7.11.2019 Langeweile, Langeweile …

Das Thema dieses Blogbeitrags bringt mein Dasein auf Guernsey treffend auf den Punkt. Ja, es ist wieder fast eine Woche her seit meiner letzten Meldung. Mein Leben verläuft außerordentlich gleichförmig und dabei sehr einfach: Lange schlafen, frühstücken, wenn es nicht gerade stark regnet spazieren gehen, entweder essen machen oder, wenn etwas fehlt, einkaufen und dann essen machen, Mittagessen, Kaffee und Kuchen aufnehmen, Fernsehen oder mit dem Computer spielen, manchmal Blog schreiben, Abendessen, Fernsehen und dabei Rotwein trinken und zum Schlafen in die Koje verschwinden. Das war es. Jeden Tag.

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2.11.2019 Nur ein kleines Lebenszeichen von Guernsey

Die Winddrehung auf West hat meine Lebensqualität auf dem Schiff dramatisch verbessert, auch wenn sich heute ein Sturm mit bis zu 57 Knoten fast den ganzen hellen Teil des Tages ausgetobt hat. Meine Annahme, dass die Insel eine gute Windabschattung erzeugt und es keine Welle vor dem Hafen geben wird, da das Tidenwasser wohl kaum aus der Insel herauskommen kann, war goldrichtig. Bei Flut steht zwar das Schiff oberhalb der Abschattung der Hafenmole und der Wind geht voll in die Takelage, aber das war eher unerwartet schlicht. Jetzt liege ich bei Ebbe so tief, dass die Odd@Sea im Wasser vor sich hin schlummert. Das wird wohl in den kommenden Tagen genauso bleiben. Der Wind nimmt zwar etwas ab, wird aber auf absehbare Zeit nicht auf eine östliche Richtung drehen und mir ein Fahrtfenster anbieten. Zumindest nicht in der kommenden Woche.

St. Peter Port ist eine wirkliche Kleinstadt mit Schwerpunkt auf klein. Man hat diese in wenigen Minuten zu Fuß durchquert. Das schmälert aber nicht die Attraktivität des alten Ortes mit seinen sehr gut erhaltenen und gepflegten historischen Gebäuden und natürlich seines riesigen Hafens. Von Ferne erwartet man eigentlich mehr Stadt. Da diese sich jedoch an einem steilen Hang hochzieht und auf der Anhöhe bereits wieder endet, trügt der Eindruck der Größe. Auf jeden Fall sind die unzähligen und zum Teil wirklich luxuriösen Geschäfte und edlen Restaurants in den kleinen Straßen Ausdruck für eine großstädtische Lebensart.

Etwas unwirklich mutet die Tatsache an, dass auf der Insel eine eigene Währung gültig ist, die, so habe ich es zumindest verstanden, völlig kompatibel zum britischen Pfund ist. Man fragt nach dem Sinn. An den Automaten bekommt man jedenfalls die lokale Währung. Das scheint genauso typisch für das U.K. zu sein, wie der Regen, den ich seit meiner Ankunft jeden Tag genießen konnte, wenn auch nicht immer in der gleichen Ausprägung. Meistens war es nur gerade so eben nass. Man kann es also aushalten.

Das soll es heute mit meinem Wasserstandsbericht gewesen sein und ich wünsche Euch allen eine angenehme neue Woche.

30.10.2019 Das Wetterfenster nach Südwesten hat sich geschlossen und ich hänge erst einmal für eine Weile fest auf Guernsey

Der Wind aus östlicher Richtung wurde seit Sonntag z.T. mit bis zu 40 Knoten in den Böen immer stärker, sodass ich nicht gleich in Richtung Brest weiterfahren konnte. Am Mittwoch wird es einen Schwenk in die westliche Richtung mit bis zu 51 Knoten geben, was mir eine Weiterfahrt ebenso verbietet. Bisher scheint diese neue Wetterphase mindestens eine weitere Woche anzuhalten.

