27.10.2019 Ein wunderbarer Segeltag zwischen Cherbourg und St. Peter Port auf Guernsey

Es wurde gestern Nachmittag klar, dass sich das Wetterfenster für eine Überfahrt zur Kanalinsel halten würde. Was ich noch unbedingt brauchte war Nachschub an Leinöl, ein für mich unentbehrliches Lebensmittel, das mir leider schon schnell nach dem Verlassen meines Heimatlandes ausgegangen war. In Holland konnte ich noch einmal eine kleine Reserve einkaufen, die aber auch sehr schnell aufgebraucht war. In Frankreich musste ich bisher darben. Das hatte nun ein Ende mit der Empfehlung eines deutschen Seglers, der neben mir in Cherbourg mit seinem Aluminiumschiff lag. Er zeigte mir den Weg zu einem „Hypermarché“, einem Einkaufszentrum von gigantischen Ausmaßen. Mit zwei Flaschen verließ ich diesen Laden und konnte wieder frohgemut in die Zukunft schauen.

Für die Abfahrt am nächsten Morgen hatte ich Zeit, denn die für mich günstige Strömung im Kanal setzte erst etwa um 10:00 Uhr ein, eine Stunde vor dem Hochwasser in Dover. Dass an diesem Tag allerdings die Urzeit von der Sommer- zur Winterzeit umgestellt wird, hatte ich übersehen. Wie so oft im Leben kommt es aber auf Kleinigkeiten nicht an und es begann eine fulminante Segeltour zunächst entlang der Küste nach Westen, dann um ein Cap herum in Richtung der britischen Kanalinsel vom Feinsten. Noch im Hafen habe ich volle Segel gesetzt und konnte bei dem mit 9 bis 10 Knoten ziemlich schwachen, anliegenden Wind zunächst mit bis zu 7 Knoten bei etwa 1 Meter gleichmäßiger, also sehr komfortabler Welle, losfahren. Es war dann schon ein Erlebnis der besonderen Art, als am Cap dann kurzfristig die 12 Knoten anstanden, die ich nur einmal mit Jörg zusammen in Griechenland in der Nacht erlebt hatte. Dieser Moment war jetzt aber sehr abenteuerlich. Bereits bei der Zufahrt zum Cap fiel mir die weiße Gischt auf dem Wasser auf, welche von brechenden Wellen stammte. Da die Fahrt ständig stieg, hielt ich Kurs, bis ich mich mitten in diesem Chaos befand. Kurze, chaotische Wellen mit 2 bis 3 Meter geschätzter Höhe auf engem Raum, das war etwas Besonderes. Es galt, sehr aufmerksam und präzise zu steuern, denn das Schiff wollte ständig woanders hin. Ein Querschlagen wäre katastrophal gewesen. Der Spuk endete so schnell wie er gekommen war. Mit leicht zunehmenden Wind ging es dann weiter mit achterlichem Wind in Richtung Guernsey vorbei an Alderney, einer weiteren größeren britischen Kanalinseln und vorbei an zahlreichen kleinen und kleinsten Inselchen. Es war einfach phantastisch, wie mein Schiff mit hoher Geschwindigkeit segelte. Eine andere Yacht, die kurz vor mir Cherbourg mit gleichem Ziel verlassen hatte, konnte ich hinter dem Cap schnell überholen. Das hatte ich bisher noch nicht erlebt. Ich hatte einen „Schmetterling“ gesetzt, der einfach mehr Segelfläche in den Wind stellt, als die konventionelle „am Wind“-Segelstellung der anderen Yacht. Der Bereich der fahrbaren Kurse ist allerdings recht begrenzt und wenn der Wind dann dreht, wie in diesem Fall, dann habe ich als Einhandsegler allerdings ein größeres Problem. Man würde normalerweise in diesem Fall die Segel „schiften“, die Segelstellung von der einen in die andere Richtung tauschen. Das geht allerdings nur, wenn man weitere Hände zur Verfügung hat. Mein Versuch, dennoch das Ziel zu erreichen führte einmal mehr zu einer etwa halbstündigen Reparaturmaßnahme im Bugkorb mit etwa den gleichen Merkmalen, die ich bereits bei meiner diesjährigen, nächtlichen Einfahrt in den Hafen von Scheveningen erlebt und beschrieben hatte. Nochmal werde ich ein solches Manöver nicht versuchen. Der Maschinenantrieb gegen den Wind machte es dann letztlich doch möglich, das Tohuwabohu meines großen Vorsegels zu bereinigen.

