben, daß Dir die Familie gut tun wird.
    Die Crew des Goldzahn aus Wi-Schierstein.

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