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27.10.2019 Ein wunderbarer Segeltag zwischen Cherbourg und St. Peter Port auf Guernsey

Es wurde gestern Nachmittag klar, dass sich das Wetterfenster für eine Überfahrt zur Kanalinsel halten würde. Was ich noch unbedingt brauchte war Nachschub an Leinöl, ein für mich unentbehrliches Lebensmittel, das mir leider schon schnell nach dem Verlassen meines Heimatlandes ausgegangen war. In Holland konnte ich noch einmal eine kleine Reserve einkaufen, die aber auch sehr schnell aufgebraucht war. In Frankreich musste ich bisher darben. Das hatte nun ein Ende mit der Empfehlung eines deutschen Seglers, der neben mir in Cherbourg mit seinem Aluminiumschiff lag. Er zeigte mir den Weg zu einem „Hypermarché“, einem Einkaufszentrum von gigantischen Ausmaßen. Mit zwei Flaschen verließ ich diesen Laden und konnte wieder frohgemut in die Zukunft schauen.

Für die Abfahrt am nächsten Morgen hatte ich Zeit, denn die für mich günstige Strömung im Kanal setzte erst etwa um 10:00 Uhr ein, eine Stunde vor dem Hochwasser in Dover. Dass an diesem Tag allerdings die Urzeit von der Sommer- zur Winterzeit umgestellt wird, hatte ich übersehen. Wie so oft im Leben kommt es aber auf Kleinigkeiten nicht an und es begann eine fulminante Segeltour zunächst entlang der Küste nach Westen, dann um ein Cap herum in Richtung der britischen Kanalinsel vom Feinsten. Noch im Hafen habe ich volle Segel gesetzt und konnte bei dem mit 9 bis 10 Knoten ziemlich schwachen, anliegenden Wind zunächst mit bis zu 7 Knoten bei etwa 1 Meter gleichmäßiger, also sehr komfortabler Welle, losfahren. Es war dann schon ein Erlebnis der besonderen Art, als am Cap dann kurzfristig die 12 Knoten anstanden, die ich nur einmal mit Jörg zusammen in Griechenland in der Nacht erlebt hatte. Dieser Moment war jetzt aber sehr abenteuerlich. Bereits bei der Zufahrt zum Cap fiel mir die weiße Gischt auf dem Wasser auf, welche von brechenden Wellen stammte. Da die Fahrt ständig stieg, hielt ich Kurs, bis ich mich mitten in diesem Chaos befand. Kurze, chaotische Wellen mit 2 bis 3 Meter geschätzter Höhe auf engem Raum, das war etwas Besonderes. Es galt, sehr aufmerksam und präzise zu steuern, denn das Schiff wollte ständig woanders hin. Ein Querschlagen wäre katastrophal gewesen. Der Spuk endete so schnell wie er gekommen war. Mit leicht zunehmenden Wind ging es dann weiter mit achterlichem Wind in Richtung Guernsey vorbei an Alderney, einer weiteren größeren britischen Kanalinseln und vorbei an zahlreichen kleinen und kleinsten Inselchen. Es war einfach phantastisch, wie mein Schiff mit hoher Geschwindigkeit segelte. Eine andere Yacht, die kurz vor mir Cherbourg mit gleichem Ziel verlassen hatte, konnte ich hinter dem Cap schnell überholen. Das hatte ich bisher noch nicht erlebt. Ich hatte einen „Schmetterling“ gesetzt, der einfach mehr Segelfläche in den Wind stellt, als die konventionelle „am Wind“-Segelstellung der anderen Yacht. Der Bereich der fahrbaren Kurse ist allerdings recht begrenzt und wenn der Wind dann dreht, wie in diesem Fall, dann habe ich als Einhandsegler allerdings ein größeres Problem. Man würde normalerweise in diesem Fall die Segel „schiften“, die Segelstellung von der einen in die andere Richtung tauschen. Das geht allerdings nur, wenn man weitere Hände zur Verfügung hat. Mein Versuch, dennoch das Ziel zu erreichen führte einmal mehr zu einer etwa halbstündigen Reparaturmaßnahme im Bugkorb mit etwa den gleichen Merkmalen, die ich bereits bei meiner diesjährigen, nächtlichen Einfahrt in den Hafen von Scheveningen erlebt und beschrieben hatte. Nochmal werde ich ein solches Manöver nicht versuchen. Der Maschinenantrieb gegen den Wind machte es dann letztlich doch möglich, das Tohuwabohu meines großen Vorsegels zu bereinigen.