Um mir noch eine besondere Herausforderung zu gönnen, nahm ich dann eine wirklich große Abkürzung bei der Anfahrt zur Zielinsel durch ein Gebiet, welches unter Wasser durch sehr zerklüftete und mit zahlreichen aus dem Wasser ragenden Felsen gekennzeichnet ist. Der „Reeds Nautical Almanach“ warnt zwar vor der Nutzung dieses Weges, aber so etwas reizt mich dann doch. Aus vielen Erfahrungen mit solchen Situationen im Mittelmeer konnte ich mir ziemlich sicher sein, dass meine elektronische Karte ziemlich präzise ist. Ich fuhr also bei zunehmendem Wind relativ schnell durch diese enge Strecke zwischen beeindruckenden Felsen rechts und links auf einer sehr engen, mäandernden und nur auf der hochaufgelösten Karte erkennbaren Stecke und kam danach wieder in die tiefe Fahrrinne in der Zufahrt nach St. Peter Port, ohne jemals signifikant weniger als 15 Meter auf dem Echolot zu sehen. Es geht also und macht Spaß, wenn man Freude am präzisen Steuern von Schiffen in unbekanntem Gebiet hat. Auch hierbei wurde der Eindruck stark durch eine starke Turbulenz mit viel Gischt von brechenden Wellen beeinflusst. Das sind dann die Momente, wo Adrenalin durch die alten Adern rinnt.

Leider war mein erstes Ziel auf Guernsey, die Tankstelle in einem ein paar Kilometer nördlich vom Zielhafen gelegenen kleinen Hafen anzulaufen, nicht von Erfolg gekrönt, da heute Sonntag ist und die Tankstellen deswegen Ruhetag haben. Na ja, an- und ablegen kann man ja nicht oft genug üben.

Obwohl ich St. Peter Port bereits von meiner Rückkehr nach Deutschland im letzten Jahr her kenne, konnte ich kaum noch zu Zufahrt zu der Marina finden, denn es stehen jetzt noch viel mehr kleinere Boote an Mooringbojen im Vorhafen. Zunächst hielt ich deshalb Kurs auf einen anderen Hafen, der sich aber dann als Fischereihafen herausstellte. Ein weiser Hafenmeister konnte wohl von seinem Tower das kommende Problem mit der Enge in dieser Zufahrt und dem ungünstig stehenden Wind erkennen und schickte mir ein starkes Schlauchboot prophylaktisch zur Hilfe. Das war auch bitter nötig wie ich dann sehen sollte, um eine Havarie zu vermeiden. Es war mit keinem der mir bekannten Techniken möglich, bei diesem Wind den Bug zu drehen. Ich war also dankbar für diese elegante Hilfe und ich musste von dieser Hilfe nach Einfahrt und Anlegen an einem der ansonsten fast völlig leeren Stege noch einmal Gebrauch machen. Auch hier half nur das Vorausdenken des Profis im Schlauchboot, eine Havarie zu vermeiden. Dafür bin ich sehr dankbar. Was war das insgesamt für ein aufregender Tag.

Aber das Schönste kommt noch: Es gibt hier das erste wirklich gut funktionierende WiFi auf meiner ganzen Fahrt. Ein Grund, hier etwas zu verweilen, obwohl es wohl voraussichtlich morgen möglich wäre, den langen Zweitagestörn nach Brest zu machen.

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