Um mir noch eine besondere Herausforderung zu gönnen, nahm ich dann eine wirklich große Abkürzung bei der Anfahrt zur Zielinsel durch ein Gebiet, welches unter Wasser durch sehr zerklüftete und mit zahlreichen aus dem Wasser ragenden Felsen gekennzeichnet ist. Der „Reeds Nautical Almanach“ warnt zwar vor der Nutzung dieses Weges, aber so etwas reizt mich dann doch. Aus vielen Erfahrungen mit solchen Situationen im Mittelmeer konnte ich mir ziemlich sicher sein, dass meine elektronische Karte ziemlich präzise ist. Ich fuhr also bei zunehmendem Wind relativ schnell durch diese enge Strecke zwischen beeindruckenden Felsen rechts und links auf einer sehr engen, mäandernden und nur auf der hochaufgelösten Karte erkennbaren Stecke und kam danach wieder in die tiefe Fahrrinne in der Zufahrt nach St. Peter Port, ohne jemals signifikant weniger als 15 Meter auf dem Echolot zu sehen. Es geht also und macht Spaß, wenn man Freude am präzisen Steuern von Schiffen in unbekanntem Gebiet hat. Auch hierbei wurde der Eindruck stark durch eine starke Turbulenz mit viel Gischt von brechenden Wellen beeinflusst. Das sind dann die Momente, wo Adrenalin durch die alten Adern rinnt.

Leider war mein erstes Ziel auf Guernsey, die Tankstelle in einem ein paar Kilometer nördlich vom Zielhafen gelegenen kleinen Hafen anzulaufen, nicht von Erfolg gekrönt, da heute Sonntag ist und die Tankstellen deswegen Ruhetag haben. Na ja, an- und ablegen kann man ja nicht oft genug üben.

Obwohl ich St. Peter Port bereits von meiner Rückkehr nach Deutschland im letzten Jahr her kenne, konnte ich kaum noch zu Zufahrt zu der Marina finden, denn es stehen jetzt noch viel mehr kleinere Boote an Mooringbojen im Vorhafen. Zunächst hielt ich deshalb Kurs auf einen anderen Hafen, der sich aber dann als Fischereihafen herausstellte. Ein weiser Hafenmeister konnte wohl von seinem Tower das kommende Problem mit der Enge in dieser Zufahrt und dem ungünstig stehenden Wind erkennen und schickte mir ein starkes Schlauchboot prophylaktisch zur Hilfe. Das war auch bitter nötig wie ich dann sehen sollte, um eine Havarie zu vermeiden. Es war mit keinem der mir bekannten Techniken möglich, bei diesem Wind den Bug zu drehen. Ich war also dankbar für diese elegante Hilfe und ich musste von dieser Hilfe nach Einfahrt und Anlegen an einem der ansonsten fast völlig leeren Stege noch einmal Gebrauch machen. Auch hier half nur das Vorausdenken des Profis im Schlauchboot, eine Havarie zu vermeiden. Dafür bin ich sehr dankbar. Was war das insgesamt für ein aufregender Tag.

Aber das Schönste kommt noch: Es gibt hier das erste wirklich gut funktionierende WiFi auf meiner ganzen Fahrt. Ein Grund, hier etwas zu verweilen, obwohl es wohl voraussichtlich morgen möglich wäre, den langen Zweitagestörn nach Brest zu machen.

24.10.2019 Nachtrag

Die Aussicht, dass eine knappe Woche lang geeignete Winde für die Biskayaquerung von Brest nach La Coruna auf mich zukommt, steigt mit jedem neuen Wetterbericht. Am Montag käme ich danach problemlos bis nach Brest in einem Tag-Nacht-Törn. Ob ich dann einen Tag zur Erholung brauche, weiß ich heute noch nicht. Es bleiben dann aber noch mindestens zwei komplette Tage für die lange Strecke. Das sieht gut aus. Ich hoffe, dass sich diese Lage stabilisiert und bitte um verstärkende geistige Beeinflussung des Wettergottes.

Zuvor wird es hier in Cherbourg noch einmal sehr turbulent, weil zwei Stürme mit über 40 Knoten Windgeschwindigkeit über die Landschaft ziehen werden. Ich bin wahrlich froh darüber, dass ich hier wirklich sicher und auch wirklich schwellfrei liege. Die beiden bei der Anfahrt so störenden Wellenbrecher wirken sich offensichtlich sehr positiv aus. Das Schiff liegt hier auch bei Sturm wie in Beton gegossen. Ob die riesigen Vorhäfen bei diesem Sturm keine eigene Windwelle aufbauen, kann ich aber noch nicht sagen.

24.10.2019 Ich bin völlig besoffen, aber es kommen ja noch drei aufregend-schöne Tage!

Es sind jetzt mehr als 2 Wochen her, seitdem ich zuletzt auf dem großen Meer unterwegs war, obwohl ich schon längst mindestens im Süden Portugals, also südlich von Cascais, sein wollte. Egal, das Wetter hat darüber entschieden, dass ich mich immer noch in Dieppe, also in der Normandie befinde. Der heutige Tag brachte mir einen Höhepunkt an Wind aus Nordost, der leider nur kurzfristig aus Nordost, also aus einer für mich sehr interessanten Richtung kam, aber leider in einer Stärke, dass es mir in meiner Blechbüchse eher sehr schlecht ging. Es gab hier einen Schwell im Hafen, der es mir zunächst unmöglich machte, auch nur ein Abendbrot an Bord zu genießen. Ich war auch ohne Essen nahe daran, dass ich kotzen musste. Insbesondere die Segelschiffe im Hafen schlingerten und insbesondere rollten dermaßen, dass man befürchten musste, dass deren Mastspitzen aneinander gerieten. Kleinere Motorboote sprangen fröhlich gegen und auch auf die Stege. Es war allenthalben Tumult angesagt.

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15.10.2019 Keine Wetteränderung in Sicht!

Vor 4 Tagen konnte ich noch hoffen: Gestern hätte sich danach, mit ein wenig Glück, ein kurzes Wetterfenster nach Westen bzw. Südwesten einstellen können. In der Tat gab es gestern keinen Starkwind, aber der Wind kam direkt punktgenau aus der Richtung Südwest, also von dort, wohin ich hinfahren wollte. Zwei Gründe bewegten mich, meinem inneren Druck, diese Gelegenheit zu nutzen und wieder einmal auf das Meer hinauszufahren, nicht nachzugeben: Zum einen habe ich in diesem Jahr schon genug gegen den Wind angeknüppelt. Das macht keinen Spaß und ist nervig aufgrund der geringen erreichbaren Geschwindigkeit und solche Fahrten dauern stets bis in die tiefe Nacht hinein. Andererseits wäre ich wegen der tidenbedingten Abfahrtzeit nach 13:00 Uhr nicht sehr weit gekommen.

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11.10.2019 Seit 6 Tagen wettere ich jetzt in Dieppe ab und es werden wohl mindestens noch 2 weitere Tage hinzukommen

Ich schreibe diese Zeilen nur, um wieder einmal ein Lebenszeichen von mir abzugeben. Zu sagen gibt es nur wenig. Die tägliche Routine gleicht der in einem stationären Haushalt: Einkaufen, kochen, abwaschen, schlafen. Das stete Auf und Ab des Wasserstands im Hafen manifestiert den Eindruck von Ewigkeit und gibt der Langeweile einen immer gleichen Zeitrahmen. Spaziergänge durch die wirklich schöne und lebenswerte Kleinstadt mit alter Bebauung, die durch ihre komplexe Hafenanlage sowie deren riesige, modern angelegten Strandanlagen dominiert wird, können auch nur für wenige Stunden der Überbrückung der Zeiten zwischen den Malzeiten dienen.

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7.10.2019 Eine gute und eine schlechte Nachricht von der Odd@Sea

Der Hafen von Dieppe hat bei dem Sturm in der gestrigen Nacht nicht ganz gehalten, was er versprochen hatte: Man liegt hier zwar bestimmt absolut sicher, aber nicht sehr komfortabel bei Weststurm mit über 40 Knoten. Die Nacht war für mich dann auch sehr turbulent, da der Schwell ziemlich stark war. Wenn erst einmal die Stege in Wallung geraten, dann übertagen sich die Schwingungen jedes einzelnen Schiffs auf alle Schiffe im Hafen. Ein wahrlich bewegender Anblick, aber für einen schläfrigen Skipper nicht sehr erbaulich.

Ich habe nach einer intensiven Konsultation des Wetterberichts und mit Bestätigung von Jörg, meinem nautischen Gewissen (Ich danke Dir für Deinen steten Rat, lieber Jörg), den Sprung nach Le Havre nicht vorgenommen. Es ist schon einigermaßen skuril: Heute gab es morgens zunächst Westwind, nicht sehr stark, aber zu stark, um gegen diesen anzuknüppeln. Nach etwa 4 Stunden hätte ich die Richtung auf Südwest ändern müssen, um nach Le Havre zu kommen. Was passiert also nach der Vorhersage? Der Wind dreht nach vier Stunden auf Südwest. Was soll das und wer steckt eigentlich hinter diesen Entscheidungen in diesem chaotischen System?

Egal, ich werde nun mindestens bis zum Wochenende in Dieppe bleiben. Das Treffen mit meinen Freunden aus Karlsruhe war also doch nur ein Traum, denn diese müssen morgen endgültig ihre Heimreise antreten. Schade, Stefan und Regine.

Nun zur positiven Nachricht! Nachdem ich vorgestern mit Verdruss festgestellt hatte, dass der Pegel in meiner Bilge über Nacht wieder angestiegen ist, musste ich nun nach einer gründlicheren Kontrolle feststellen, dass sich dieser Anstieg in homöopathischen Grenzen hielt. Offensicht bin ich einer optischen Fehleinschätzung erlegen. Da die Bilge beidseitig des Schwerts nur sehr schmal und mit relativ flachen Winkel zur Seite ansteigend verläuft, muss man schon einmal eine wirkliche Messung mit dem Zollstock vornehmen, um Klarheit zu bekommen. Wenige Millimeter Unterschied der optischen Breite des Wasserspiegels bedeuten noch keinen signifikanten Anstieg. Um dieses Problem zu lösen, habe ich die Bilgekammern gestern  gänzlich trocken gewischt und konnte heute feststellen, dass im der Nacht allen Kammern (der Motorraum ist separiert) trocken geblieben sind. Wie beruhigend! Also zunächst Entwarnung. Ich war schon so weit, dass ich auf der hiesigen Werft die Odd@Sea aus dem Wasser wollte und eine Inspektion von außen vornehmen wollte. Das bleibt mir nun erspart.

Es bleibt zu diesem Thema also letztlich nur die Frage unbeantwortet, wie es zu der doch ziemlich großen Menge Salzwasser in der Bilge kam. Hier mein Ratschluss dazu: Mein nunmehr unerschütterlicher Glaube an die Existenz des Klabautermann geht davon aus, dass der sich ja sicherlich auch manchmal mit segensreichen Aktionen bemerkbar macht und nicht nur mit Katastrophen. Ich bin jedenfalls wieder sehr entspannt und sehe der anstehenden Woche in Dieppe entgegen.

5.10.2019 Das Wetterfenster hat gehalten, was es versprochen hat

Die Abfahrt nach Dieppe erfolgte noch vor dem Sonnenaufgang, denn die komplizierten, von der Tide abhängigen Strömungen im Kanal von Dover sollten mich möglichst lange unterstützen, zumal der schwache Wind zwischen 10 und später nur 5 Knoten nicht gerade sehr hilfreich sein sollte. Um 6:00 Uhr ging also der Tag für mich los. Eine eigentlich ungesunde Zeit, wenn man die segensreiche Wirkung der Natur unterschätzt. Die kann nämlich eine morgendliche Verstimmung durchaus in eine Hochstimmung verwandeln, wie sich heute einmal mehr zeigen sollte.

Nach den Stürmen der Vortage, die noch in der Nacht wüteten, waren die Wellen auf dem Meer bereits erstaunlich schnell auf erträgliche Maße abgeklungen. Das war auch so prognostiziert. Was mich allerdings geradezu sehr schnell aus meiner schläfrigen Stimmung an diesem eigentlich unkomplizierten Tag brachte, war Folgendes: Als ich den ruhigen Vorhafen von Boulogne dicht an der backbordseitigen Mole verließ, um dann auf dem kürzesten Weg zum etwa 90 km entfernten Ziel Dieppe zu kommen, war ich sofort hellwach, denn was mich hier erwartete hatte ich noch nie erlebt. Entlang der gesamten, mehrere Kilometer langen und sehr hohen Steinmole gab es eine immense weiße Brandung, teilweise bis über die Mole hinweg. Was ich zunächst nicht erkannte war, dass diese Brandung eine enorme Welle entgegen die vom Meer kommende, eher harmlose Welle reflektierte und bis zu einem Abstand von mindestens einem Kilometer ein Tohuwabou an Effekten aus der Überlagerung von verschiedenen Wellensystemen erzeugte. Praktisch bedeutet das, dass sich punktuell sehr hohe, aber kleinflächige Wellenberge wie aus dem Nichts bildeten.

Das Meer kochte also gerade dort, wo ich eigentlich Zeit sparen wollte. Es war harte manuelle Steuerarbeit, so schnell wie möglich und mit Vollgas Abstand zur Mole zu bekommen. Ein Querschlagen zu den zum Teil über 2 Meter hohen Wellen hätte sehr unerfreuliche Wirkungen verursacht. Als ich etwa einen Kilometer Abstand von der Mole erreicht hatte, war der Spuk zu Ende und es ging eher gemütlich weiter. Gemütlich deshalb, da es eine alte Dünung gab, die sich dem Kräuselkrepp der Schwachwindwelle mit einer Wellenlänge von ca. 7 Sekunden überlagerte. Wer ein natürliches Einschlafmittel benötigt, dem kann ich diese Situation sehr empfehlen. Man empfindet das weiche Auf und Ab in dieser Form wie das Einschlafen in einer Wiege. Da ansonsten die Fahrt bis zum Ziel zwar sehr schön, aber eher langweilig war, habe ich mich auch mehrmals für einige Zeit zum Schlafen unter Deck hingelegt, zumal absolut nichts los war auf dem Meer und die Strecke auch nicht sehr kompliziert. Gott sei Dank, hatte ich die Segel, wie bei derartigen Wetterprognosen typisch, nicht bereits im Vorhafen gesetzt, sondern zunächst abgewartet, was da draußen so alles passiert.

Eine Bemerkung muss ich noch machen als Erfahrung aus diesem Tag auf See: Das Wohlgefühl auf See hängt in großem Maße von der Körpertemperatur ab. Auch heute war es etwa so kalt, wie in den letzten Fahrtagen. Ich hatte aber einfach einmal und zum ersten Mal in diesem Jahr mein komplettes Ölzeug über meine Standardkleidung angezogen. Mir war das erste Mal wirklich warm am Steuer und das Unwohlsein von den Vortagen war plötzlich Geschichte.

Wie erwartet kam der Lohn für mein frühes Aufstehen in Form einer langanhaltenden vorteilhaften Strömung. Unter allen Segeln sowie einer geringen Motorunterstützung konnte ich dem Schwachwind dann einige zusätzliche Knoten abhandeln und war dann bereits nur noch etwa 15 km vor Dieppe, als die Gegenströmung einsetzte. Da zugleich der Wind auf unter 5 Knoten abnahm, holte ich die Segel ein und kam dann mit der Maschine ungewöhnlich früh um 16:30 Uhr im Zielhafen Dieppe bei herrlichen Sonnenschein an.

Auf den ersten Blick scheint Dieppe die erste wirklich schöne Kleinstadt zu sein, die ich in diesem Teil Frankreichs angelaufen bin. Da morgen an Segeln wetterbedingt überhaupt nicht zu denken ist, werde ich hier morgen eine ausgiebige Stadtbegehung machen, zumal dann Sonntag ist. Das nächste Wetterfenster wir für übermorgen angesagt. Das wäre dann für mich die Fahrt nach Le Havre.

Eine eher schlechte Nachricht habe ich heute auch noch: Bei der Fahrt heute nahm die Odd@Sea erneut Salzwasser auf. Es war mit etwa 2 cm nicht sehr viel, aber insofern bedenklich, da sie bisher stets absolut trocken gelaufen ist. Wie auch immer, ich muss die Ursache unbedingt schnellstens finden, um mein sicheres Gefühl und mein Vertrauen in mein Schiff nicht zu verlieren.

Morgen werde ich mich diesem Problem ausgiebig widmen. Der Hafen ist hier sehr gut geschützt vor dem zu erwartenden Starkwind.